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Ab und zu unterbrachen die Matrosen ihre Arbeit und ließen die Äxte sinken. Sie hatten schon öfter Gäste an Bord gehabt: den Besitzer der Olivenbäume, den Inhaber der Ölpresse oder den Eigentümer der Lagerhallen. Aber keiner dieser feinen Herren hatte jemals einen Finger krumm gemacht. Diese beiden aber standen den Seeleuten an Kraft und Geschicklichkeit nicht nach. Das waren ja wahre Arbeitstiere.

Der Kapitän hatte erlaubt, dass sie alle zum Schlafen an Bord zurückkehren durften. Denn die Sonne hatte die hölzernen Aufbauten weitgehend getrocknet. Der Wachmannschaft hatte er befohlen, die Unterkünfte aufzuräumen. Denn er wollte, dass sie bewaffnet an Bord blieben, um an diesem unbekannten Gestade nach verdächtigen Bewegungen Ausschau zu halten.

Als die Matrosen ihre Äxte beiseite legten, weil einer der Stämme ungefähr die Form eines Mastes angenommen hatte, hing die Baumwolle ausgebreitet an den Ästen der Uferbäume. Der Kapitän nickte seinen Gästen zu und forderte sie auf, an der abendlichen Mahlzeit teilzunehmen. Das war wohl das höchste Lob, das er ihnen zukommen lassen konnte. Uthman erlaubte sich daraufhin, mehr als die ihm zustehende Ration zu sich zu nehmen, während Henri auf einen Teil seiner Ration verzichtete.

»Morgen wartet viel Arbeit auf uns«, mahnte Henri. »Wir werden unseren Schlaf brauchen. Du wirst zu müde sein, um die Fortsetzung meiner Geschichte zu hören, und ich bin heute nicht mehr fähig, lebhaft von meinem Ritt nach Jerusalem zu erzählen.«

»Einverstanden«, murmelte Uthman, ehe ihm die Augen zufielen. Noch war ihre Zukunft ungewiss, aber sie waren – fürs erste – immerhin in Sicherheit.

4

Die Baumwolle war über Nacht getrocknet. Henri und Uthman machten sich an die Arbeit, ein Segeltuch auf die vorgeschriebene Größe zu schneiden. Der Kapitän blieb neben ihnen stehen und sah ihnen wortlos zu. Er hielt die Hände auf dem Rücken verschränkt und warf ab und zu einen Blick auf die Matrosen, die den Versuch unternahmen, den Mast aufzurichten.

»Verfluchte Dreckskerle! Elende Versager!«, rief plötzlich der Steuermann voller Wut. »Wer von euch hat diese Stümperei veranstaltet?« Unter den Matrosen erhob sich Geschrei. Denn natürlich wollte keiner für das falsche Maß verantwortlich sein.

»Sebastiano, dieser Idiot, hat die Axt falsch angesetzt!«

»Was sagst du da? Soll ich dir das Maul stopfen?«

»Wer hat denn den Stamm ausgesucht? War das nicht Matteo, der doch zu gar nichts taugt?«

»Ich, wie kannst du so etwas behaupten, sporca canaglia?«

»Wer hat denn dem Koch eine Axt in die Hand gegeben? Der kann ja nicht einmal eine Bohnensuppe kochen!«

»Va fai in culo!«, erwiderte der italienische Koch und machte eine entsprechende Geste.

Als die ersten Messer in der aufgehenden Sonne blitzten, sprang der Kapitän erstaunlich behände zwischen die Streithähne. Er schwang seinen Stock mit der elfenbeinernen Krücke, den er zum Zeichen seiner Würde immer bei sich trug. Die Schläge prasselten auf alle Köpfe, ob sie nun zu den Streitenden gehörten oder nicht.

»An die Arbeit, verdammte Bagage! Noch heute Abend will ich auf Deck einen neuen Mast sehen. Wehe dem, der sich eine Nachlässigkeit zuschulden kommen lässt. Ich werde ihn für den Rest der Fahrt in den Block schließen. Morgen früh stechen wir in See. Der Wind steht günstig.«

Die Matrosen eilten im Laufschritt dem Wald zu und suchten nach mehreren erregten Debatten einen Stamm aus, der ihnen passend erschien. Ernesto di Vidalcosta näherte sich gemessenen Schrittes mit hoch erhobenem Haupt Henri und Uthman. »So muss man leider mit diesen Männern umgehen«, sagte er wie zu seiner Entschuldigung. »Jetzt werde ich auch unter dem Wachpersonal Ordnung schaffen müssen. Wie mir Arturo sagte, ist euch nicht entgangen, dass wir eine Frau an Bord haben. Das bringt Unglück. Ich werde sie in die Küche schicken.« Nach einigem Zögern watete er durch das niedrige Wasser und benutzte die Strickleiter, um an Bord zu gelangen.

Die beiden sahen hinter ihm her und bestaunten die Geschicklichkeit, mit der er sich an der Strickleiter hochzog. »Das macht der nicht zum ersten Mal«, meinte Henri. »Ob er nicht doch Abmachungen mit den Piraten getroffen hat? Warum schickt er das Mädchen in die Küche? Doch sicher, um sie besser unter Aufsicht zu haben.«

Uthman bezweifelte die Kochkunst der reichen Advokatentochter. »Als Seeräuberbraut versteht sie wahrscheinlich etwas vom Segelsetzen. Aber einen Kochlöffel hat dieses Mädchen bestimmt noch nie in der Hand gehabt.«

»Schlimmer als bisher kann es nicht werden«, tröstete ihn Henri.

Noch vor Eintritt der Dämmerung ragte der Mast kerzengerade in den Himmel. Die Abendsonne spendete gerade genügend Licht, um die Segel zu setzen. Von keiner Seite hatte es eine Beanstandung gegeben. Der Kapitän hatte beifällig genickt, als die Arbeit des Zurrens reibungslos vonstatten ging. Als besondere Vergünstigung hatte er Henri und Uthman zum Abendmahl gebeten, das er in der Kapitänskajüte für sich und seine Gäste auftragen ließ.

Das Gericht erwies sich leider als völlig ungenießbar. Uthman würgte an dem gesalzenen Fisch, der ungekocht geblieben war. Henri, der nicht unhöflich erscheinen wollte, kaute auf den trockenen Bohnen herum, die ihm im Halse stecken blieben und ihn zum Würgen brachten. Aus der Unterkunft der Matrosen ertönte wütendes Geschrei. »Arturo, gib deiner Schlampe eine Tracht Prügel!«, ertönte die Stimme des Steuermanns. Aber die anderen waren für eine Strafe, die ihnen selbst Vergnügen bereiten könnte. »Liefere sie uns aus! Wir werden es ihr schon zeigen!«

Der Kapitän fand erneut einen Anlass, um einzuschreiten, ehe es zu Übergriffen auf das Mädchen kam. »Man schaffe mir Brunella her!«, brüllte er zornig. Seine Stirnadern waren geschwollen, denn er fühlte sich vor seinen Gästen bloßgestellt. Arturo, der seine Geliebte nur mit Mühe vor den wütenden Seeleuten in Sicherheit gebracht hatte, zerrte Brunella vor den Kapitän, der sich erhob und dem Mädchen zwei kräftige Ohrfeigen verpasste.

Heulend warf sich Brunella vor ihm auf die Knie. »Schlagt mich nicht, Herr! Niemand hat mich in der Kunst des Kochens unterwiesen.«

Uthman befürchtete, dass der Kapitän das Mädchen mit seinem Stock traktieren würde. »So schlecht war das Essen doch gar nicht. Mir hat es geschmeckt.« Die Lüge ging ihm glatt von den Lippen.

Der Kapitän drehte sich zu ihm um und sah ihn verdutzt an. »Aus welchem Lande stammt denn ihr, wo man Gerichte zu sich nimmt, die wir nicht einmal einem Hund vorwerfen würden?«

Henri, der nicht wollte, dass sich Uthman vor dem streng katholischen Kapitän zum Islam bekannte, mischte sich ein. »Mein Freund wurde früh von seiner Familie getrennt und musste mit dem vorlieb nehmen, was Fremde ihm vorsetzten.«

Uthman blitzte ihn aus funkelnden Augen an. Später würde Uthman ihn zur Rede stellen, warum er seine muslimische Familie verschweigen musste. Mit Sicherheit würde er dies als ehrenrührig und beschämend empfinden.

Aber die Situation schien mit dieser Notlüge bereinigt. Ernesto di Vidalcosta hatte sich beruhigt und wandte sich Arturo zu. »Nimm das Mädchen mit dir auf den Wachturm! Dort kannst du mit ihr machen, was du willst. Wenn du eine Tracht Prügel für angebracht hältst, dann schlage kräftig zu! Wenn du es ihr aber auf andere Art geben willst, dann sei auch nicht zu zahm!« Der Kapitän lachte zufrieden über seine eigene spaßhafte Bemerkung.

Das Mädchen warf Uthman einen dankbaren Blick zu, den er mit einem Lächeln erwiderte. Bei allen Heiligen, dachte Henri, geht das schon wieder los mit den Weibergeschichten?

»Morgen soll der Koch uns wieder eine genießbare Mahlzeit vorsetzen!«, rief der Kapitän dem eilends entschwindenden Pärchen nach. »Und sorge dafür, dass er uns für heute eine Flasche von dem guten andalusischen Wein bringt. Das wird die Herren für die entgangenen Genüsse entschädigen.«