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Die Kinder fehlten ihm.

Jane fehlte.

Endlich wellte sich die Linie des Horizonts, malte Kurven in den Himmel.

Fortune trieb das Pony an, hoppelte damit über eine Brücke, klapperte über die nächste. Gehorsam trabte das Pony die Pfade entlang, auf die Fortune es lenkte, geradewegs der Hügelkette entgegen.

Näher kam Fortune seinem Ziel jedoch nicht.

Die Hügel wichen mal nach links aus, mal nach rechts und entfernten sich wieder. Als sich die Wege verästelten und schlammiger wurden, sich mit den Wassergräben zu einem Labyrinth verflochten, musste er sich eingestehen, dass er sich verirrt hatte.

Er machte kehrt, auf der Suche nach einer Stelle, von der er das Wegenetz überblicken konnte, vielleicht auch nur auf einen größeren, hoffentlich durchgehenden Pfad stieß.

Stattdessen verfing er sich in einem Gewirr aus Wassergräben. Zwischen altersschwachen Holzbrücken, von denen eine enger war als die andere und so verfault, dass die Hufe des Ponys mehr als einmal zwischen den Planken hängen blieben.

»Na, was ist?«

Es hatte zu nieseln begonnen; auf der nächsten Brücke, kaum mehr als ein hastig hingeworfener und schon reichlich abgenutzter Steg, war das Pony stehen geblieben. Fortune schnalzte mit der Zunge und drückte die Knie gegen die Flanken des Tieres.

»Komm schon, weiter geht’s.«

Er ruckelte im Sattel und schüttelte die Zügel.

»Hopp. Auf jetzt. Los, weiter.«

Das Pony senkte den Kopf.

Ratlos sah Fortune sich um.

Soweit er es erkennen konnte, wurden die Pfade auf der anderen Seite breiter und gangbarer, die Wassergräben weniger. Der einzige Weg hinaus führte über diese Brücke.

Seufzend stieg er ab, nahm die Zügel locker in die Hand.

»Wahrscheinlich bin ich zu schwer für dich. Ohne mich geht’s sicher besser. Na, komm. Sei ein guter Junge.«

Das Pony schielte ihn von unten herauf an.

»Oder ein gutes Mädchen. Ein gutes Pony jedenfalls. Komm. Komm weiter. Na, komm.«

Bei seinem Locken hob das Pony zögerlich einen Huf.

»So ist’s gut. Vertrau mir. Komm. Ist nur noch ein Stück. Ja, gut. So ist’s brav.«

Vorsichtig setzte das Pony einen Huf vor den anderen und nickte dabei unablässig mit dem Kopf, als müsste es sich selbst Mut zusprechen.

»So ist’s gut. Gleich haben wir’s geschafft. Nur noch ein paar Schritte. Gleich sind wir drüben. Gleich …«

Es knirschte. Unter dem Gewicht des Ponys hatte eine der Planken nachgegeben; ein Huf hatte sich im Spalt verfangen. Ängstlich trat das Pony hin und her, ruckte am Zügel.

»Ho. Hoo.«

Das Pony wieherte und scheute, stampfte auf der Stelle umher und erschütterte mit jedem Huftritt den Steg.

»Ruhig. Ganz ruhig. Warte. Ich helfe dir.«

Ein hässliches Kreischen und Krachen, ein trockenes Splittern, und Fortune verlor den Boden unter den Füßen. Er schnappte nach Luft, als er zwischen geborstenem Holz in das kalte Wasser stürzte, das Pony unweit von ihm in den Kanal klatschte und eine Fontäne der schlammigen Brühe auf ihn niederregnen ließ.

Das Pony bäumte sich auf und schrie; Fortune angelte nach den Zügeln und versuchte das verängstigte Tier zu beruhigen, ohne darunter zu geraten oder einen Huftritt abzubekommen.

Halb führte er mit behutsamer Hand das Pony die Böschung hinauf, halb zerrte und schob er es hoch. Immer wieder rutschte er aus, glitt das Pony mit den Hufen ab.

Keuchend und verschwitzt langte er schließlich oben an, genau wie das Pony tropfnass und schlammverschmiert, aber bis auf ein paar Schrammen unversehrt.

Entschuldigend klopfte er auf den Hals seines Gefährten.

»Armes Pferdchen. Hast mir vertraut und dafür büßen müssen. Ich hätte gleich auf dich hören sollen. Du kennst dich hier besser aus.«

Das Pony war zerzaust, wirkte erschöpft.

»Hast du Hunger? Du siehst aus, als hättest du Hunger. Sind ja auch schon eine Weile unterwegs. Wollen mal sehen, ob wir hier irgendwo etwas für dich finden. Vielleicht sind wir dann auch wieder halbwegs trocken.«

Ein paar Arbeiter, mitten im Nirgendwo mit Hacke und Spaten an einem der Kanäle zugange, wiesen ihm den Weg, zuerst zurück zur Hauptstraße und weiter zu einem Dörfchen am Fuß der Hügelkette.

Wie ein Blitz musste die Nachricht von Hütte zu Hütte gegangen sein, dass ein Fremder im Anmarsch war.

Ein merkwürdiger Fremder noch dazu, schmutzig und speckig, der sein Pony lieber neben sich her trotten ließ, statt auf ihm zu reiten.

Im Nu war er umringt von Männern und Frauen und Kindern, die ihn von Kopf bis Fuß musterten. Nicht unfreundlich, sondern mit großäugiger, fast ehrfürchtiger Neugierde.

»Bitte – wo Essen für Pferd?«, radebrechte Fortune in Brocken des hiesigen Dialekts.

Die Menge harrte schweigend aus. Schob sich nur dichter an ihn heran.

»t’sau – Gras? yumai

Hilfesuchend blickte er reihum in die Gesichter, die unbewegt blieben.

»Essen?« Er tätschelte das Pony. »Pferd? t’sau? yumai

Etwas regte sich nun in der Menschentraube, ein paar Köpfe ruckten aufgeschreckt hoch.

Ein Junge drängte sich zwischen den Leibern hervor; ein schmales Kerlchen mit kahlgeschorenem Kopf und Augen wie schwarze Oliven, das ihm aufgeregte Worte entgegenschleuderte.

Fortune brauchte einige Augenblicke, um das Gehörte wieder und wieder in seinem Kopf ablaufen zu lassen.

Bis er Worte wie können und zeigen und essen zu verstehen glaubte.

Die Geste jedoch, mit der der Junge ihm die Hand entgegenstreckte, klobig für einen solchen Hänfling und erdverkrustet, war unmissverständlich.

Fortunes Kupfermünzen in der geballten Faust und den Kopf stolz emporgereckt, marschierte der Junge voran. Fortune musste sich beeilen, ihn nicht im Gedränge zu verlieren. Während er sich zwischen Armen, Beinen und Körpern hindurchschob, gab das Wasser in seinen Stiefeln bei jedem seiner Schritte ein quatschendes Geräusch von sich; die Wärme Dutzender Leiber drang durch seine feuchten Kleider, und zwiebelstinkender Atem traf ihn im Gesicht.

Er konnte nur hoffen, dass alle ihre Füße rechtzeitig in Sicherheit brachten, ehe das Pony drauftrat.

Hier. Für Geld. Essen. Gekocht.

Fortune beäugte das Häuschen, aus dem der Geruch von Fett und beißenden Gewürzen strömte.

mi hatte er verstanden. Reis.

»Nein. Nicht für mich. Für Pferd. Getreide – yumai

»Jaja«, bekräftigte der Junge eifrig. »Gekochter Reis. Große Schüssel.«

»Für Pferd?«

»Jaja!«

Zweifelnd zählte er weitere Kupfermünzen in die ausgestreckte Hand, und der Junge spurtete los.

»Bring ihm dann lieber auch ein Paar Essstäbchen mit!«, rief Fortune ihm nach.

Gelächter brandete hinter ihm auf.

Der Pulk, der ihm und dem Pony gefolgt war, amüsierte sich prächtig, lachte aus voller Kehle und mit blitzenden Augen.

»Essstäbchen!«, wiederholte ein Bauer mit einem Bärtchen am Kinn, das aussah wie ein ausgefranster Dachshaarpinsel. Die Sichel noch in der Hand, schlug er Fortune mit der anderen auf den Rücken. »Essstäbchen! Hahaha!«

Sobald der Junge den Bottich Reis herangeschleppt und sich dann in respektvollem Abstand auf die Erde gehockt hatte, zerstreuten sich die Schaulustigen.

Schließlich gab es nichts weiter zu sehen als ein fressendes Pony.

Fortune sah an sich herab. Nur langsam begannen seine Kleider zu trocknen, der Schlamm wurde zu einer krümeligen Kruste.

Wang, der sich jeden Abend gnädig dazu herabließ, seine Sachen auszubürsten und die Stiefel zu putzen, würde nicht sonderlich erfreut sein.

Seufzend ließ sich Fortune neben dem Pony nieder, zog die Stiefel von den Füßen, ließ das Wasser herauslaufen, wrang notdürftig seine nassen Socken aus.