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Jasminum sambac. Olea fragrans. Chrysanthemen.

Nichts Besonderes. Aufregendes. Aufsehenerregendes.

Ein paar leidlich hübsche Rosen ohne Duft und Paederia foetida, eine zierlich blühende Rankpflanze, die jedoch nach Schwefel stank.

Nicht das, weswegen man ihn hierher geschickt und was er selbst sich erhofft hatte.

Die kleine gelbe Orchidee, von der er ganze Felder auf den höchsten Hügeln Hongkongs entdeckt hatte, ähnelte mehr einer Wiesenblume als den Prachtexemplaren, die man in England begehrte.

Für eine Spathoglottis fortunei würde niemand hundert Guineen ausgeben, so wie es der Duke of Devonshire unlängst für eine Phalaenopsis amabilis von den Philippinen getan hatte, die so weiß war wie frisch gefallener Schnee.

Spathoglottis fortunei war nicht gut genug. Nicht genug für Ruhm. Für Reichtum.

Kehrte er nicht oder auch nur mit leeren Händen nach England zurück, würde die Society jemand anderen schicken. Jemand, der diese Chance zu nutzen verstand. Dem es gelang, die ersehnten Blütenschätze nach Hause zu bringen und sich einen Namen zu machen.

Erst als er die Stimmen hinter sich nicht länger ausblenden konnte, blieb er stehen und drehte sich um.

Eine Menschentraube umringte Wang, der sich wichtigtuerisch aufplusterte und seine Worte mit großen Gesten unterstrich. Auf eine ungeduldige Bewegung von ihm stob die Menge auseinander und strömte den Hang hinunter.

»Was hast du zu ihnen gesagt?«

»Fu-Chung wichtiger Herr«, keuchte Wang ihm entgegen. »Erntet Gras und Blumen. Für viel Geld.«

»Du hast ihnen gesagt, ich hätte viel Geld?!«

Ärger wallte in Fortune auf. Diese Behauptung war nicht nur fahrlässig, sondern auch unwahr; neben seinem geringen Salär hatte ihn die Society nur mit bescheidenen finanziellen Mitteln für diese Expedition ausgestattet.

Wang sog den Atem ein, wie missbilligend; vielleicht war er auch nur außer Puste.

»Fu-Chung weiß nichts von China! Viel Geld gibt Fu-Chung viel Gesicht. Gut für Fu-Chung. Und gut für Wang!«

Ein kleines Grinsen entblößte seine vorstehenden Zähne und verlieh ihm das Aussehen eines boshaften Esels. Noch dazu mit den abstehenden Ohren, die die ausrasierte Stirn schonungslos preisgab.

Wang schien versöhnlicher gestimmt, trotzdem zögerte Fortune, eine Diskussion vom Zaun zu brechen. Nicht nur, weil er fürchtete, im Dickicht der Sprache misszuverstehen und missverstanden zu werden; vermutlich würde er bei Wang ohnehin den Kürzeren ziehen.

Fortune war nicht hier, um Freunde zu gewinnen. Aber dass das ursprünglich klare Dienstverhältnis zwischen ihnen schon jetzt auf tönernen Füßen stand, missfiel ihm. Und mehr noch missfiel ihm, wie viele Fallstricke sich darin durch Sprachbarrieren und unterschiedliche Gepflogenheiten ergaben.

Er beließ es bei einem ungehaltenen Knurren, von dem er hoffte, dass es autoritär genug klang, und eilte weiter die Steigung hinauf.

Den Pflanzen entgegen, die ihn aus der Ferne angelockt hatten.

Bei denen es für ihn keine Zweifel gab und keine Unsicherheiten.

Gesneriaceae, in der Tat: eine Chirita, die eleganten Blütenglöckchen in einem sanften Blaulila getönt.

Chirita sinensis würde er sie nennen, chinesische Chirita.

Ein veilchenähnliches und sehr schönes Pflänzchen. Mit den silberpelzigen Blättern wohl zu exotisch für einen Cottage-Garten. Falls es sich überhaupt als winterhart erwies. Feminin in Farbe und Form, würde es sich aber hervorragend als Topfpflanze für ein Boudoir eignen, vielleicht auch für einen Wintergarten.

Laute Rufe schreckten ihn auf, und eine aufgeregte Horde trampelte über die zarten Chirita hinweg, Männer, Frauen und Kinder.

Er brauchte die Worte nicht zu kennen, die sie ihm entgegenschleuderten, mit denen sie sich gegenseitig überschrien. Die Gestik, die Mimik waren unmissverständlich, selbst für einen Fremden vom anderen Ende der Welt.

Eine Chinesin, einen Säugling auf den Rücken gebunden, wedelte mit einem Büschel schlaffen Krauts vor seiner Nase herum. Eine andere schubste sie beiseite und hielt ihm fordernd eine Handvoll Erdnüsse hin. Die verschrumpelte Wurzel, die ihm in einer runzligen Faust entgegengereckt wurde, traf ihn beinahe am Auge, und gleich mehrere Männer winkten mit Bündeln von Chilischoten. Sogar eine Flasche Reisschnaps wurde ihm vor die Brust gestoßen, offenbar als Tauschgegenstand für das Halstuch aus Seide gedacht, das Jane ihm zum Abschied geschenkt hatte.

Seine abwehrenden Gesten wurden ignoriert, sein ablehnendes Gestammel überhört; auch Wangs erregter Redefluss ging im Geschrei einfach unter.

Als sich gierige Finger nach seinem Halstuch streckten, ihn am Ärmel zupften und am Gurt der Botanisiertrommel rissen, hatte er genug.

Er floh, den Hügel hinauf, wie vor den aufdringlichen Wespen eines Spätsommers.

Das zuvor auf der Haut getrocknete Hemd klebte wieder feucht an seinem Rücken, als er oben ankam, schwer atmend und mit brennenden Beinmuskeln, aber endlich allein.

Im Zickzack lief er durch das Ruinenfeld wie bei einem Versteckspiel und suchte Zuflucht in der Pagode.

Schäbig sah sie von Nahem aus; ein vergessenes Überbleibsel einer anderen Zeit. Durch Löcher in den geschwungenen Dächern heulte der Wind, und die Gesichter der Götzenbilder waren von den Elementen bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen.

Ein Ort der Stille. Der Kontemplation. Das war spürbar.

Aber so anders als alle Kirchen, die er bisher von innen gesehen hatte, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie man hier betete.

Es stimmte zweifellos: Fortune wusste nicht das Geringste über China, und es verlangte ihn auch nicht danach.

So fern, so unerreichbar war China, dass in der Vorstellung des Westens ein Märchenland daraus geworden war. Seit den alten Tagen der Seidenstraße eine Legende, an der beständig weitergesponnen wurde, mit Seemannsgarn und Händlerlatein.

Die einzige Karte, die es von China gab, war mehr als hundert Jahre alt, angefertigt nach den Aufzeichnungen der letzten Jesuiten in China. Wie das Fell eines englisches Langhornrinds mehr weiß als farbig, beruhte sie hauptsächlich auf grobem Augenmaß und Hörensagen; an manchen Stellen war sie sogar mit Vermerken versehen wie Hier soll es Drachen geben.

Allein schon die geografischen Namen auf dieser Karte klangen im Englischen nach einem Fabelreich.

Insel der duftenden Ströme. Glückliches Tal.

Perlfluss. Goldstaubfluss.

Stadt auf dem Meer.

Wüste der verlassenen Orte.

Fluss, der durch den Himmel fließt.

Jadeberg. Lotosinsel.

Fluss der Neun Drachen.

Das Reich des sprichwörtlichen Kaisers von China. Des Himmelssohns, der über Reisbauern und Mandarine herrschte. Über Bettlerkönige, fliegende Mönche und überirdisch schöne Damen, die ihre Porzellangesichter halb hinter bemalten Fächern verbargen. Wo blutrünstige Tiger umherstreiften, Nashörner stoisch ihrer Wege gingen und schwarz-weiße Bären in Bambushainen faulenzten.

Ein Land der verbotenen Städte, der Paläste und Tempel aus Gold. Mit der größten Mauer, die die Welt je gekannt hatte und die bestimmt noch vom Mond aus zu sehen war.

Wie Xanadu, die Sommerresidenz des Kublai Khan, ein paradiesischer Ort der Pracht und Herrlichkeit. Über dem die Magie des Fernen Ostens schwebte.

Eine gewisse Art von Märchenzauber.

Fortune war kein Freund von Märchen, er war ein Mann der Wissenschaft.

Natürlich gab es keine Drachen. Keine Magie. Nirgendwo.

China war ein Land wie jedes andere.

Allerdings bevölkert von seltsamen Menschen, bei denen die Männer geflochtene Zöpfe trugen wie junge Mädchen.

Ein Land mit merkwürdigem Essen und dünnem Tee ohne Milch und Zucker.

Hier oben, auf dem höchsten Hügel weit und breit, hatte Fortune in alle Himmelsrichtungen freie Sicht auf felsiges Land und blaues Meer, meilenweit und herrlich menschenleer.