Выбрать главу

mi hou tao hieß diese Frucht hier, vielleicht wegen ihres goldbraunen Pelzes. Affenpfirsich.

Über die Terrassen von Reispflanzen wanderte er, jetzt in dieser Jahreszeit wie fremdartige Gewässer in mattem Gold, fast bronzen, vom Wind gekräuselt. Die blauen Venen der Flussläufe entlang, an den Rändern von Teichen und kleinen Seen, in denen sich Himmel und Wolken spiegelten.

Wie sein eigener Schatten folgte ihm die Vorahnung von bewaffneten Gestalten, die sich ihm in den Weg stellten, ihn umzingelten, bei der Schulter, am Arm packten. Das Echo von Befehlen, mit der ganzen Autorität des Gesetzes gebellt.

Dass nichts Derartiges geschah, ließ ihn in einem Gefühl zwischen Hochstimmung und Misstrauen zurück. Wenn er nicht ungläubig den Kopf über den Erfolg dieser Maskerade schüttelte, reizte er ihn zu stummem Gelächter.

Als Xinghua, der reiche und wichtige Mann von der Großen Mauer, war er hier in Anhui ein Fremder, aber nicht in dem gleichen Maße fremd wie ein Barbar aus dem Westen. Nur ein paar Handgriffe waren nötig gewesen, um die klaren Grenze zwischen einheimisch und ausländisch zu verwischen. Eine Hybride war er, von Menschenhand gemacht; bestaunenswert und doch mit dem Recht auf einen eigenen Platz hier im Dorf, der ländlichen Gegend.

Während er die Landschaft, ihre Dörfer mit seinen langen Schritten durchmaß, wanderten seine Gedanken immer wieder zum Tee. An all das, was er in der Manufaktur gesehen und beobachtet hatte, hinter Ningbo, am Fluss der vielen Windungen, im Oktober.

Als ein ehrenwerter und weiser Würdenträger hatte Wang ihn dem Leiter der Manufaktur angepriesen, um ihnen beiden Eintritt zu verschaffen; aus einer fernen Provinz angereist, um mit eigenen Augen zu sehen, wie der ruhmreiche Tee hergestellt wurde.

Hinter dem grauen Gebäude, dessen Putz bröckelte, erstreckten sich weite Höfe, offene Räume und Lagerhäuser – verglichen mit den kleinen Schuppen der Teefelder von Tiantung ein großartig angelegter Tempel für den Tee.

Das Prinzip war jedoch dasselbe.

Auf Gestellen aus Rattan trockneten die Teeblätter in der Sonne. In Eisenpfannen über dem Feuer geschwenkt, rollten die Arbeiter dann die Teeblätter – wie ein Bäcker Brotteig knetet, hatte Fortune gedacht. Während der schwarze Tee wieder unter der Sonne ruhte, in der Wärme gärte, ließ man den grünen Tee noch einmal in den Pfannen über dem Feuer tanzen. Unzählige emsige Hände verlasen die dürren Blättchen nach Größe, Farbe und Qualität, bevor der Tee in Kisten verpackt wurde, die man nach Canton und Shanghai lieferte, dort verkaufte und weiter verschiffte.

Fortune beobachtete, machte sich Notizen, bat manchmal Wang im Flüsterton, eine Frage zu stellen, eine Auskunft einzuholen.

Eine Pflanze. Zwei Arten von Tee.

Es war nicht die Bestätigung dessen, was er in Tiantung erfahren hatte, was Fortunes Aufmerksamkeit erregte: Es waren die blauen Fingerspitzen mancher Arbeiter.

Ein Blau, das Fortune in dem Mörser entdeckte, den ein Aufseher mit dem Stößel bearbeitete. Ein tiefes, geballtes Blau, wie es wohl nur eines auf der Welt gab. Preußischblau.

An einer anderen Stelle der Manufaktur wurde eine gelbe Paste gekocht, die nach verfaulten Eiern stank und der etwas beigemischt wurde, das aussah wie Gips.

Nicht allen Tees wurden diese Substanzen beigemengt. Nur ausgewählten Sorten, die jedoch einen großen Anteil der gefüllten Kisten ausmachten.

Immer wieder waren in die Kreise der Botaniker die Klagen der Teehändler herübergeweht, die Chinesen mischten Zweige oder Sägespäne unter den Tee, um die Füllmenge zu erhöhen. Gerüchte über Teeblätter, die in China schon einmal aufgegossen und wieder getrocknet worden waren. Bevor man sie dann an die Engländer verkaufte, die man für dumm genug hielt, einen solchen Betrug nicht zu bemerken. Auch davon, dass der Tee gefärbt sei, war die Rede gewesen.

Obwohl Fortune noch nie davon gehört hatte, dass sich jemand durch chinesischen Tee vergiftet hatte, er weder die Fachkenntnisse eines Arztes oder eines Apothekers besaß, hielt er diese Beimischung von Preußischblau, Gips und vielleicht noch anderen Substanzen für äußerst bedenklich.

Seitdem trieb ihn die Frage um, ob die Chinesen den Tee mit Farbe versetzten, um den fremden Barbaren zu schaden. Oder einfach in einer Mischung aus Gedankenlosigkeit und geschäftstüchtiger Berechnung.

Eine Frage, die ihn auch beschäftigte, als er einen Hügel auf der anderen Seite des Dorfes hinaufstieg. Ungewohnt war es, dabei Wang an seiner Seite zu haben. Seine Gedanken in wohlüberlegte Worte zu fassen, während Wang zuhörte.

»Glaubt Wang nicht«, sagte Wang schließlich, »dass für Schaden von englische Leute gedacht.«

»Warum nicht?«

Wangs Gesicht zeigte tiefste Empörung. »Handel von Tee mehr als Geschäft! Hat viel Ehre!«

»Gilt das auch für den Feind, der den Krieg gebracht und gewonnen hat?«

Wang wiegte bedächtig den Kopf. »Trotzdem, Fu-Chung. Tee schlecht machen oder vergiften, der bringt so viel Geld … Wäre doch sehr, sehr dumm, hng

Fortune nickte vor sich hin; Wangs Argumente waren nicht von der Hand zu weisen.

»Ich verstehe trotzdem nicht, warum der Tee eingefärbt wird.«

»Geht Tee besser, wenn bunter? Mag Inglishman Tee vielleicht lieber so. Kauft mehr solchen Tee, zahlt mehr.«

Fortune versuchte sich den Tee aus dem Laden in Canton zu Hause in England vorzustellen: dieses matte Braun, das bleiche Grün. Fade und nichtssagend, für das englische Auge. Die kräftigen Farben des importierten Tees waren zweifellos attraktiver, gaukelten den Sinnen ein stärkeres Aroma vor, vielleicht auch eine höhere Qualität.

»Das ist gut möglich.«

Ein Herbstblatt leuchtete aus dem hohen Gras hervor, ein Stück weit die Steigung hinauf. Fortune wollte zuerst einfach vorbeigehen, doch etwas an diesem Blatt weckte seine Neugierde, und er marschierte den Abhang hinauf. Doch kein Blatt war es, sondern eine Blüte: die einer Lilie, die orange leuchtenden Blütenblätter scharlachrot getüpfelt und nach außen gekräuselt, die überlangen Staubblätter verlockend ausgestreckt.

»Rote Lilie«, erklärte Wang. »Knolle schmeckt gut, in Suppe. Macht stark.«

Fortune ging in die Knie, betrachtete die Lilie gründlich; viel zu schade war sie, um sie zu essen.

An eine fremdartige farbenprächtige Spinne ließ ihre Blüte denken. An das Gesicht eines Raubtiers. Eine Art der Tigerlilie, die ihm unbekannt war, ihre schmalen Blätter spitz zulaufend wie die Klinge eines Schwerts.

Lilium lancifolium, so würde er sie nennen. Die lanzenblättrige Lilie.

Fortune sah sich um. Weit und breit war es die einzige, vielleicht die letzte dieses Jahres.

So viele Gesichter die Lilie hatte, so viele Bedeutungen schrieb man ihr zu: Reinheit und Bescheidenheit. Jugendliche Unschuld. Koketterie. Würde und Erhabenheit. Falschheit und Lüge.

Zu dieser Lilie hier mochte nichts davon passen; zu wild war sie, zu außergewöhnlich. In ihrer Kühnheit und ihrem Stolz, ihrer Einsamkeit auf weiter Flur erinnerte ihn diese Lilie an Lian. Er fragte sich, durch welche Gegenden sie wohl gerade streifte, ihr Schwert auf dem Rücken. Ob es ihr wohl gut ging.

»Denkt noch immer an Lian, ja?«

Unwillkürlich senkte Fortune den Kopf. Es war ihm unangenehm, so leicht durchschaut zu werden.

Seufzend ging Wang neben ihm in die Hocke.

»Keine Singsong-Mädchen hier in Jiangnan. Aber bald Jahr der Erdschlange! Gutes Jahr für …«

Ein Stoß mit dem Ellbogen ließ Fortune aufblicken. Wangs Brauen zuckten vielsagend, und das zweideutige Grinsen, das in seinen Mundwinkeln saß, verriet den Rest seiner Gedanken.

Fortune musste schmunzeln.

Hier in Anhui hatte er Wang von einer anderen Seite kennengelernt. Wie er mit aufrichtiger Herzlichkeit den Menschen im Haus, in der Nachbarschaft, im Dorf begegnete. Auch wenn er es sich nicht nehmen ließ, seine Abenteuer an der fernen Küste in epischer Breite und mit allen heldenhaften Einzelheiten zu schildern. Für keine noch so albernen Faxen war er sich zu schade, um die Kinder zum Lachen zu bringen, tobte mit ihnen herum, herzte sie.