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Der Revolver, ein Smith & Wesson Kaliber 38, trug Patrick Jensens Fingerabdrücke. Als vor einigen Jahren bei ihm eingebrochen worden war, hatte er sich zu Vergleichszwecken die Fingerabdrücke abnehmen lassen. Jensen hatte seine Fingerabdruckkarte damals routinemäßig zurückerhalten, ohne aber wie die meisten Nichtverdächtigen zu erfahren, daß seine Abdrücke gespeichert blieben.

Die ins Ballistiklabor geschickte Waffe wurde geladen und in einen Wassertank abgeschossen. Gleich danach wurde das Geschoß unter dem Mikroskop mit einem der beiden aufgefundenen tödlichen Geschosse verglichen. Die typischen Rillen und Riefen aus dem Waffenlauf waren identisch - auch beim Vergleich mit dem zweiten tödlichen Geschoß. »Das Untersuchungsergebnis ist eindeutig«, sagte Verona und zeigte in den Karton. »Dies ist der Revolver, mit dem die beiden Menschen erschossen worden sind.«

Die Blutspuren an einem T-Shirt und den Sportschuhen, die ebenfalls in dem Karton gelegen hatten, stammten nachweislich von Naomi Jensen und Kilburn Holmes.

»Und das hier ist der endgültige Beweis«, kündigte Verona an, indem er eine Tonbandkassette hochhielt. »Dies ist eine Kopie; das Original liegt wieder in seinem Plastikbeutel im Karton. Auf dem Tonband schildert Jensen den Tathergang -allerdings mit Lücken, als sei eine zweite Stimme nachträglich gelöscht worden.«

Er stellte einen kleinen Recorder auf den Tisch, legte die Kassette ein und drückte die Taste PLAY. Nach einigen Sekunden Stille waren Geräusche zu hören, als würden Gegenstände bewegt; dann sprach ein Mann mit stockender, immer wieder von Emotionen erstickter Stimme, die trotzdem deutlich zu verstehen war.

»Ich hab's nicht vorgehabt, hab's nicht geplant... aber ich habe den Gedanken, daß Naomi einen anderen hat, nie ertragen können... Als ich die beiden miteinander gesehen habe, sie und diesen Scheißkerl, bin ich ausgerastet, blind vor Wut gewesen... Ich hatte einen Revolver in der Tasche. Ich habe ihn gezogen und immer wieder abgedrückt... Plötzlich ist's vorbei gewesen... Dann habe ich gesehen, was ich getan hatte... O Gott, ich habe beide erschossen!«.

Danach folgte eine Pause. »Hier hat jemand einen Teil der Aufnahme gelöscht«, sagte Verona. Dann sprach die Männerstimme weiter.

»...Kilburn Holmes... Er ist Naomis Freund gewesen, hat dauernd mit ihr zusammengesteckt. Das haben mir andere Leute erzählt.«

Verona drückte die Taste STOP. »Den Rest können Sie sich später selbst anhören. Er besteht überwiegend aus kurzen Antworten auf gelöschte Fragen. Ich weiß natürlich nicht, ob das Jensens Stimme ist; ich habe ihn nie reden hören. Aber den Stimmenvergleich können wir nachholen.«

»Richtig«, stimmte Ainslie zu, »aber ich sage Ihnen schon jetzt, daß das Jensen gewesen ist.« Er dachte an ihre Begegnung bei Elroy Doils Hinrichtung.

Als Verona gegangen war, herrschte Schweigen, bis Lieutenant Newbold das Wort ergriff. »Hat noch jemand irgendwelche Zweifel?« Die anderen schüttelten nacheinander mit ernster Miene den Kopf.

»Warum?« fragte Newbold hörbar entsetzt. »Warum zum Teufel hat Cynthia das getan?«

Ainslie, der sichtlich mitgenommen wirkte, zuckte hilflos mit den Schultern.

»Ich könnte einige Vermutungen anstellen«, sagte Knowles. »Aber wenn wir mit Jensen reden, wissen wir mehr. Wir müssen ihn sofort vernehmen.«

»Wie sollen wir vorgehen, Counselor?« fragte Ainslie.

Der Staatsanwalt überlegte kurz. »Verhaften Sie ihn.« Er deutete auf den Karton vor ihnen. »Was wir an Beweismaterial brauchen, liegt alles hier drin. Ich stelle einen Haftbefehl aus; einer von Ihnen kann ihn unauffällig einem Richter zur Unterschrift vorlegen.«

»Das ist Charlie Thurstons Fall gewesen«, stellte Newbold fest. »Er sollte die Verhaftung vornehmen.«

»Meinetwegen«, stimmte Knowles zu. »Aber sonst darf niemand davon erfahren, und Sie warnen Thurston, daß er mit keinem Menschen darüber redet. Die Sache muß vorerst streng geheim bleiben.«

»Und was machen wir mit Cynthia?« fragte Newbold.

»Noch nichts; deshalb brauchen wir strikte Geheimhaltung. Ich muß erst mit Montesino reden. Bevor wir einen City Commissioner verhaften, will sie bestimmt eine Entscheidung der Anklagekammer herbeiführen. Deshalb darf Ernst nicht mal gerüchtweise etwas erfahren.«

»Wir tun unser Bestes«, versprach Newbold ihm. »Aber diese Sache ist brandheiß. Wenn wir uns nicht beeilen, schwirren bald alle möglichen Gerüchte herum.«

Am frühen Nachmittag wurde Detective Charlie Thurston in die Dienststelle zurückgerufen und erhielt den Haftbefehl gegen Patrick Jensen. Ruby Bowe würde ihn als Verstärkung begleiten. Newbold erklärte dem Veteranen Thurston: »Von dieser Sache darf sonst niemand erfahren. Niemand!«

»Mir nur recht«, bestätigte Thurston, dann fügte er hinzu: »Ich hab' mir schon lange gewünscht, diesen Scheißkerl Jensen verhaften zu dürfen.«

Vom Präsidium aus war es nicht weit zu Jensens Apartmentgebäude. Ruby, die den neutralen Dienstwagen fuhr, erkundigte sich unterwegs: »Hast du Probleme mit Jensen, Charlie? Du hast vorhin echt grimmig gewirkt.«

Thurston verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich sind schlimme Erinnerungen hochgekommen. Ich habe bei unseren Ermittlungen viel mit Jensen zu tun gehabt, da wir ihn von Anfang an für den Mörder gehalten haben. Aber er war arrogant und aufgeblasen, als wüßte er genau, daß wir ihn nie drankriegen. Als ich ihm eines Tages noch ein paar Fragen stellen wollte, hat er mich lachend aufgefordert, ich solle mich zum Teufel scheren.«

»Glaubst du, daß er gewalttätig wird?«

»Leider nein.« Thurston lachte leise vor sich hin. »Schade, ich hätte ihm gern ein paar verpaßt. Hey, wir sind schon da!«

Als Ruby vor einem fünfstöckigen Gebäude in der Brickell Avenue hielt, studierte Thurston es mit zusammengekniffenen Augen. »Dem Kerl scheint's nicht mehr ganz so glänzend zu gehen; bei meinem letzten Besuch hat er noch 'ne Luxusvilla gehabt.« Er sah auf den Haftbefehl. »Hier steht Apartment dreinullacht. Also los!«

Wenige Sekunden später zeigte ein Blick auf die Klingelknöpfe neben dem verglasten Hauseingang, daß Jensen tatsächlich in Apartment 308 wohnte. Allerdings hatten die Kriminalbeamten nicht die Absicht, ihn von hier unten zu warnen. »Bestimmt kommt bald jemand«, meinte Thurston.

Sie brauchten tatsächlich nicht lange zu warten, bis eine zierliche ältere Frau in Baskenmütze, Tweedkostüm und hohen Stiefeln mit einem Cockerspaniel an der Leine die Eingangshalle durchquerte. Als sie die Glastür entriegelte, hielt Thurston ihr die Tür auf und wies seine Dienstplakette vor. »Wir sind Polizeibeamte, Ma'am, im Einsatz.«

Die Frau studierte auch Rubys Plakette. »Du lieber Gott, wo ich gerade gehen wollte! Wird's denn aufregend, Officers?«

»Leider nicht«, antwortete Thurston. »Wir stellen nur ein Strafmandat zu.«

Die Frau schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe mir Ihre Plaketten angesehen. Kriminalbeamte tun so was nicht.« Sie zog an der Leine. »Komm, Felix, wir sind hier offenbar unerwünscht.«

Thurston klopfte zweimal an die Tür von Apartment 308. Drinnen waren Schritte zu hören, dann fragte eine Männerstimme: »Wer ist da?«

»Polizei. Machen Sie bitte auf!«

Ein kleiner Lichtpunkt in Augenhöhe zeigte, daß der Spion benutzt wurde, bevor die Sicherungskette klirrte. Als die Tür geöffnet wurde, stieß Thurston sie sofort weit auf und trat über die Schwelle. Patrick Jensen, der ein Sporthemd und eine beige Sommerhose trug, wich einige Schritte zurück. Ruby, die hinter Thurston eintrat, schloß die Wohnungstür.

Mit dem Haftbefehl in der Hand sprach Thurston energisch weiter: »Patrick Jensen, ich habe einen Haftbefehl gegen Sie wegen Mordes an Naomi Jensen und Kilburn Holmes... Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern. Sie brauchen weder zu reden noch Fragen zu beantworten... Sie haben das Recht, einen Anwalt zu verlangen...« Während er den Verhafteten über seine Rechte belehrte, fiel Thurston auf, daß Jensen seltsam gleichmütig blieb. Fast als hätte er diesen Augenblick erwartet.