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Nach dieser Belehrung fragte Jensen ruhig: »Darf ich von hier aus telefonieren?«

»Ja, aber ich muß Sie erst nach Waffen durchsuchen.« Als Jensen die Hände hob, tastete Thurston ihn ab und erklärte ihm dann: »Okay, Sir, Sie können jetzt telefonieren. Aber nur einmal.«

Jensen trat ans Telefon und tippte eine offenbar vertraute Nummer ein. Dann sagte er: »Stephen Cruz, bitte.« Wenige Sekunden später fuhr er fort: »Stephen, hier ist Patrick. Erinnerst du dich, daß ich davon gesprochen habe, ich könnte eines Tages deine Hilfe brauchen? Dieser Tag ist da. Ich bin verhaftet worden.« Wieder eine Pause, dann: »Mord.«

Danach hörte Jensen zu, während Cruz ihm offenbar Verhaltensanweisungen gab, und antwortete: »Ich habe nichts gesagt und werde nichts sagen.« Er wandte sich an die Kriminalbeamten. »Mein Anwalt möchte wissen, wohin Sie mich bringen.«

»Ins Präsidium«, antwortete Thurston. »Mordkommission.«

Jensen gab diese Information weiter und sagte: »Yeah, bis bald.« Er legte auf.

»Wir müssen Ihnen Handschellen anlegen, Sir«, sagte Ruby. »Möchten Sie erst eine Jacke anziehen?«

»Ja, das möchte ich.« Jensen wirkte überrascht. Er holte ein Sakko aus dem Kleiderschrank im Schlafzimmer und schlüpfte hinein, bevor Ruby ihm rasch die Hände auf dem Rücken fesselte.

»Sie benehmen sich beide sehr anständig«, stellte Jensen fest. »Danke.«

»Das kostet uns nichts«, bestätigte Thurston. »Wir können notfalls auch brutal sein. Aber so ist's uns lieber.«

Jensen starrte ihn forschend an. »Kennen wir uns nicht?«

»Ja, Sir. Wir kennen uns von früher.«

»Jetzt fällt's mir wieder ein. Ich bin damals ziemlich unverschämt gewesen.«

Der Kriminalbeamte zuckte mit den Schultern. »Das ist alles schon lange her.«

»Nicht zu lange für eine Entschuldigung - wenn Sie sie annehmen wollen.«

»Klar.« Thurstons Tonfall wurde geschäftsmäßig nüchtern. »Aber ich glaube, daß Sie jetzt andere, viel größere Sorgen haben. Kommen Sie, wir müssen gehen.«

Ruby Bowe sprach in ihr Mobiltelefon.

»Sie haben Jensen und sind hierher unterwegs«, sagte Ainslie zu Leo Newbold und Curzon Knowles. Der Staatsanwalt hatte sich inzwischen mit seiner Vorgesetzten Adele Montesino beraten und war eben zurückgekommen.

»Jensen hat bereits mit seinem Anwalt telefoniert«, fügte Ainslie hinzu. »Stephen Cruz. Auch er ist hierher unterwegs.«

Der Staatsanwalt nickte. »Eine gute Wahl. Cruz ist hartnäckig, aber auch jemand, mit dem man vernünftig reden kann.«

»Ja, ich kenne ihn«, bestätigte Newbold. »Aber er kann so gut sein, wie er will - gegen dieses neue Beweismaterial ist er machtlos.«

»Ich habe einen Idee, was den Kartoninhalt betrifft«, fuhr Knowles fort. »Was halten Sie davon, wenn wir das ganze Zeug in einem Vernehmungsraum auf dem Tisch ausbreiten, bevor Jensen eingeliefert wird? Sobald er dieses Material sieht, weiß er, daß er erledigt ist, und packt vielleicht aus.«

»Klasse Idee.« Newbold nickte Ainslie zu. »Nehmen Sie die Sache in die Hand, Malcolm?«

Im Polizeipräsidium mußte Jensen das Einlieferungsverfahren über sich ergehen lassen: Er beantwortete Fragen zur Person, bekam die Fingerabdrücke abgenommen, wurde fotografiert und mußte seinen Tascheninhalt gegen Quittung aushändigen. Er war ins Räderwerk einer unpersönlichen Maschinerie geraten, das wußte er. Würde er sich jemals wieder daraus befreien können? Er war etwas besorgt, aber vorerst noch weit davon entfernt, in Verzweiflung zu geraten.

Seit die Kriminalbeamten sein Apartment betreten hatten, befanden seine Gedanken sich in einem merkwürdigen Schwebezustand. Was heute geschehen war, hatte er seit langem befürchtet; der Gedanke daran hatte ihn monatelang als Alptraum verfolgt. Aber seit es nun Realität geworden war, hatte die unmittelbare Angst sich verflüchtigt - vielleicht wegen der unausweichlichen Konsequenzen. In blinder Eifersucht und Leidenschaft hatte er ein Kapitalverbrechen verübt, für das er jetzt nach Recht und Gesetz würde büßen müssen. Wie jeder andere Mensch würde er versuchen, der gerechten Strafe zu entgehen oder sie wenigstens zu minimieren, aber wie gut seine Aussichten in dieser Beziehung waren, würde sich erst zeigen müssen.

Vorerst wußte er natürlich noch nicht, welche Veränderung seine plötzliche Verhaftung ausgelöst hatte, aber er kannte das System gut genug, um zu wissen, daß sie wichtig und zwingend gewesen sein mußte. Wäre sie das nicht gewesen, hätten die Kriminalbeamten ihn erst zur Vernehmung geholt, um dann vielleicht einen Haftbefehl zu beantragen.

Nachdem die Formalitäten erledigt waren, wurde der Verhaftete - weiter in Handschellen - mit dem Aufzug zur Mordkommission hinaufgebracht und in einen Vernehmungsraum geführt.

Sobald Jensen den Raum betrat, sah er auf einem Tisch den geöffneten Pappkarton mit Cynthia Ernsts persönlichem blauen Klebeband stehen. Und neben dem Karton lag sein Inhalt ausgebreitet - das gesamte Beweismaterial in einer ordentlichen, deutlich sichtbaren, klar belastenden Reihenfolge.

Patrick blieb unwillkürlich stocksteif stehen, als jähes Begreifen, Verzweiflung und wilder Haß auf Cynthia sich seiner bemächtigten.

Im nächsten Augenblick fühlte er sich vorwärts geschoben. Der uniformierte Polizeibeamte, der ihn heraufgebracht hatte, drückte ihn auf einen Stuhl, fesselte ihn daran und ließ ihn allein.

Eine halbe Stunde war vergangen. Jetzt waren Malcolm Ainslie, Ruby Bowe, Curzon Knowles und Stephen Cruz bei Patrick Jensen im Vernehmungsraum. Die Kriminalbeamten hatten den Verhafteten absichtlich eine Zeitlang schmoren lassen.

»Alles das erkennen Sie bestimmt wieder«, sagte Ainslie zu Jensen, indem er auf die Gegenstände auf dem Tisch deutete. Alle anderen saßen; nur Ainslie umrundete den Tisch, während er sprach. »Vor allem den Revolver, mit dem Ihre geschiedene Frau Naomi und ihr Freund Holmes erschossen worden sind. Aus dieser Waffe, an der Ihre Fingerabdrücke gefunden worden sind, kamen die tödlichen Schüsse - das haben Sachverständige festgestellt, die vor Gericht aussagen werden. Und es gibt eine Tonbandaufnahme - unverkennbar mit Ihrer Stimme -, in der Sie selbst genau beschreiben, wie Sie die beiden erschossen haben. Soll ich sie Ihnen vorspielen?«

»Gib lieber keine Antwort«, riet Stephen Cruz seinem Mandanten. »Der Sergeant soll selbst entscheiden, ob er dir die Aufnahme vorspielen will. Und du brauchst dich auch zu keinem der übrigen angesprochenen Punkte zu äußern.«

Cruz, ein schmächtiger Enddreißiger mit scharfer, energischer Stimme, war nur wenige Minuten nach Jensens Einlieferung im Präsidium erschienen. Während er warten mußte, hatte er sich freundlich mit Knowles und Newbold unterhalten, denen er dann in den Vernehmungsraum folgte.

Jensen, der sichtlich deprimiert wirkte, starrte Cruz an. »Ich müßte dringend unter vier Augen mit dir reden. Läßt sich das machen?«

»Klar.« Der Anwalt nickte. »Du kannst jederzeit eine Aussprache verlangen. Aber dazu mußt du erst...«

»Nein, das ist nicht nötig«, unterbrach Knowles ihn. »Wir drei gehen hinaus und lassen Sie mit ihm allein. Einverstanden, Sergeant?«

»Natürlich«, sagte Ainslie. Er sammelte das Beweismaterial ein und folgte Knowles und Ruby Bowe hinaus.

Patrick Jensen, der keine Handschellen mehr trug, rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. »Woher wissen wir, daß wir nicht abgehört werden?« fragte er.

»Aus zwei Gründen«, erklärte Cruz ihm gelassen. »Erstens gilt auch hier das Anwaltsgeheimnis. Zweitens müßten sie mit einem Disziplinarverfahren rechnen, wenn sie dabei erwischt würden.« Er machte eine Pause, um seinen Racquetballpartner und neuen Mandanten prüfend zu mustern. »Du wolltest mit mir reden, also bitte.«