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Jensen holte tief Luft und atmete langsam aus, als hoffe er, damit Ordnung in seine wirren Gedanken bringen zu können. Er hatte die ständigen Lügen satt und wollte wenigstens hier und jetzt die Wahrheit sagen. Obwohl er nicht wußte, wie die Polizei zu diesem verdammten Karton gekommen war, stand für ihn fest, daß das Cynthias Schuld war. Sie hatte ihn damals in dem Glauben gelassen, sie werde dieses Belastungsmaterial vernichten. Aber trotz allem, was er riskiert hatte, um sie zu schützen und ihr zu helfen, hatte sie ihn schmählich hintergangen, indem sie das ganze Zeug irgendwo aufbewahrt hatte. Dafür würde er sich jetzt rächen, indem er auch sein Versprechen brach.

Jensen sah zu Cruz auf. »Du hast gehört, was der Sergeant gesagt hat«, begann er. »Nun, Steve, an der Waffe sind meine Fingerabdrücke. Die abgefeuerten Geschosse sind sicher identisch, und auf dem Tonband, das wir nicht gehört haben, ist meine Stimme zu hören. Okay, was sagst du dazu?«

»Ich habe den starken Verdacht«, antwortete Cruz, »daß du tief in der Scheiße steckst.«

»Tatsächlich«, sagte Jensen, »stecke ich tiefer drin, als du denkst.«

2

»Ich werde dir alles erzählen«, sagte Jensen, der mit seinem Anwalt Stephen Cruz in einem Vernehmungsraum der Mordkommission saß.

Während seine Geschichte aus ihm heraussprudelte, bemühte Cruz sich, Entsetzen, Ungläubigkeit und zuletzt Resignation zu verbergen, was ihm jedoch nur unvollständig gelang. Nach langer, nachdenklicher Pause fragte er schließlich: »Patrick, das hast du nicht bloß erfunden, das ist nicht etwa nur ein Expose für einen neuen Roman? Du willst mir diese Story nicht bloß erzählen, um zu hören, was ich davon halte?«

»Früher hätte ich so etwas vielleicht getan«, antwortete Jensen niedergeschlagen. »Leider ist jedes Wort wahr.«

Jensen empfand gewisse Erleichterung darüber, daß nun wenigstens in diesem beschränkten Rahmen alles an den Tag gekommen war. Schon die Tatsache, daß er darüber reden konnte, schien die Last, die er so lange allein getragen hatte, spürbar leichter zu machen. Aber sein gesunder Menschenverstand warnte ihn, dieses Gefühl sei vermutlich nur eine Illusion. Was Cruz als nächstes sagte, bestätigte seinen Verdacht.

»Ich glaube, du brauchst weniger einen Anwalt als einen Geistlichen oder sonst jemanden, der mit dir betet.«

»Vielleicht später einmal, wenn ich keinen anderen Ausweg mehr sehe«, wehrte Jensen ab. »Vorerst habe ich einen Anwalt, von dem ich Tatsachen hören möchte: Wo stehe ich? Was sollte ich anstreben? Wie stehen meine Chancen?«

»Also gut.« Cruz stand auf, ging in dem kleinen Raum auf und ab und behielt Jensen im Auge, während er sprach. »Nach eigener Aussage bist du in fünf Morde verwickelt, die du zum Teil selbst verübt hast. Angefangen hat's mit deiner Exfrau und ihrem Geliebten; danach kommt Rice, dieser Mann im Rollstuhl. Und dann kommen Gustav und Eleanor Ernst, die wichtige Leute gewesen sind, was sehr wohl einen Unterschied macht; im Fall Ernst liegt eindeutig Mord vor. Wegen der Ermordung des Ehepaars Ernst - vielleicht auch wegen der beiden ersten Opfer -könntest du zum Tod verurteilt werden. Was hältst du von diesen Tatsachen?«

Jensen wollte etwas sagen, aber Cruz brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Hättest du nur deine Exfrau und ihren Geliebten erschossen, hätte ich auf ein Verbrechen aus Leidenschaft plädieren können. Du hättest dich wegen Totschlags schuldig bekannt, worauf bei Schußwaffengebrauch eine Höchststrafe von dreißig Jahren steht. Da du nicht vorbestraft bist, hätte ich erreicht, daß du mit fünfzehn, vielleicht sogar nur zehn Jahren davonkommst. Aber mit weiteren Morden in den Kulissen...« Der Anwalt schüttelte den Kopf. »Damit ändert sich alles.«

Cruz sah aus dem Fenster. »Mit einer Tatsache solltest du dich schon jetzt abfinden, Patrick. Selbst wenn du der Todesstrafe entgehst, wirst du unweigerlich zu einer Haftstrafe verurteilt, bestimmt zu einer sehr hohen. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß wir jemals wieder Racquetball miteinander spielen können.«

Jensen verzog das Gesicht. »Nachdem du jetzt weißt, was für ein Schuft ich bin, würdest du wahrscheinlich nicht mehr mit mir spielen wollen.«

Cruz machte eine wegwerfende Handbewegung. »Solche Bewertungen überlasse ich Richtern und Geschworenen. Solange ich dein Anwalt bin - wir müssen übrigens bald über Geld reden, und ich warne dich: Ich bin nicht billig -, hast du wie alle meine Mandanten Anspruch darauf, daß ich mein Bestes für dich gebe, und ich versichere dir, ich bin gut!«

»Das akzeptiere ich alles«, sagte Jensen. »Aber ich habe noch eine Frage.«

Cruz nahm wieder Platz. »Bitte!«

»Wie sieht Cynthias rechtliche Position aus?« fragte Jensen. »Ich meine, nachdem sie erst verschwiegen hat, was sie über den Mord an Naomi und Holmes wußte, und dann alles Beweismaterial - Revolver, Kleidungsstücke, Tonband und so weiter verschwinden ließ?«

»Sie wird sicher wegen Behinderung der Justiz angeklagt, was ein Verbrechen und im Zusammenhang mit einem Mord besonders schwerwiegend ist, und dürfte außerdem der Strafvereitelung beschuldigt werden, wofür ihr eine Gesamtstrafe von fünf bis zehn Jahren Haft droht. Nimmt sie sich einen erstklassigen Anwalt, kommt sie vielleicht mit zwei Jahren Haft oder sogar, was aber unwahrscheinlich ist, mit einer Bewährungsstrafe davon. Jedenfalls ist ihre Karriere im öffentlichen Dienst damit zu Ende.«

»Das heißt also, daß Cynthia wesentlich besser wegkäme als ich.«

»Natürlich. Du hast gestanden, die beiden ermordet zu haben. Sie hat vorher nichts von deiner Absicht gewußt, und was sie getan hat, ist alles nach der Tat passiert.«

»Aber was ist mit dem Mord an Cynthias Eltern? Davon hat sie vorher gewußt. Sie hat ihn selbst geplant!«

»Ja, das behauptest du. Und ich neige dazu, dir zu glauben. Aber Cynthia Ernst wird alles leugnen, und wie willst du das Gegenteil beweisen? Ist sie zum Beispiel jemals mit diesem Virgilio zusammengetroffen, den du als den wahren Mörder bezeichnest?«

»Nein.«

»Hat sie jemals etwas schriftlich festgelegt?«

»Nein.« Jensen machte eine Pause. »Doch, eigentlich schon. Nicht viel, aber...« Er beschrieb die Werbebroschüre mit dem Straßenplan von Bay Point, auf dem Cynthia das Haus ihrer Eltern angekreuzt und dann in seiner Gegenwart vermerkt hatte, wann das Dienstmädchen dort arbeitete und daß der Butler Palacio und seine Frau jeden Donnerstagabend außer Haus waren.

»Wieviel hat sie geschrieben?«

»Vielleicht ein Dutzend Wörter - wenn man die Abkürzungen mitzählt. Aber eindeutig in ihrer Handschrift.«

»Du hast recht, das ist nicht viel. Sonst noch was?« Während sie miteinander sprachen, machte Cruz sich Notizen.

»Na ja, wir sind zusammen auf den Cayman Islands gewesen, drei Tage auf Grand Cayman. Dort hat Cynthia mir erstmals erzählt, sie wolle ihre Eltern ermorden.«

»Bestimmt nicht vor Zeugen?«

»Okay, das könnte ich also nicht beweisen. Aber...« Cruz hörte zu, während Jensen ihm schilderte, wie sie einzeln angereist waren und in getrennten Hotels gewohnt hatten. »Ich bin mit Cayman Airways geflogen und habe mein Ticket aufbewahrt. Sie ist unter dem Namen Hilda Shaw mit American Airlines geflogen; ich habe ihr Ticket gesehen.«

»Weißt du zufällig die Flugnummer?«

»Sie hat die Morgenmaschine genommen; da gibt's nur eine. Der Name Shaw muß auf der Passagierliste stehen.«

»Was immer noch nichts beweist.«

»Es beweist einen Zusammenhang, weil Cynthia später diese vierhunderttausend Dollar von ihrem Konto bei einer Bank auf Grand Cayman abgehoben haben muß.«

Cruz hob abwehrend die Hände. »Kannst du dir vorstellen, wie aussichtslos es wäre, eine dortige Bank zu einer Aussage über ein Kundenkonto zu bewegen?«