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»Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, auf die ich dich als dein Anwalt hinweisen muß. Du könntest das Tonband und die übrigen Beweise nicht vorlegen und dich nur wegen der Ermordung Naomis und ihres Geliebten vor Gericht verantworten. Dann müßtest du allerdings ständig damit rechnen, daß später Beweise auftauchen, die Cynthia und dich wegen der Ermordung des Ehepaars Ernst belasten.«

»Die tauchen bestimmt auf«, sagte Jensen bedrückt. »Nachdem ich davon gesprochen habe, werden die Cops - in erster Linie Ainslie - nicht lockerlassen, bis sie alles beweisen können. Ainslie hat unmittelbar vor der Hinrichtung mit Doil gesprochen; er wollte Cynthia anschließend etwas mitteilen, das Doil über ihre Eltern gesagt hat, aber sie ist ihm ins Wort gefallen. Ich weiß, daß Cynthia starr vor Angst gewesen ist, weil sie sich gefragt hat, wieviel Ainslie rausgekriegt haben mag.«

»Du weißt, daß Ainslie ein ehemaliger Priester ist?«

»Yeah. Vielleicht befähigt ihn das zu ungewöhnlichen Einsichten.« Jensens Entschluß schien festzustehen; er schüttelte den Kopf. »Ich werde das Tonband und die übrigen Beweise nicht zurückhalten. Ich will, daß alles rauskommt. Teils, weil ich die ständigen Lügen satt habe, teils weil ich unabhängig davon, was mir passiert, dafür sorgen will, daß auch Cynthia nicht straffrei ausgeht.«

»Dann sind wir wieder bei dem Deal, den die Staatsanwaltschaft angeboten hat«, stellte Cruz fest. »Ich habe versprochen, deine Antwort noch heute abend zu überbringen.«

Ihr Gespräch dauerte eine weitere halbe Stunde, bis Jensen schließlich unter Tränen eingestand: »Ich will nicht auf dem Stuhl sterben, und wenn das die einzige Möglichkeit ist, ihm zu entgehen, muß ich wohl zustimmen.« Er seufzte schwer. »Vor ein paar Jahren, als ich noch obenauf gewesen bin, als ich alles hatte, was man sich nur wünschen konnte, hätte ich mir nie träumen lassen, daß ich jemals in diese Lage geraten könnte.«

»Leider«, bestätigte Cruz, »bist du nicht der einzige, von dem ich diese Klage gehört habe.«

Als Cruz von einem Gefängniswärter begleitet den Vernehmungsraum verließ, rief er Jensen noch zu: »Morgen früh sorge ich als erstes dafür, daß du das Tonband und die Papiere abholen kannst!«

Am nächsten Morgen betrat Malcolm Ainslie als einer der ersten Kunden die First Union Bank in Coral Gables und ging direkt ins Büro des Filialleiters. Eine Sekretärin schien ihn aufhalten zu wollen, aber Ainslie wies seine Polizeiplakette vor und marschierte weiter.

Der Filialleiter, ein sportlicher Mittvierziger, lächelte beim Anblick von Ainslies Plakette. »Na ja, ich gebe zu, daß ich heute morgen auf dem Weg zur Bank vielleicht ein bißchen zu schnell gefahren bin.«

»Darüber sehen wir hinweg«, sagte Ainslie, »wenn Sie uns bei einem kleinen Problem behilflich sind.«

Er erklärte dem Filialleiter, ein gegenwärtig inhaftierter Kunde der Bank warte draußen in einem neutralen Dienstwagen. Er solle zu seinem Schließfach begleitet werden, um es zu öffnen, damit die Polizei seinen Inhalt sicherstellen könne. »Das tut Ihr Kunde völlig freiwillig - Sie können ihn selbst fragen, wenn Sie wollen -, deshalb brauchen wir keinen Durchsuchungsbefehl, aber wir möchten diese Sache rasch und diskret abwickeln.«

»Ich natürlich auch«, bestätigte der Filialleiter. »Haben Sie...«

»Ja, Sir.« Ainslie gab ihm den Zettel, auf den Jensen seinen Namen und die Schließfachnummer geschrieben hatte.

Der Filialleiter zog die Augenbrauen hoch, als er den Namen las. »Das erinnert an eine Szene aus einem von Mr. Jensens Büchern.«

»Schon möglich«, stimmte Ainslie zu. »Nur ist sie leider nicht erfunden.«

An diesem Freitagmorgen war Ainslie als erstes in die Asservatenkammer gegangen, in dem Jensens persönlicher Besitz, den er unmittelbar nach seiner Einlieferung hatte abgeben müssen, aufbewahrt wurde. Zu den dort lagernden Gegenständen gehörte ein Schlüsselring, von dem Ainslie den Schlüssel abnahm, der offenbar zu einem Bankschließfach paßte.

Der eigentliche Vorgang im Schließfachraum der Bank dauerte nicht lange. Patrick Jensen, dessen Hände fei waren, obwohl sein linkes Handgelenk an Ruby Bowes rechtes gefesselt war, leistete die erforderliche Unterschrift und sperrte das Schließfach mit seinem Schlüssel auf.

Sobald die Kassette herausgezogen war, trat eine Technikerin aus der Abteilung Spurensicherung vor. Sie öffnete den Deckel mit Gummihandschuhen an den Händen und nahm vier Gegenstände heraus: eine alte zusammengefaltete Immobilienbroschüre, eine beschriebene Notizbuchseite, ein benutztes Flugticket und eine Minikassette Olympus XB60 aus einem Diktiergerät. Die Technikerin legte alles in einen Kunststoffbehälter, den sie rundherum zuklebte.

Die Technikerin würde die Sachen ins Labor mitnehmen, damit sie auf Fingerabdrücke untersucht werden konnten, bevor von allem zwei Kopien angefertigt wurden - vor allem von der Tonbandaufnahme, die als wichtigstes Beweisstück galt. Danach würde Ainslie die vier Originale sowie einen Satz Kopien bei der Staatsanwaltschaft abliefern. Der zweite Satz war für die Mordkommission bestimmt.

»Okay, das war's«, sagte Ainslie. »Wir können gehen.«

Aber der Filialleiter, der bisher im Hintergrund geblieben war, hatte noch eine Frage: »Mr. Jensen, Ihr Schließfach ist jetzt leer, wie ich sehe. Brauchen Sie's in Zukunft noch?«

»Bestimmt nicht«, erklärte Jensen ihm.

»Darf ich Sie dann um den Schlüssel bitten?«

»Sorry, Sir.« Ainslie schüttelte den Kopf. »Den müssen wir als Beweisstück behalten.«

»Aber wer zahlt dann die Schließfachgebühr?« fragte der Filialleiter, als die Besucher den Raum verließen.

Der Rest dieses Freitags verging mit der Auswertung der sichergestellten Beweisstücke. Ainslie überbrachte Staatsanwalt Knowles die vier Originale und einen Satz Kopien. Dann fuhr er zur Mordkommission zurück, um sich gemeinsam mit Newbold und Bowe in Leo Newbolds Dienstzimmer, wo sie ungestört waren, ihre Kopie des Tonbands anzuhören.

Die Tonqualität war ausgezeichnet. Jedes Wort, das Patrick Jensen und Cynthia Ernst gesprochen hatten, war deutlich zu verstehen. Schon nach dem ersten Drittel flüsterte Bowe aufgeregt: »Das Band enthält tatsächlich, was Jensen versprochen hat. Da ist alles drauf!«

»Man merkt, daß er das Gespräch geschickt dirigiert hat«, stellte Newbold fest. »Unauffällig, aber doch so, daß er alles Wichtige aufnehmen konnte.«

»Cynthia ist gewissermaßen selbst in die Falle getappt«, konstatierte Bowe befriedigt.

Malcolm Ainslie, der verwirrt und durcheinander war, äußerte sich nicht dazu.

Am Spätnachmittag kam ein Anruf von der Staatsanwaltschaft für Ainslie. Als er dort eintraf, wurde er in Adele Montesinos Büro geführt. Curzon Knowles war bei ihr.

»Wir haben uns dieses Tonband angehört«, sagte Montesino. »Sie vermutlich auch.«

»Ja, Ma'am.«

»Ich wollte Ihnen das persönlich sagen, Sergeant Ainslie«, fuhr Montesino fort. »Die Anklagekammer tritt am kommenden Dienstagmorgen zusammen. Wir beantragen drei Anklagebeschlüsse gegen Cynthia Ernst, wobei der wichtigste die Anklage wegen Mordes ist - und wir brauchen Sie als Zeugen.«

»Wir haben also das Wochenende und den Montag für unsere Vorbereitungen, Malcolm«, fügte Knowles hinzu. »Und wir werden diese drei Tage brauchen, um Beweise zu sichten, Zeugen und Sachverständige zu laden, Ihre Aussage über Jensens Enthüllungen zu protokollieren und tausend weitere Dinge zu erledigen. Am besten kommen Sie gleich morgen früh um acht Uhr in mein Büro.«

»Wird gemacht«, murmelte Ainslie automatisch.

»Bevor Sie gehen«, fuhr Montesino fort, »möchte ich noch etwas sagen, Sergeant. Ich habe erfahren, daß Sie lange Zeit als einziger nicht geglaubt haben, das Ehepaar Ernst sei einem Serienmörder zum Opfer gefallen, und sich geschickt und geduldig daran gemacht haben, das Gegenteil zu beweisen, was Ihnen jetzt gelungen ist. Ich danke Ihnen dafür, gratuliere Ihnen zu diesem Erfolg und werde meine Gedanken zu diesem Thema an geeigneter Stelle vorbringen.« Sie lächelte. »Schlafen Sie sich gut aus. Sie haben vier anstrengende Tage vor sich.«