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»Psst!« sagten mehrere Stimmen nachdrücklich, und eine Geschworene fragte: »Können wir das bitte noch mal hören?«

»Gewiß.« Die Generalstaatsanwältin nickte Verona zu, der auf die Taste STOP drückte, das Band etwas zurückspulte und es wieder anlaufen ließ.

Als die Tonbandstimmen dann über zwei Zahlungen von zweihunderttausend Dollar sprachen - eine für den Kolumbianer, eine für Jensen - und Cynthia Ernst vorschlug, den Mord an ihren Eltern durch »Eigentümlichkeiten« als Tat des Serienmörders zu tarnen, wurden mehrmals empörte, aufgebrachte und entschlossene Ausrufe laut, und als die Aufnahme zu Ende war, stellte ein Mann nachdrücklich fest: »Eindeutig schuldig, und mehr brauche ich gar nicht zu hören!«

»Ich verstehe, was Sie meinen, Sir, und achte Ihre Gefühle«, sagte Adele Montesino. »Aber hier geht es um zwei weitere Anklagebeschlüsse, deshalb möchte ich Sie bitten, noch etwas Geduld zu haben. Ich weiß übrigens nicht, ob das schon jemand aufgefallen ist, aber die Klimaanlage scheint wieder zu funktionieren.«

Ihre Feststellung löste sporadischen Beifall und etliche Seufzer aus, diesmal vor Erleichterung.

Danach wurden verhältnismäßig rasch einige Lücken geschlossen. Ein vorgeladener IRS-Inspektor legte Cynthia Ernsts Steuerakten vor, die bewiesen, daß sie die Zinsen ihres Bankguthabens auf den Cayman Islands ordnungsgemäß angegeben und versteuert hatte. Ihr Bankguthaben war durch Einzahlungen, die als Geschenke steuerfrei waren, auf über fünf Millionen Dollar angewachsen. »Ich weise darauf hin«, sagte der Inspektor zuletzt, während er seine Lesebrille abnahm, »daß Ms. Ernsts Steuern völlig in Ordnung sind.«

»Aber die Existenz dieses Bankkontos«, erklärte Montesino den Geschworenen, »untermauert die Tonbandaussage, Ms. Ernst habe die Absicht gehabt, für die Ermordung ihrer Eltern vierhunderttausend Dollar zu bezahlen.« Montesino wies nicht auf die Ironie des Schicksals hin, daß nur durch Cynthias Steuerehrlichkeit Beweismaterial entstanden war, das sonst für amerikanische Gerichte unerreichbar auf den Cayman Islands gelegen hätte.

Malcolm Ainslie wurde wieder hereingerufen. Er berichtete über die Öffnung von Jensens Bankschließfach mit dem Tonband, das die Anklagekammer gehört hatte, sowie weiteren Gegenständen. Einer davon war ein auf den Namen Jensen ausgestelltes Flugticket der Cayman Airways für einen Flug Miami - Grand Cayman und zurück.

»Was hat dieser Flug zu bedeuten?« fragte Montesino.

»Mr. Jensen hat mir vorgestern im Beisein seines Anwalts erklärt«, sagte Ainslie, »er habe mit Cynthia Ernst drei Tage auf den Cayman Islands verbracht und in dieser Zeit die Ermordung des Ehepaars Ernst geplant. Und er hat ausgesagt, sie seien getrennt hingeflogen - Miss Ernst unter dem Namen Hilda Shaw mit American Airlines von Miami aus.«

»Haben Sie diese zweite Aussage verifiziert?«

»Ja, Ma'am. Ich bin bei American Airlines in Miami gewesen, und die Fluggesellschaft hat mit Hilfe ihrer im Computer gespeicherten Passagierlisten festgestellt, daß an diesem Tag eine Hilda Shaw mit American Airlines nach Grand Cayman geflogen ist.«

Diese Feststellungen beruhten auf Hörensagen, das wußte Ainslie, und wären vor einem normalen Gericht nicht zugelassen worden, aber in diesem manchmal etwas merkwürdigen Verfahren waren sie erlaubt.

Mit Bezug auf den zweiten angestrebten Anklagebeschluß wegen Nichtanzeige der von Jensen verübten beiden Morde wies Ainslie auf den Karton mit belastendem Material, das Cynthia Ernst gesammelt und versteckt hatte. Auf Montesinos Aufforderung hin zeigte und erläuterte er anschließend die einzelnen Gegenstände.

Danach wurde Julio Verona erneut als Zeuge aufgerufen. Er sagte aus, die Fingerabdrücke auf den Plastikbeuteln in dem Karton stammten von Cynthia Ernst; auch die Handschrift auf mehreren Etiketten sei untersucht worden und stamme ebenfalls von ihr.

»Was den dritten Anklagebeschluß betrifft«, erklärte Montesino den Geschworenen, »werde ich keinen Zeugen aufrufen, um bestätigen zu lassen, daß Cynthia Ernst den Namen des Täters, der den sogenannten Rollstuhlmord verübt hat, erfahren und entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht angezeigt hat. Darauf kann ich verzichten, weil Sie alle, meine Damen und Herren, selbst Zeugen sind, seit Sie vorhin diese Tonbandaufnahme gehört haben.«

Auch diese Feststellung löste Kopfnicken und zustimmendes Gemurmel aus.

Bei ihrem Schlußwort faßte Montesino sich kurz.

»Diese Verhandlung ist lang und schmerzlich gewesen, und ich möchte sie nicht unnötig hinauszuziehen, sondern Sie lediglich noch an eine Tatsache erinnern. Es ist nicht Ihre Aufgabe, darüber zu entscheiden, ob Cynthia Ernst schuldig oder nicht schuldig ist. Diese Entscheidung muß ein Schwurgericht treffen - wenn Sie der Auffassung sind, daß die vorgelegten Beweise ausreichen, um eine Anklageerhebung zu rechtfertigen. Ich persönlich glaube, daß die Beweise weit mehr als nur ausreichend sind und daß Sie der Gerechtigkeit dienen, wenn Sie die beantragten Anklagebeschlüsse fassen. Ich danke Ihnen.«

Danach zogen die Generalstaatsanwältin und alle Justizangestellten sich zurück, damit die Geschworenen sich ungestört beraten konnten.

Es dauerte nicht lange. Nach kaum einer Viertelstunde wurden der Bezirksrichter und die Generalstaatsanwältin hereingerufen, worauf der Richter die Entscheidung der Geschworenen erhielt und laut verlas. In allen drei Fällen verfügte der Anklagebeschluß die Verhaftung Cynthia Ernsts.

4

»Ihr müßt euch beeilen, Jungs«, sagte Curzon Knowles warnend, als er Ainslie eine Aktenhülle mit zwei unterzeichneten Ausfertigungen der drei Anklagebeschlüsse übergab. »Sobald die Geschworenen hier herauskommen, ist ihr Geheimhaltungsschwur nichts mehr wert. Irgend jemand redet doch, und dann breitet sich diese Nachricht über Commissioner Ernst wie ein Buschfeuer aus - natürlich auch bis zu ihr.«

Sie standen auf dem Gang vor dem Verhandlungsraum der Anklagekammer. Während Knowles ihn zum Aufzug begleitete, fragte Ainslie: »Können Sie die Geschworenen noch eine Zeitlang hierbehalten? Ist noch eine weitere Verhandlung angesetzt?«

»Eine. Das haben wir bewußt so geplant, aber mehr als eine Stunde bringt Ihnen das nicht. Danach wird die Sache riskanter.«

Knowles fuhr fort: »Das Präsidium ist bereits über die Anklagebeschlüsse informiert; Montesino hat den Chef angerufen. Übrigens noch etwas: Ich soll Ihnen ausrichten, daß Sie gleich nach Ihrer Rückkehr zu Assistant Chief Serrano kommen sollen.« Er musterte Ainslie neugierig. »Ziemlich ungewöhnlich, daß die Führungsspitze in Ermittlungen wegen eines Mordfalls eingreift.«

»Nicht bei einem City Commissioner. Der Oberbürgermeister und die Commissioners genießen besondere Vorrechte und müssen sehr vorsichtig angefaßt werden.«

Als Staatsbeamter, der für viele Groß- und Kleinstädte in ganz Florida zuständig war, verstand Knowles weniger von Lokalpolitik als selbst ein Detective-Sergeant.

Auf dem Papier, das wußte Ainslie, war das Police Department von der Stadtpolitik unabhängig, aber die Wirklichkeit sah anders aus. Die City Commission kontrollierte den Polizeihaushalt über den Stadtdirektor, der den Polizeipräsidenten ernannte und ihn auch absetzen konnte, was schon einmal vorgekommen war. Die Commissioners besaßen Insiderkenntnisse über hohe Polizeibeamte, die befördert werden sollten. Und alle hatten Freunde im Präsidium, durch die sie unauffällig Druck ausüben konnten - was sie manchmal taten.

Gelegentlich, auch das wußte Ainslie, gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen City Commission und Police Department, weil die Commission eifersüchtig über ihre Privilegien wachte und empfindlich reagierte, wenn diese beschnitten wurden. Schon deshalb hatte Lieutenant Newbold seine Vorgesetzten, die Majors Yanes und Figueras, vor fünf Tagen über die sensationellen neuen Erkenntnisse informiert. Die beiden hatten diese Informationen weitergegeben, und da die Führungsspitze Grund zur Besorgnis hatte, überwachte sie alle weiteren Schritte.