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Der Dispatcher alarmierte Ainslie, der sofort auf Tac One umschaltete. »Einssechsvier hier neunzehnzehn. QSK?«

»Zwei Leichen im Hotel Royal Colonial«, meldete Ceballos. »Zimmer achtnullfünf. Vermute einunddreißig.« Er schluckte und sprach dann ruhiger weiter. »Nein, bestimmt einunddreißig. Eine schlimme Sache, ganz schlimm.«

Die Codeziffer 31 bezeichnete einen Mord. »Okay, bin unterwegs«, bestätigte Ainslie. »Sichern Sie den Tatort. Dort darf niemand rein - auch Sie selbst nicht.«

Ainslie wendete auf der Straße und gab sofort wieder Gas. Gleichzeitig rief er über Funk Detective Bernard Quinn, der zu seinem Team gehörte, und wies ihn an, ebenfalls ins Royal Colonial zu kommen.

Seine übrigen Beamten ermittelten wegen anderer Morde und waren im Augenblick nicht verfügbar. Da sich in den vergangenen Monaten besonders viele Morde ereignet hatten, war ein Ermittlungsstau entstanden. Auch heute schien sich diese schlimme Serie fortzusetzen.

Ainslie und Quinn erreichten das Hotel fast gleichzeitig und gingen miteinander zu den Aufzügen. Quinn, der grauhaarig war und ein runzliges, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht hatte, war wie immer untadelig gekleidet: blaues Sportsakko, graue Hose, weißes Hemd und gestreifte Krawatte. Der gebürtige Engländer und eingebürgerte Amerikaner, ein Veteran der Mordkommission, würde schon bald als Sechzigjähriger pensioniert werden.

Quinn war bei den Kollegen beliebt und geachtet, was damit zusammenhing, daß er für deren Karriere keine Gefahr darstellte; denn nachdem er Detective geworden war und sich in diesem Job bewährt hatte, verzichtete er auf jede weitere Beförderung. Er wollte einfach nicht für andere verantwortlich sein und hatte nie die Sergeantprüfung abgelegt, die er mühelos bestanden hätte. Aber Quinn war als leitender Ermittler an jedem Tatort ein guter Mann.

»Das ist Ihr Fall, Bernie«, sagte Ainslie. »Aber ich helfe Ihnen noch, bis die Ermittlungen in Gang gekommen sind.«

Auf ihrem Weg durch die weitläufige, üppig bepflanzte Hotelhalle entdeckte Ainslie zwei Reporterinnen, die an der Rezeption standen. Es war erstaunlich, wie schnell Leute von den Medien, die durch die Stadt fuhren und den Polizeifunk abhörten, sich am Tatort einfanden. Eine der beiden, die Ainslie erkannte, hastete auf die Kabine des Aufzugs zu, in der die Kriminalbeamten standen, aber die Tür schloß sich vor ihr.

Quinn seufzte, während sie nach oben fuhren. »Man sollte einen Tag auch besser beginnen können.«

»Sie werden's bald erfahren«, meinte Ainslie. »Aber vielleicht geht Ihnen die Aufregung im Ruhestand sogar ab.«

Als sie im achten Stock ausstiegen, verstellte Wachmann Cobo ihnen den Weg. »Gentlemen, hier darf niemand...« Er sprach nicht weiter, als er die Dienstausweise an Ainslies und Quinns Jacken sah.

»Leider«, sagte Quinn, »müssen wir hier durch.«

»Sorry, Leute! Bin echt froh, euch zu sehen. Ich hab' jeden aufgehalten, der hier nichts zu... «

»Weitermachen«, wies Ainslie ihn an. »Von uns kommen noch mehr Leute, aber lassen Sie niemanden durch, der sich nicht ausweisen kann. Wir wollen, daß dieser Korridor frei bleibt.«

»Ja, Sir.« Cobo dachte nicht ans Heimfahren, solange hier alles so aufregend war.

Auf dem Flur kam ihnen Officer Ceballos entgegen, der die Kriminalbeamten respektvoll behandelte. Da er wie viele andere junge Polizeibeamten den Ehrgeiz hatte, eines Tages die Uniform abzulegen und Detective zu werden, konnte es nicht schaden, einen guten Eindruck zu machen. Ceballos übergab den Zettel mit den Namen der Gäste in Zimmer 805 und meldete, abgesehen von zwei flüchtigen Besichtigungen durch Cobo und ihn befinde der Tatort sich im ursprünglichen Zustand.

»Gut«, antwortete Ainslie. »Sie bleiben hier, und ich fordere zwei Mann Verstärkung für Sie an. Die Presse ist schon im Hotel und wird sich bald überall rumtreiben. Ich will hier oben keine Reporter sehen, und Sie dürfen keine Auskunft geben; sagen Sie einfach, daß später ein PI-Beamter zur Verfügung stehen wird. Ohne meine oder Detective Quinns Erlaubnis darf vorläufig niemand auch nur in die Nähe vo n Zimmer achtnullfünf. Haben Sie das verstanden?«

»Ja, Sergeant.«

»Okay, sehen wir uns mal an, was wir hier haben.«

Als Ceballos die Tür von Zimmer 805 öffnete, rümpfte Bernard Quinn angewidert die Nase. »Und Sie glauben, daß mir das fehlen wird?«

Ainslie schüttelte melancholisch den Kopf. Der Geruch des Todes war ein ekelerregender, widerwärtiger Gestank, der sich nach jedem Mord, vor allem bei offenen Wunden und austretenden Körperflüssigkeiten, am Tatort ausbreitete.

Die beiden Kriminalbeamten hielten in ihren Notizbüchern fest, wann sie Zimmer 805 betreten hatten. Sie würden sich weitere Notizen machen, bis dieser Fall irgendwann einmal abgeschlossen war. Das war lästig, aber sie würden ihre Aufzeichnungen brauchen, falls sie später vor Gericht aussagen mußten.

Zunächst blieben sie stehen und betrachteten die grausige Szene vor ihnen - die beiden teilweise schon eingetrockneten Blutlachen und die verstümmelten, schon leicht in Verwesung übergegangenen Toten. Das Zimmer 805 selbst, befand sich in wilder Unordnung: Sessel waren umgestürzt, die Betten zerwühlt und Kleidungsstücke der Ermordeten im ganzen Raum verstreut. Aus dem Radio auf einem der Nachttische drang weiter laute Rockmusik.

Quinn wandte sich an Ceballos. »Ist das Radio eingeschaltet gewesen, als Sie reingekommen sind?«

»Ja - und als der Wachmann im Zimmer gewesen ist. Der Sender klingt nach >HOT 105<.«

»Danke.« Quinn machte sich eine Notiz. »Den hört mein Sohn auch. Ich kann den Lärm nicht ausstehen.«

Ainslie benutzte die Kombination aus Handfunkgerät und Mobiltelefon, um mehrere Telefongespräche zu führen. Das Telefon in Zimmer 805 durfte erst angefaßt werden, wenn es auf Fingerabdrücke untersucht worden war.

Als erstes forderte er ein Spezialistenteam zur Spurensicherung an. Die Fachleute würden den Tatort und alles Beweismaterial fotografieren - auch winzige Einzelheiten, die ein ungeübtes Auge leicht übersehen konnte. Sie würden nach Fingerabdrücken suchen, Blutproben sicherstellen und sonstige Untersuchungen vornehmen, die den Ermittlern zweckmäßig erschienen. Bis die Spurensicherung eintraf, blieb am Tatort »die Zeit eingefroren« - er blieb in genau dem Zustand, in dem er vorgefunden worden war.

Schon ein einziger Ahnungsloser, der durch den Raum ging oder Gegenstände berührte, konnte eine wichtige Spur vernichten und so den Ausschlag dafür geben, daß eine Straftat nicht aufgeklärt wurde und ein Verbrecher straffrei ausging. Selbst Vorgesetzte, die einen Tatort aus Neugier besichtigten, konnten unwissentlich Beweismaterial zerstören; deshalb hatte der Kriminalbeamte, der die Ermittlungen leitete, unabhängig von seinem Dienstgrad die alleinige Befehlsgewalt am Tatort.

Ainslie telefonierte weiter: Er informierte Lieutenant Newbold, den Chef der Mordkommission, der bereits unterwegs war, forderte einen Staatsanwalt an und bat im Präsidium um Entsendung eines PI-Beamten, der sich um die Reporter kümmern sollte.

Sobald die Spurensicherung mit den Ermordeten fertig war, würde Ainslie einen Gerichtsmediziner anfordern, dessen Erstuntersuchung möglichst früh nach Eintritt des Todes stattfinden sollte. Aber Gerichtsmediziner mochten es nicht, zu früh verständigt zu werden und dann warten zu müssen, bis die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hatte.

Noch später - nach der Erstuntersuchung und der Überführung der Toten ins Leichenschauhaus von Dade County würde eine Autopsie in Anwesenheit von Bernard Quinn stattfinden.

Während Ainslie telefonierte, streifte Quinn einen Latexhandschuh über, um den Stecker des lauten Radios herauszuziehen. Als nächstes nahm er die Leichen der Ermordeten in Augenschein: ihre Verletzungen, welche Kleidungsstücke sie noch trugen, welche Gegenstände in ihrer Nähe lagen - und machte sich dabei wieder Notizen. Auf dem anderen Nachttisch sah er einige Schmuckstücke liegen, die ziemlich teuer aussahen. Dann drehte er den Kopf zur Seite und rief verblüfft: »Hey, sehen Sie sich das an!«