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»Großartig. Willkommen in Akbar: Wenn wir etwas von Isebel brauchen, bezahlen wir mit Eurem Kopf – eine bessere Währung gibt es nicht. Bis dahin sucht Euch eine Arbeit und lernt, Euch selbst zu ernähren, denn hier haben wir keinen Platz für Propheten.« Elia wollte gerade hinausgehen, da sagte der Priester: »Es scheint so, als wäre eine junge Frau aus Sidon mächtiger als Euer Einziger Gott. Sie hat Baal einen Altar errichtet, und nun knien die ehemaligen Priester vor ihm.« »Alles wird geschehen, wie es der Herr gesagt hat«, entgegnete der Prophet. »Es gibt Augenblicke, in denen in unserem Leben Widrigkeiten auftauchen, die wir nicht verhindern können. Doch alles hat seinen Grund.« »Und welchen?« »Das ist eine Frage, die wir erst beantworten können, wenn wir die Schwierigkeiten überwunden haben, weder vorher noch mittendrin. Erst nachträglich begreifen wir, warum es sie gegeben hat.« Sobald Elia hinausgegangen war, rief der Priester die Bürgerabgeordneten zusammen, die ihn an jenem Morgen aufgesucht hatten.

»Macht euch seinetwegen keine Sorgen«, sagte der Priester.

»Die Tradition will, daß wir die Fremden bei uns aufnehmen.

Außerdem haben wir ihn hier unter Kontrolle und sehen, was er im Schilde führt. Die beste Art, einen Feind kennenzulernen und zu zerstören, ist, so zu tun, als sei man sein Freund. Wenn der rechte Augenblick gekommen ist, wird er Isebel übergeben, und unsere Stadt erhält Gold und andere Belohnungen. Bis dahin werden wir gelernt haben, seine Ideen zu zerstören. Bis jetzt wissen wir nur, wie wir seinen Körper zerstören können.« Obwohl Elia den Einzigen Gott anbetete und ein Feind der Prinzessin war, verlangte der Priester, daß ihm das Recht auf Asyl gewährt werde. Alle kannten die alte Tradition: Wenn eine Stadt einem Reisenden Herberge verweigerte, kam dasselbe Los über die Kinder seiner Bewohner. Da ein großer Teil der Kinder von Akbar mit der riesigen Handelsflotte auf der ganzen Welt verstreut war, wagte niemand das Gesetz der Gastfreundschaft zu brechen.

Zudem kostete es nichts, auf den Tag zu warten, an dem der Kopf des jüdischen Propheten gegen große Mengen Goldes ausgetauscht werden würde.

Am Abend speiste Elia mit der Witwe und deren Sohn. Als israelitischer Prophet war er jetzt ein wertvolles Handelsobjekt für die Zukunft, und einige Kaufleute schickten ausreichend Nahrungsmittel, damit sich die Familie eine Woche lang davon ernähren konnte.

»Es scheint, als hielte der Gott Israels Wort«, sagte die Witwe.

»Seit mein Mann gestorben ist, war mein Tisch noch nie so reich gedeckt wie heute.« Elia lebte sich bald in Akbar ein. Wie die anderen Bewohner der Stadt nannte auch er sie Akbar. Er lernte den Stadthauptmann kennen, den Kommandanten der Garnison, den Priester, die Glasbläsermeister, deren Waren im weiten Umkreis bewundert wurden. Wenn sie ihn fragten, was er denn in der Stadt mache, sagte er die Wahrheit: Er sei vor Isebel geflohen.

»Ihr seid ein Verräter Eures Landes und ein Feind Phöniziens«, sagten sie. »Doch wir sind ein Volk von Kaufleuten und wissen, daß der Kopfpreis auf einen Mann um so höher ist, je gefährlicher er ist.« So gingen die Monate ins Land.

Am Eingang des Tales kampierten einige assyrische Patrouillen, und es sah so aus, als wollten sie bleiben. Diese Handvoll Soldaten bedeutete keine Bedrohung. Trotzdem bat der Kommandant den Stadthauptmann, Vorkehrungen zu treffen.

»Sie haben uns nichts getan«, entgegnete der Stadthauptmann. »Bestimmt sind sie in einer Handelsmission hier und kundschaften eine bessere Route für ihre Waren aus.

Wenn sie beschließen, unsere Straßen zu benutzen, werden sie Wegzoll zahlen müssen – und wir werden damit noch reicher. Warum sie also provozieren?« Die Lage spitzte sich zu, als unvermutet der Sohn der Witwe erkrankte. Die Nachbarn gaben dem Fremden in ihrem Haus die Schuld, und die Frau bat Elia zu gehen. Doch er ging nicht.

Der Herr hatte ihn noch nicht gerufen. Daraufhin verbreitete sich das Gerücht, der Fremde habe den Zorn der Götter des Fünften Berges auf sich gezogen.

Das Heer war unter Kontrolle, und der Stadthauptmann konnte das Volk wegen der fremden Patrouillen beruhigen. Doch als der Sohn der Witwe erkrankte, ließ sich der Volkszorn auf den Fremden immer weniger in Schach halten.

Schon wurde eine Abordnung der Bürger bei ihm vorstellig.

»Wir könnten für den Israeliten ein Haus außerhalb der Mauern bauen«, sagten sie. »So würden wir das Gesetz der Gastfreundschaft nicht brechen und dem Zorn der Götter entgehen. Den Göttern gefällt die Anwesenheit dieses Mannes nicht.« »Laßt ihn dort, wo er ist«, antwortete der Stadthauptmann. »Ich möchte keine politischen Probleme mit Israel heraufbeschwören.« »Wieso?« fragten die Bewohner. »Isebel verfolgt alle Propheten des Einzigen Gottes und will sie töten.« »Unsere Prinzessin ist eine mutige Frau und sie ist den Göttern des Fünften Berges treu. Doch sie mag heute so viel Macht haben, wie sie will, sie ist keine Israelitin und kann morgen schon in Ungnade fallen. Und dann gnade uns vor dem Zorn unserer Nachbarn! Wenn wir zeigen, daß wir einen ihrer Propheten gut behandeln, werden sie nachsichtig zu uns sein.« Mißmutig ging die Bürgerdelegation von dannen. Es paßte ihnen nicht, daß der Priester gesagt hatte, Elia würde dereinst gegen Gold und Belohnungen ausgetauscht. Doch selbst wenn der Stadthauptmann im Unrecht war, mußten sie sich fügen, denn die Tradition verlangte von ihnen, daß sie die Meinung des Stadthauptmanns respektierten.

Am Taleingang wurden die Zelte der assyrischen Krieger immer zahlreicher.

Der Kommandant beobachtete es mit Sorge. Er versuchte, seine Krieger durch ständige Manöver zu schulen; wie schon ihre Vorfahren hatten sie alle keinerlei Kampferfahrung. Kriege gehörten in Akbar der fernen Vergangenheit an. Alle Strategien, die er gelernt hatte, waren hoffnungslos veraltet, und die anderen Länder benutzten längst modernere Methoden und Waffen.

»Akbar hat immer seinen Frieden ausgehandelt«, sagte der Stadthauptmann. »Es wäre nicht das erste Mal, daß wir erobert werden. Laß die fremden Länder einander bekriegen: Wir haben eine viel mächtigere Waffe als sie – Geld. Wenn sie einander endgültig niedergemacht haben, gehen wir in ihre Städte und verkaufen ihnen unsere Waren.« Dem Stadthauptmann gelang es, den Bürgern die Angst vor den Assyrern auszureden. Doch Gerüchte grassierten, wonach der Israelit den Fluch der Götter über Akbar gebracht hätte. Elia wurde zu einem immer größeren Problem.

Eines Nachmittags ging es dem Jungen plötzlich schlechter. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und erkannte die Besucher nicht mehr. Bevor die Sonne am Horizont versank, knieten Elia und die Frau neben dem Kind nieder.

»Allmächtiger Gott, der Du die Pfeile des Soldaten von mir abgewendet und mich hierhergeführt hast, rette dieses Kind. Es ist unschuldig, es kann nichts für meine und meiner Väter Sünden – rette es, Herr.« Der Junge bewegte sich kaum noch. Seine Lippen waren aschfahl, seine Augen blickten stumpf.

»Betet zu Eurem Einzigen Gott«, bat die Frau. »Denn nur eine Mutter weiß, wann die Seele ihres Kindes dahingeht.« Elia hätte gern ihre Hand ergriffen und ihr gesagt, daß sie nicht allein sei und Gott der Allmächtige ihr helfen würde. Er war ein Prophet, hatte dies am Ufer des Baches Krith auf sich genommen, und nun waren die Engel an seiner Seite.

»Ich habe keine Tränen mehr«, fuhr sie fort. »Wenn Er kein Erbarmen hat, wenn Er ein Leben will, dann bittet Ihn, meines zu nehmen und meinen Sohn weiter im Tal und durch die Straßen von Akbar gehen zu lassen.« Elia tat alles, um sich auf sein Gebet zu konzentrieren, doch das Leid dieser Mutter war so groß, daß es gleichsam das ganze Zimmer füllte, in die Wände, die Türen, in alles eindrang.

Er berührte den Körper des Jungen. Das Fieber war nicht mehr so hoch wie an den beiden vorangegangenen Tagen – ein schlechtes Zeichen.

Der Priester war am Vormittag vorbeigekommen, um Kräuterumschläge auf das Gesicht und auf die Brust des Jungen zu legen. Die Frauen von Akbar hatten althergebrachte Rezepturen für Heilmittel mitgebracht, die im Laufe der Zeit schon oft ihre Heilkraft unter Beweis gestellt hatten. Jeden Nachmittag hatten sie sich am Fuße des Fünften Berges versammelt und geopfert, auf daß die Seele des Jungen seinen Körper nicht verlasse.