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Alles, was Wagner nicht kann, ist verwerflich.

Wagner könnte noch Vieles: aber er will es nicht, — aus Rigorosität im Princip.

Alles, was Wagner kann, wird ihm Niemand nachmachen, hat ihm Keiner vorgemacht, soll ihm Keiner nachmachen…

Wagner ist göttlich…

Diese drei Sätze sind die Quintessenz von Wagner's Litteratur; der Rest ist — »Litteratur.»

— Nicht jede Musik hat bisher Litteratur nöthig gehabt: man thut gut, hier nach dem zureichenden Grund zu suchen. Ist es, dass Wagner's Musik zu schwer verständlich ist? Oder fürchtete er das Umgekehrte, dass man sie zu leicht versteht, — dass man sie nicht schwer genug versteht? — Thatsächlich hat er sein ganzes Leben Einen Satz wiederholt: dass seine Musik nicht nur Musik bedeute! Sondern mehr! Sondern unendlich viel mehr!…»Nicht nur Musik«— so redet kein Musiker. Nochmals gesagt, Wagner konnte nicht aus dem Ganzen schaffen, er hatte gar keine Wahl, er musste Stückwerk machen,»Motive«, Gebärden, Formeln, Verdopplungen und Verhundertfachungen, er blieb Rhetor als Musiker — er musste grundsätzlich deshalb das» es bedeutet «in den Vordergrund bringen.»Die Musik ist immer nur ein Mittel«: das war seine Theorie, das war vor Allem die einzige ihm überhaupt mögliche Praxis. Aber so denkt kein Musiker. — Wagner hatte Litteratur nöthig, um alle Welt zu überreden, seine Musik ernst zu nehmen, tief zu nehmen,»weil sie Unendliches bedeute«; er war zeitlebens der Commentator der» Idee«. — Was bedeutet Elsa? Aber kein Zweifeclass="underline" Elsa ist» der unbewusste Geist des Volks«(- mit dieser Erkenntniss wurde ich nothwendig zum vollkommnen Revolutionär«—).

Erinnern wir uns, dass Wagner in der Zeit, wo Hegel und Schelling die Geister verführten, jung war; dass er errieth, dass er mit Händen griff, was allein der Deutsche ernst nimmt — »die Idee«, will sagen Etwas, das dunkel, ungewiss, ahnungsvoll ist; dass Klarheit unter Deutschen ein Einwand, Logik eine Widerlegung ist. Schopenhauer hat, mit Härte, die Epoche Hegel's und Schelling's der Unredlichkeit geziehn — mit Härte, auch mit Unrecht: er selbst, der alte pessimistische Falschmünzer, hat es in Nichts» redlicher «getrieben als seine berühmteren Zeitgenossen. Lassen wir die Moral aus dem Spiele: Hegel ist ein Geschmack… Und nicht nur ein deutscher, sondern ein europäischer Geschmack! — Ein Geschmack, den Wagner begriff! — dem er sich gewachsen fühlte! den er verewigt hat! — Er machte bloss die Nutzanwendung auf die Musik — er erfand sich einen Stil, der» Unendliches bedeutet,«— er wurde der Erbe Hegel's… Die Musik als» Idee»—

Und wie man Wagnern verstand! — Dieselbe Art Mensch, die für Hegel geschwärmt, schwärmt heute für Wagner; in seiner Schule schreibt man sogar Hegelisch! — Vor Allen verstand ihn der deutsche Jüngling. Die zwei Worte» unendlich «und» Bedeutung «genügten bereits: ihm wurde dabei auf eine unvergleichliche Weise wohl. Es ist nicht die Musik, mit der Wagner sich die Jünglinge erobert hat, es ist die» Idee«: — es ist das Räthselreiche seiner Kunst, ihr Versteckspielen unter hundert Symbolen, ihre Polychromie des Ideals, was diese Jünglinge zu Wagner führt und lockt;»es ist Wagner's Genie der Wolkenbildung, sein Greifen, Schweifen und Streifen durch die Lüfte, sein Überall und Nirgendswo, genau Dasselbe, womit sie seiner Zeit Hegel verführt und verlockt hat! — Inmitten von Wagner's Vielheit, Fülle und Willkür sind sie wie bei sich selbst gerechtfertigt — »erlöst«—. Sie hören mit Zittern, wie in seiner Kunst die grossen Symbole aus vernebelter Ferne mit sanftem Donner laut werden; sie sind nicht ungehalten, wenn es zeitweilig grau, grässlich und kalt in ihr zugeht. Sind sie doch sammt und sonders, gleich Wagnern selbst, verwandt mit dem schlechten Wetter, dem deutschen Wetter! Wotan ist ihr Gott: aber Wotan ist der Gott des schlechten Wetters… Sie haben Recht, diese deutschen Jünglinge, so wie sie nun einmal sind: wie könnten sie vermissen, was wir Anderen, was wir Halkyonier bei Wagnern vermissen — la gaya scienza; die leichten Füsse; Witz, Feuer, Anmuth; die grosse Logik; den Tanz der Sterne; die übermüthige Geistigkeit; die Lichtschauder des Südens; das glatte Meer — Vollkommenheit…

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Ich habe erklärt, wohin Wagner gehört — nicht in die Geschichte der Musik. Was bedeutet er trotzdem in deren Geschichte? Die Heraufkunft des Schauspielers in der Musik: ein capitales Ereigniss, das zu denken, das vielleicht auch zu fürchten giebt. in Formeclass="underline" »Wagner und Liszt.«— Noch nie wurde die Rechtschaffenheit der Musiker, ihre» Echtheit «gleich gefährlich auf die Probe gestellt. Man greift es mit Händen: Der grosse Erfolg, der Massen-Erfolg ist nicht mehr auf Seite der Echten, — man muss Schauspieler sein, ihn zu haben! — Victor Hugo und Richard Wagner — sie bedeuten Ein und Dasselbe: dass in Niedergangs-Culturen, dass überall, wo den Massen die Entscheidung in die Hände fällt, die Echtheit überflüssig, nachtheilig, zurücksetzend wird. Nur der Schauspieler weckt noch die grosse Begeisterung. — Damit kommt für den Schauspieler das goldene Zeitalter herauf — für ihn und für Alles, was seiner Art verwandt ist. Wagner marschirt mit Trommeln und Pfeifen an der Spitze aller Künstler des Vortrags, der Darstellung, des Virtuosenthums; er hat zuerst die Kapellmeister, die Maschinisten und Theatersänger überzeugt. Nicht zu vergessen die Orchestermusiker: — er» erlöste «diese von der Langenweile… Die Bewegung, die Wagner schuf, greift selbst in das Gebiet der Erkenntniss über: ganze zugehörige Wissenschaften tauchen langsam aus jahrhundertealter Scholastik empor. Ich hebe, um ein Beispiel zu geben, mit Auszeichnung die Verdienste Riemann's um die Rhythmik hervor, des Ersten, der den Hauptbegriff der Interpunktion auch für die Musik geltend gemacht hat (leider vermittelst eines hässlichen Wortes: er nennt's» Phrasirung«). — Dies Alles sind, ich sage es mit Dankbarkeit, die Besten unter den Verehrern Wagner's, die Achtungswürdigsten — sie haben einfach Recht, Wagnern zu verehren. Der gleiche Instinkt verbindet sie mit einander, sie sehen in ihm ihren höchsten Typus, sie fühlen sich zur Macht, zur Grossmacht selbst umgewandelt, seit er sie mit seiner eignen Gluth entzündet hat. Hier nämlich, wenn irgendwo, ist der Einfluss Wagner's wirklich wohlthätig gewesen. Noch nie ist in dieser Sphäre so viel gedacht, gewollt, gearbeitet worden. Wagner hat allen diesen Künstlern ein neues Gewissen eingegeben: was sie jetzt von sich fordern, von sich erlangen, das haben sie nie vor Wagner von sich gefordert — sie waren früher zu bescheiden dazu. Es herrscht ein andrer Geist am Theater, seit Wagner's Geist daselbst herrscht: man verlangt das Schwerste, man tadelt hart, man lobt selten, — das Gute, das Ausgezeichnete gilt als Regel. Geschmack thut nicht mehr Noth; nicht einmal Stimme. Man singt Wagner nur mit ruinirter Stimme: das wirkt» dramatisch«. Selbst Begabung ist ausgeschlossen. Das espressivo um jeden Preis, wie es das Wagnerische Ideal, das décadence-Ideal verlangt, verträgt sich schlecht mit Begabung. Dazu gehört bloss Tugend — will sagen Dressur, Automatismus,»Selbstverleugnung. «Weder Geschmack, noch Stimme, noch Begabung: die Bühne Wagner's hat nur Eins nöthig — Germanen!… Definition des Germanen: Gehorsam und lange Beine… Es ist voll tiefer Bedeutung, dass die Heraufkunft Wagner's zeitlich mit der Heraufkunft des» Reichs «zusammenfällt: beide Thatsachen beweisen Ein und Dasselbe — Gehorsam und lange Beine. — Nie ist besser gehorcht, nie besser befohlen worden. Die Wagnerischen Kapellmeister in Sonderheit sind eines Zeitalters würdig, das die Nachwelt einmal mit scheuer Ehrfurcht das klassische Zeitalter des Kriegs nennen wird. Wagner verstand zu commandiren; er war auch damit der grosse Lehrer. Er commandirte als der unerbittliche Wille zu sich, als die lebenslängliche Zucht an sich: Wagner, der vielleicht das grösste Beispiel der Selbstvergewaltigung abgiebt, das die Geschichte der Künste hat (- selbst Alfieri, sonst sein Nächstverwandter, ist noch überboten. Anmerkung eines Turiners).