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»Erklärung?«, fuhr Monchae auf. »Dann erklär mir doch bitte Folgendes, Schwester. Gestern Nacht hab ich die Musik wieder gehört. Ich bin davon aufgewacht. Der Schneesturm hatte sich gelegt, der Himmel war klar, und der Mond schien. Bei dem Schnee war es hell wie am Tage. Da hörte ich die Musik von neuem.

Ich nahm allen Mut zusammen und bin ans Fenster gegangen, habe die Fensterladen aufgestoßen. Von da sieht man einen Hügel, keine hundert Schritte entfernt, einen kleinen schneebedeckten Hügel. Da stand ein Mann drauf, hielt einen Dudelsack in den Händen und spielte ein Klagelied. Dann hat er eine Pause gemacht, hat mich angeschaut und gerufen: ›Ich bin so allein, Monchae. Bald hole ich dich. Dich und Belach.‹ Danach hat er sich umgedreht und …«

Sie schluchzte auf und sank Belach in die Arme.

Fidelma schaute sie ratlos an. »War das eine Gestalt aus Fleisch und Blut?«

Angsterfüllt blickte sie zu Fidelma hin. »Das ist es ja. Der Körper schimmerte richtig.«

»Schimmerte?«

»Da war so ein seltsames Leuchten drum herum, es leuchtete wie eine geisterhafte Flamme. Ganz bestimmt war das ein Dämon aus der Anderswelt.«

Fidelma wandte sich Belach zu. »Hast du diese Erscheinung auch erblickt?«, fragte sie ihn und wartete fast darauf, dass er es bejahte.

»Nein. Ich habe Monchae aufschreien gehört, und davon wurde ich wach. Sie hat mir erzählt, was sie eben erlebt hatte, und da bin ich in der Nacht gleich hinausgegangen zu dem Hügel. Hatte gehofft, Spuren zu finden, dass da ein Mensch gestanden hatte. Doch gefunden habe ich nichts.«

»Keinerlei Anzeichen im Schnee, dass da jemand gewesen war?«

»Ich sage dir ja, nichts von einer menschlichen Spur war da. Der Schnee war frisch gefallen. Bloß etwas war merkwürdig …«

»Was war merkwürdig?«

»Auf dem Schnee lag ein seltsames Leuchten, es glitzerte irgendwie unheimlich.«

»Aber Fußabdrücke oder sonstige Spuren hast du nicht gesehen?«

»Nein.«

Die Frau schluchzte vor sich hin. »Das alles ist wahr, Schwester, ist wirklich wahr. Der Geist von Mugrán wird uns bald holen. Unsere Tage auf Erden sind gezählt.«

Fidelma schloss die Augen und dachte eine Weile angestrengt nach. »Nur der Lebendige Gott entscheidet, welche Lebensspanne dir zugemessen ist«, sagte sie halb geistesabwesend.

Beklommen standen die Wirtsleute da und betrachteten Fidelma, die sich in der Wärme des Feuers räkelte. Schließlich meinte sie: »Da ich nun einmal hier bin, brauche ich was zu essen und ein Bett für die Nacht.«

Zustimmend neigte Belach das Haupt. »Das sollst du haben, Schwester. Sei uns willkommen. Aber ob du so gut bist und ein Gebet vor Unserer Lieben Frau sprichst? Damit dieser grässliche Spuk aufhört. Sie ist die gebenedeite Mutter unseres Herrn Jesus und fordert gewiss nicht unseren baldigen Tod.«

Fidelma machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ich würde nicht gleich alle Übel der Welt der Heiligen Familie aufbürden«, meinte sie tadelnd. Doch als sie ihre verängstigten Mienen sah, fügte sie sich dem Gottverständnis der beiden. »Ich werde für euch zu Unserer Lieben Frau beten. Aber jetzt bringt mir was zu essen.«

Irgendetwas ließ Fidelma aufwachen. Ihr Herz schlug rascher, ihr Körper war angespannt. Das Geräusch hätte auch zu ihrem Traum gehören können. Ein schwerer Gegenstand war herabgefallen. Reglos lag sie da und überlegte, was es gewesen sein könnte. Offensichtlich hatte der Sturm nachgelassen. Hinter den Fensterladen der kleinen Kammer, die ihr Monchae zum Schlafen zugewiesen hatte, war es still, geradezu unheimlich still sogar. Sie rührte sich nicht, lauschte angestrengt.

Dann knarrte es. In den alten Balken des Gasthofs knarrte und knackte es ohnehin ständig. Hatte sie wirklich nur geträumt? Sie wollte sich auf die Seite legen, da hörte sie wieder ein Geräusch, konnte sich aber nicht erklären, was es war. Und jetzt noch einmal, ein dumpfer Aufschlag.

Sie zwang sich, das warme Bett zu verlassen, und zitterte in der Kälte; Mitternacht musste längst vorbei sein. Sie langte nach ihrem schweren Umhang und legte ihn sich um die Schultern. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür, öffnete sie, so leise es eben ging, und horchte. Das Geräusch war von unten gekommen.

Sie wusste, dass außer ihr, Monchae und Belach niemand im Gasthof war. Die Wirtsleute hatten sich in ihre Schlafstube am oberen Treppenabsatz zur Ruhe begeben. Sie blickte nach oben, die Tür dort war zu.

Auf leisen Sohlen wie eine Katze tappte sie zur Treppe und starrte nach unten. Sonderbare Laute ließen sie erstarren. Es klang, als ob etwas Weiches und doch Schweres über die Dielen geschleift wurde. Von der Treppe konnte sie in den Gastraum sehen, wo die Glut des ausgehenden Feuers flackernde Schatten an die Wände warf. Fidelma biss in der Kälte die Zähne zusammen. Wenn sie doch nur eine Kerze hätte! Langsam stieg sie die Stufen hinunter und trat dabei auf ein loses Brett, das laut knackte. In der Stille der Nacht hallte das wie ein Donnerschlag.

Daraufhin schlurfte und scharrte etwas im Raum unten und veranlasste sie, beherzt die letzten Stufen zu nehmen. »Ist da wer?«, rief sie in die Düsternis. »In Christi Namen, gib dich zu erkennen!« Dabei pochte ihr Herz wild, und sie hatte Mühe, ihre Stimme gebieterisch klingen zu lassen.

Von weiter weg kam ein dumpfer Ton, dann herrschte völlige Stille. Sie sah sich in der großen Gaststube um, verfolgte die rötlichen, über die Wände huschenden Schatten. Etwas Genaues auszumachen war unmöglich.

Doch … da war wieder ein Geräusch hinter ihr.

Sie fuhr herum. Auf der Treppe stand Belach, und seine Frau schaute ihm ängstlich über die Schulter.

»Hast du es auch gehört?«, flüsterte er.

»Ich habe es gehört.«

»Gütiger Gott, schau herab auf uns«, seufzte der Mann.

Fidelma schniefte unbeherrscht. »Zünd eine Kerze an, Belach. Wir müssen alles absuchen.«

Der Wirt zuckte die Achseln. »Hat gar keinen Zweck, Schwester. Jede Nacht haben wir die Geräusche gehört, haben gesucht noch und noch. Gefunden haben wir nichts.«

»Ist ja auch nicht zu erwarten, dass ein Gespenst greifbare Spuren hinterlässt«, unterstützte ihn seine Frau.

»Doch Geräusche kann es machen, wie?«, knurrte Fidelma. »Nur etwas, das körperlich vorhanden ist, kann Geräusche verursachen. Los, sorge für Licht.«

Widerstrebend zündete Belach eine Lampe an. Der Wirt und seine Frau blieben an der Treppe stehen und schauten zu, wie Fidelma in jeden Winkel leuchtete. Sie war noch nicht weit gekommen, als Monchae losschrie und zu Boden fiel. Im Nu eilte Fidelma zu ihr. Ihr Mann tätschelte ihr die Hand, im Bemühen, sie damit zur Besinnung zu bringen.

»Sie ist ohnmächtig geworden«, murmelte er sinnloserweise.

»Hol Wasser!«, wies ihn Fidelma an. Dann spritzte sie ihr Wasser auf die Stirn und befeuchtete ihre Lippen. Monchae blinzelte und schlug die Augen auf.

»Was war mit dir? Was hat dich so erschreckt?«

Monchae starrte sie an, war leichenblass und zitterte am ganzen Leib.

»Die Sackpfeife!«, stammelte sie. »Sein Dudelsack!«

»Ich habe keinen Dudelsack gehört«, erwiderte Fidelma.

»Nein. Mugráns Sackpfeife … da auf dem Tisch!«

Belach blieb es überlassen, seiner Frau aufzuhelfen, denn Fidelma ging sofort hinüber, hielt die Kerze hoch, und da lag tatsächlich ein Dudelsack. Ein ganz gewöhnliches Instrument. Fidelma hatte schon viel bessere, mit mehr Kunstfertigkeit hergestellte gesehen.

»Was wolltest du mir dazu sagen?«, fragte sie die völlig verstörte Frau, die Belach stützte.

»Das ist die Sackpfeife von Mugrán. Die hatte er mitgenommen, als er loszog in die Schlacht. Es ist wahr, sein Geist ist zurückgekehrt. Oh, ihr Heiligen, beschützt uns!«

Verzweifelt klammerte sie sich an ihren Mann.