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»Als ich hier eintraf, ließen mich die ersonnenen Beweise zunächst glauben, Ailill sei unschuldig. So war es ja auch bezweckt. Dazu wurde mein Verdacht auf Cernach Mac Diarmuid gelenkt, der als Sündenbock auserkoren war. In seiner Kammer fand sich, nur notdürftig versteckt, das heilige Schwert. Das schien mir alles zu durchsichtig und erweckte meinen Argwohn. Sowohl Ailill als auch Ornait führten immer wieder Cernachs Namen im Munde. Dann entdeckte ich den Tuchfetzen im Durchgang und wurde stutzig.«

»Aber wenn es nur darum ging, mich in Verruf zu bringen, weil ich das Schwert nicht vorweisen konnte, warum dann ein so ausgeklügeltes Komplott? Man hätte doch nur das Schwert stehlen und es irgendwo verstecken können, wo es nicht so leicht zu finden war«, bemerkte Sechnussach.

»Das hat auch mir die meisten Kopfschmerzen bereitet. Erst allmählich begriff ich, Ornait und Ailill wollten ganz sichergehen, dass du nicht gekrönt wirst. Der Verlust des Schwertes würde die Menschen beunruhigen, und es würde Streit ausbrechen zwischen den Stämmen. Aber allgemeine Gesetzlosigkeit war nicht ihr Ziel, sie wollten lediglich deinen sofortigen Sturz. Sie wollten sichergehen, dass der Große Rat seinen Beschluss widerrufen und Ailill noch während der Krönungsfeierlichkeiten sofort als neuen Hochkönig einsetzen würde.«

»Wie hätte ihnen das gelingen können?«, fragte Abt Colmán. »Der Große Rat hatte doch längst seine Entscheidung getroffen.«

»Eine Entscheidung, die vor der Amtseinsetzung jederzeit widerrufen werden kann. Wenn man Bedenken schürte hinsichtlich Sechnussachs Fähigkeit, dem Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ließe sich der Große Rat dazu bewegen, einen anderen zu wählen. Dazu brauchte man dem Großen Rat nur deutlich zu machen, dass Sechnussach jemand grundlos eines Verbrechens bezichtigte, der sein Mitbewerber um das Königsamt war. Man hätte außerdem geltend machen können, dass Sechnussach aus persönlicher Feindschaft handelte, weil er Ornaits Liebesverhältnis zu Ailill missbilligte. Ich sollte Teil dieses Plans sein, Ornaits Bruder zu verstoßen und statt seiner Ailill auf den Thron zu bringen. Aus keinem anderen Grund wurde ich nach Tara gerufen, als Ailills Unschuld und Cernachs Schuld zu beweisen. Zweifel an Sechnussachs Gerechtigkeitssinn wären ein Makel gewesen, der ihn ungeeignet erscheinen lassen würde, Hochkönig zu werden. Wie heißt es im Gesetz über die Königswahl? Sieben Bedingungen muss ein rechtmäßiger König erfüllen. Sein Urteilsvermögen muss fest gegründet und gerecht und über jeden Zweifel erhaben sein. Sobald sich erwies, dass Sechnussachs Anordnung, Ailill einzukerkern, zu Unrecht bestand, würde man Ailill, der ohnehin der tánaiste war, zum Hochkönig ausrufen und mit ihm Ornait als seine Königin.«

Sechnussach blickte finster auf seine Schwester, aus deren bitterbösen Zügen er die Wahrheit ablesen konnte. Hätten Fidelmas Darlegungen noch eines Beweises bedurft, so stand er in dem vom Hass verzerrten Gesicht des Mädchens und in der Miene Ailills, mit der er seine Niederlage eingestand.

»Und all das wurde unternommen, um sich des Throns zu bemächtigen? Aus keinem anderen Motiv als dem des Gelüsts nach Macht?«, fragte der Hochkönig ungläubig. »Sie haben das nicht getan, um die Kirche nach den Vorstellungen Roms umzugestalten?«

»Es ging ihnen nicht um Rom, es ging ihnen nur um die Macht«, pflichtete Fidelma ihm bei. »Um zu Macht zu gelangen, sind die meisten Menschen zu allem bereit.«

MORD IM TIEFSCHLAF

»Keine Frage, Bruder Fergal hat dieses Verbrechen begangen«, sagte der Brehon im Brustton der Überzeugung. »Er hat eindeutig das Mädchen ermordet.«

Der oberste Richter der Eóghanacht von Cashel war ein untersetzter Mann. In seinem runden, finsteren Gesicht verrieten klare, scharfe Augen einen hellen Kopf. Hinter dem bedächtigen, beinahe pingeligen Benehmen verbarg sich ein wacher, präziser Verstand. Er war ein Mann, der, wie es sein Beruf verlangte, das Geschehene sorgfältig betrachtete und Tatsachen gegeneinander abwägte, ehe er eine Entscheidung traf. Und er ließ sich von niemandem zum Narren halten.

Mit funkelnden grünen Augen stand Schwester Fidelma vor dem Brehon und hatte die Hände demütig gefaltet. Ihr Ordensgewand und die Haube, unter der vorwitzige rote Haarsträhnen hervorlugten, konnten ihre Jugend und Schönheit kaum verbergen. Der Brehon schätzte sie auf etwa Mitte zwanzig. An ihrer Haltung fiel ihm eine unterdrückte Erregung auf.

»Die Äbtissin hat mir versichert, dass Bruder Fergal genauso wenig fähig ist, einen Menschen zu töten, wie ein Kaninchen fliegen kann.«

Der Brehon der Eóghanacht von Cashel seufzte. Er gab sich gar nicht erst Mühe, seine Verärgerung über den Widerspruch der jungen Frau zu verhehlen.

»Trotzdem, Schwester, sind die Beweise offenkundig. Man hat Fergal in seiner Hütte gefunden, die er sich an den Hängen des Cnoc-gorm gebaut hat. Er schlief. Neben ihm lag der Leichnam von Barrdub. Man hatte das Mädchen erstochen. An Fergals Händen und auf seiner Kleidung klebte Blut. Als man ihn weckte, behauptete er, nichts von alldem zu wissen. Das ist eine sehr schwache Verteidigung.«

Schwester Fidelma neigte den Kopf, als wollte sie die Logik in der Aussage des Brehon anerkennen.

»Wie kam es dazu, dass man Barrdubs Leichnam fand?«

»Ihr Bruder Congal war in großer Sorge. Das Mädchen hatte sich in Bruder Fergal verliebt. Er ist ja auch ein hübscher junger Mann, das muss man zugeben. In jener Nacht verließ, laut Congals Aussage, seine Schwester das Haus und kehrte nicht wieder zurück. Am frühen Morgen kam Congal zu mir und bat mich, ihn zu Fergals Hütte zu begleiten, um die beiden zur Rede zu stellen. Barrdub hat das Alter der Wahl noch nicht erreicht, verstehst du, und Congal ist ihr gesetzlicher Vormund, weil sie keine anderen Verwandten mehr haben. Wir beide fanden Fergal und die Leiche des Mädchens, wie ich es beschrieben habe.«

Schwester Fidelma presste die Lippen aufeinander. Diese Beweise waren wahrhaftig belastend.

»Die Verhandlung findet morgen Mittag statt«, fuhr der Brehon fort. »Bruder Fergal muss sich vor dem Gesetz verantworten, denn über die Rechtsprechung der Brehons ist niemand erhaben, weder Priester noch Druiden.«

Schwester Fidelma lächelte schwach.

»Dank dem heiligen Patrick sind nun schon zwei Jahrhunderte verronnen, seit die Druiden die Lehren des Heilands dieser Welt angenommen haben.«

Der Brehon erwiderte ihr Lächeln.

»Und doch sagt man, dass viele, die in den Bergen oder in abgelegenen Burgen leben, noch dem alten Glauben anhängen. Dass es unzählige Menschen gibt, die sich durch die Lehre Christi nicht von der Verehrung des Dagda und der alten Götter Irlands haben abbringen lassen. Auch in unserer Gegend haben wir so einen. Erca, der Einsiedler, haust am Cnoc-gorm und schwört auf die alten Riten.«

Schwester Fidelma zuckte gleichgültig mit den Achseln.

»Ich bin nicht zum Missionieren hergekommen.«

Der Brehon musterte sie eingehend.

»Was ist dann in dieser Angelegenheit deine Rolle, Schwester? Vertrittst du die Abtei, die, wenn ich es recht verstehe, nun Bruder Fergals Familie ist? Vergiss nicht, das Gesetz fordert, dass die Familie für das Sühnegeld einstehen muss, nachdem das Gericht sein Urteil gefällt hat.«

»Ich kenne das Gesetz, Brehon der Eóghanacht«, erwiderte Schwester Fidelma. »Die Äbtissin hat mich in meiner Eigenschaft als dálaigh hierhergeschickt. Ich soll als Anwältin Bruder Fergal vor Gericht vertreten.«

Der Brehon zog leicht überrascht eine Augenbraue hoch. Als die junge Frau zu ihm gekommen war, hatte er sie einfach für ein Mitglied von Bruder Fergals Gemeinschaft gehalten. Er glaubte, man hätte sie geschickt, weil man herausfinden wollte, warum man ihn verhaftet und des Mordes angeklagt hatte.

»Das Gesetz verlangt von allen Anwälten die entsprechende Qualifikation, damit sie eine Sache vor dem Dál vertreten können.«