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Von dort treibt es Fidelma, wie bereits erwähnt, nach Whitby zur Teilnahme an der Synode. Von Whitby reist sie gemeinsam mit anderen, darunter auch Bruder Eadulf, nach Rom. Im Herbst des gleichen Jahres findet man den neu ernannten Erzbischof von Canterbury ermordet im päpstlichen Palast – eine wahre historische Begebenheit, Grund genug für Fidelma und Eadulf, sich des Falles in Ein Totenhemd für den Erzbischof (1995) anzunehmen. Auch die Kurzgeschichte Gift im Abendmahlskelch spielt in Rom und in der gleichen Zeit, doch ist Eadulf hier keine Rolle zugedacht. Fidelma und Eadulf trennen sich in Rom; sie kehrt nach Hause zurück, während Eadulf die Aufgabe zufällt, den neuen Erzbischof von Canterbury, Theodor von Tarsus, zu unterweisen, ehe er ihn nach England zur Aufnahme seiner Pflichten begleitet. Fidelmas Heimreise führt über die Abtei von Nivelles, einer irischen Gründung im Seneffe-Wald im heutigen Belgien, wo Heiliges Blut angesiedelt ist.

Das Jahr 665 sieht Fidelma wieder in Irland. Sie geht nach Tara, dem Handlungsort von Angstschrei aus der Gruft, und weiter nach Kildare, wo sie in Schmählicher Tod eines Pferdes mysteriöse Vorfälle um ein Pferderennen aufdeckt. Sehr glücklich fühlt sie sich in Kildare nicht, und als ihr Bruder Colgú sie bittet, nach Cashel zurückzukehren, wo man dringend ihrer Hilfe bedürfe, tut sie das mit Freuden.

Wir sind noch immer im Jahr 665, und Cathal Cú Cen Máthair, der König von Cashel und Fidelmas Vetter, liegt im Sterben. Fidelma entspricht seiner letzten Bitte und lässt sich in Tod im Skriptorium in ein grauenhaftes Abenteuer in einem entlegenen irischen Kloster ein. Am Ende der Geschichte ist König Cathal tot, und neuer König von Munster wird der rechtmäßige Thronnachfolger, Fidelmas Bruder Colgú. Chroniken zufolge regierte Colgú von 665 bis 678 und war ein viel gerühmter König von Munster.

Im dann folgenden Buch Die Tote im Klosterbrunnen (1996) kommt es unter außergewöhnlichen Umständen zu einer Wiederbegegnung von Fidelma und Eadulf – im tiefen Winter in einem abgelegenen Kloster im südwestlichen Irland. Die nicht alltäglichen Ereignisse erreichen ihren Höhepunkt im Januar des Jahres 666. Von da an bleiben Fidelma und Eadulf zusammen, und ihr Zuhause wird Cashel, der Königssitz von Munster. In Der Tote am Steinkreuz (1997), Tod im Tal der Heiden (1998) und Tod in der Königsburg (1999) agieren sie mit vereinten Kräften. Nur ab und an bleibt Fidelma ohne Eadulfs Beistand, so in den Kurzgeschichten Gift im Versöhnungstrunk und Die sich an uns versündigen.

Der Zeitabschnitt, in dem wir uns bewegen, wird fälschlicherweise »das finstere Mittelalter« genannt. Für Irland war es das »Zeitalter der goldenen Aufklärung«, als Recht und Ordnung, Gelehrsamkeit und Schrifttum in einer der bemerkenswertesten Zivilisationen Europas ihre Blütezeit hatten. Es war eine Zeit, da Missionare aus Irland, allein oder auch in Scharen, loszogen und ihr Wissen in alle Himmelsrichtungen trugen, bis nach Kiew in der Ukraine, nach Island und den Färöern, nach Spanien und über die Alpen nach Italien, selbst bis nach Taranto, wo ein irischer Mönch namens Cathal der heilige Cataldus wurde und damit der Schutzheilige der Stadt. Es war eine Zeit großartiger künstlerischer Leistungen, der Schaffung reich verzierter Evangeliare, erstaunlich schöner Gold- und Silberarbeiten, wunderbarer Reliquiare, eine Zeit der Buchschreine, Kelche und Kreuze; eine Blütezeit der Literatur, nicht zu vergessen die Leistungen eines Rechtswesens und einer sozialen Ordnung, die in vieler Hinsicht bezüglich ihrer Philosphie und Herangehensweise unseren heutigen Auffassungen nicht nachstehen.

Aber – und es wird bei allem Positiven immer ein Aber geben – was die rein menschlichen Dinge angeht, so war es ein Zeitalter mit allen Tugenden und Lastern, die Menschen nun einmal eigen sind, mit Tugenden und Lastern, wie wir sie auch heute sehen und verstehen. Die Tatmotive für Verbrechen sind über die Jahrhunderte die gleichen geblieben. Im Irland des siebenten Jahrhunderts brauchte es einen geschärften Blick und einen analytischen Verstand genauso gut wie eine rein menschliche Sicht auf die Dinge und entsprechende Auslegung des Gesetzes; Fidelma formulierte es einmal so: »Es gibt Fälle, da bei aller Liebe zum Gesetz der Gerechtigkeit der Vorrang gebührt.« Begleiten wir also unsere gute Schwester in eine Welt, deren Verhältnisse uns fremd erscheinen mögen, in der wir aber Angst, Missgunst, Liebe und Hass erkennen – menschliche Schwächen und Leidenschaften, wie es sie zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsformationen gegeben hat und auch noch heute gibt.

Peter Tremayne

SCHIERLING ZUR VESPER

Die Glocke, die zum Sechs-Uhr-Gebet rief, war längst verklungen, als Fidelma am Tor des in der Abenddämmerung liegenden grauen Klosters anlangte. Sie war spät dran. Die Andacht war vorüber, und die Schwestern hatten sich bereits in den Speisesaal zum abendlichen Mahl begeben. Fidelma klopfte flüchtig den Reisestaub von der Kleidung, eilte zum Refektorium und huschte in demütiger Haltung mit gesenktem Kopf und in den Falten des Habits verschränkten Armen an ihren Platz.

Einem aufmerksamen Beobachter wäre aufgefallen, dass die Kopfhaltung das einzige Anzeichen von Demut an ihrer äußeren Erscheinung war. Selbst die Schwesterntracht konnte die schlanke, wohlgefällige Figur nicht verbergen; der Gang verriet Lebensfreude und Tatendrang, weniger Ergebenheit und in sich gekehrte Würde, wie man es von Nonnen kannte. Widerspenstige rote Haarsträhnen, die sich unter dem Schleier hervordrängten, unterstrichen den Eindruck; sie passten gut zu dem blassen, jugendlich frischen Gesicht und den leuchtend grünen Augen, die fröhlich in die Welt schauten.

Qualmende Öllampen gaben dem Saal Licht; ihr stechender Geruch vermischte sich mit dem von brennendem Torf, denn an der Stirnseite des Raumes schwelte ein Feuer. Beides, Lampen und Herdstelle, sorgten für etwas Wärme an dem kalten Vorfrühlingsabend.

Die Äbtissin hatte bereits zum Gratias angehoben, als Schwester Fidelma ihrem Platz am Ende eines der langen Tische zustrebte, wo sie etwas atemlos und in ungebührlicher Hast das Knie beugte. Teils empörte, teils amüsierte Blicke der Mitschwestern begleiteten sie.

»Benedic nobis, Domine Deus, et omnibus donis Tuis, quae ex larga liberalitate Tua sumpturi sumus per …«

Einem plötzlichen Schmerzensschrei folgten Sekunden erschrockenen Schweigens. Sie vernahmen den Aufschrei ein zweites Mal, ein unbeherrschtes Stöhnen aus männlicher Kehle, dann den dumpfen Aufprall eines menschlichen Körpers und das Geräusch splitternden Geschirrs. Schwester Fidelma war nicht die Einzige, die ob der unerwarteten Ruhestörung den Kopf hob; erregtes Geflüster ging durch den Saal.

Alle Blicke wanderten zu dem Tisch, der für die Gäste des Hauses der heiligen Brigid in Kildare vorgesehen war und an dem sichtliche Aufregung herrschte. Eine Schwester eilte zu dem auf einem Podest stehenden Tisch, von dem aus man die im Saal Versammelten im Auge haben konnte und wo die Äbtissin und die anderen führenden Mitglieder des Hauses hinter ihren Plätzen standen.