Выбрать главу

»Nein. Er wurde vor einer Woche von einem Kaufmann aus Gallien erworben.«

»Hat Nechtan von dem gleichen Wein getrunken, der seinen Gästen serviert wurde?«

»Ja. Alle haben den gleichen Wein getrunken.«

»Auch aus dem gleichen Krug?«

»Ja. Allen wurde Wein aus ein und demselben Krug eingeschenkt. Als Letztem schenkte ich Nechtan aus dem Krug nach, und als ich seinen Becher gefüllt hatte, merkte ich, dass der Krug fast leer war. Ich fragte Nechtan, ob ich ihn auffüllen sollte, aber er schickte mich weg.«

»Das stimmt, Fidelma«, ließ sich Marbán vernehmen, »wir alle haben zugeschaut.«

»Nechtan war aber nicht der Letzte, der Wein aus dem Krug getrunken hat«, erwiderte Fidelma, »das war Cuill.«

Daolgar entfuhr ein kurzer Aufschrei, mit einem Redeschwall fiel er über Cuill her.

»Fidelma hat recht. Ciar hat Nechtans Becher nachgefüllt und den Raum verlassen. Und während Nechtan mit Dathó sprach, bist du aufgestanden, um Nechtan herumgegangen und hast dir aus dem Krug nachgeschenkt. Unser aller Aufmerksamkeit war bei dem, was Nechtan zu sagen hatte. Niemand wäre es aufgefallen, wenn du die Giftkristalle in Nechtans Becher hättest gleiten lassen. Du hattest nicht nur ein Tatmotiv, sondern auch Mittel und Möglichkeit.«

»Das ist eine Lüge!«, rief Cuill erregt.

Doch Marbán ergänzte eifrig Daolgars Worte.

»Wir haben gehört, dass das Gift von Künstlern auch als Farbstoff benutzt wird. Ist Cuill ein Künstler oder nicht? Außerdem hasste er Nechtan, weil der ihm seine Frau abspenstig gemacht hatte. Das erklärt doch alles.«

»Die Beweisführung ist nicht ganz stichhaltig«, griff Fidelma ein.

»Nämlich?«, wollte Dathó wissen.

»Als Nechtan seine merkwürdige Rede hielt, in der er um Entschuldigung bat, habe ich ihn sehr genau beobachtet. Dabei habe ich durchaus mitbekommen, dass Cuill hinter ihm vorbeiging, ohne sich im Geringsten an Nechtans Becher zu schaffen zu machen. Er hat sich lediglich den restlichen Wein aus dem Krug eingegossen, den er dann auch trank, und hat damit ganz nebenbei den Beweis erbracht, dass sich das Gift in Nechtans Becher und nicht im Wein befand.«

Misstrauisch sah Marbán sie an; er schien nicht überzeugt.

»Reich mir den Krug und einen neuen Becher«, verlangte sie.

Es geschah. Sie goss sich den Bodensatz aus dem Krug in den Becher, betrachtete ihn prüfend, stippte den Finger hinein und leckte ihn vorsichtig ab. Selbstgefällig lächelte sie in die Runde.

»Ich habe es ja gesagt, der Wein ist nicht vergiftet«, wiederholte sie. »Das Gift war in dem Becher.«

»Wie aber ist es da hineingekommen?«, rätselte Gerróc.

Fidelma wandte sich dem Bediensteten zu. »Ich glaube, wir brauchen dich nicht weiter, Ciar. Du kannst gehen, aber warte bitte draußen. Es könnte sein, dass wir dich später noch einmal rufen. Von dem, was du hier gesehen und gehört hast, bitte zu keinem ein Wort. Verstanden?«

»Ja, Schwester.« Er zögerte. »Aber wie soll ich mich gegenüber Brehon Olcán verhalten? Er ist vorhin gerade angekommen. Soll ich auch ihm nichts sagen?«

»Wer ist dieser Richter?«, fragte Fidelma stirnrunzelnd.

»Olcán ist ein Freund von Nechtan, ein hoher Richter in unserem Stamm«, erklärte ihr Marbán. »Sollten wir ihn nicht hinzuziehen? Schließlich hat er das Recht, die Angelegenheit hier mit zu beurteilen.«

»War er für heute Abend eingeladen?« Sie stellte die Frage mit zusammengekniffenen Augen.

»Erst, als das Mahl schon begonnen hatte«, lautete die Auskunft, und sie kam von Ciar. »Nechtan beauftragte mich, einen Boten zu Olcán zu schicken. Der sollte den Richter bitten, herzukommen.«

Fidelma überlegte rasch. »Er soll draußen warten. Über das, was hier geschehen ist, darf er nicht eher etwas erfahren, als bis ich es sage.«

Ciar ging, und sie widmete sich wieder den ausharrenden Gästen.

»Wir sind uns jetzt also darüber im Klaren, dass das Gift nicht im Wein, sondern im Becher war. Damit engt sich der Kreis der Täter ein.«

»Was willst du damit sagen?«, drängte Daolgar von Sliabh Luachra.

»Nicht mehr und nicht weniger, als dass das Gift in den Becher geraten sein muss, nachdem Nechtan den ersten Becher geleert und Ciar ihm nachgeschenkt hatte. Das Gift ist erst in den wieder aufgefüllten Becher gelangt.«

Daolgar lachte höhnisch los. »Dann habe ich die Lösung. Es gibt nur zwei aus dieser Runde, die das Gift in Nechtans Becher hätten tun können.«

»Dann nenne sie«, forderte Fidelma ihn auf.

»Entweder Marbán oder Gerróc. Sie haben links und rechts von Nechtan gesessen. Leichte Sache, Gift in einen Becher zu tun, der dicht vor einem steht, während wir anderen gebannt auf Nechtan blickten und lauschten, was er sagte.«

Marbán war rot vor Empörung geworden, aber der alte Arzt schien am meisten betroffen. »Ich kann beweisen, dass ich es nicht war«, erklärte er mit erstickter Stimme.

»Du kannst es beweisen?«, fragte Fidelma verwundert.

»Ja, ja. Du hast gesagt, wir alle hätten Gründe gehabt, ihn zu hassen, und das heißt, dass wir ihn alle lieber tot als lebendig gesehen hätten. Damit hätte auch jeder von uns ein Tatmotiv gehabt.«

»Richtig.«

»Ich als Einziger von euch allen habe gewusst, dass es sich erübrigte, Nechtan umzubringen.«

Fidelma brauchte eine Weile, ehe sie die nächste Frage stellte. »Inwiefern erübrigte es sich, Gerróc?«

»Weshalb sollte man einen Menschen töten, der so gut wie im Sterben lag?«

Lautstarkes Erstaunen ging durch den Raum. Erst, als es abebbte, konnte Fidelma nachhaken: »Der so gut wie im Sterben lag?«

»Ich war Nechtans Arzt. Es ist wahr, ich habe ihn gehasst. Er hat mich um meinen Lohn gebracht, aber als Arzt habe ich hier trotzdem mein Auskommen gehabt. Ich habe mich nicht beklagt. Meine Jahre sind gezählt. Ich war nicht gewillt, meine Sicherheit aufs Spiel zu setzen, indem ich meinen Stammesfürsten sträflicher Handlungen bezichtigte. Es ist einen Monat her, da packten Nechtan grässliche Kopfschmerzen. Ein- oder zweimal waren sie so arg, dass ich ihn ans Bett fesseln musste. Ich untersuchte ihn und entdeckte eine Schwellung am Hinterkopf. Es war ein bösartiges Gewächs, schon innerhalb einer Woche war es viel größer geworden. Wenn ihr mir nicht glaubt, könnt ihr euch selbst davon überzeugen. Die Geschwulst ist hinter dem linken Ohr, leicht zu erkennen.«

Fidelma beugte sich über den Stammesfürsten und besah sich widerwillig die Schwellung hinter dem Ohr.

»Die Schwellung ist unverkennbar«, bestätigte sie.

Marbán versuchte, den alten Arzt zu einer logischen Schlussfolgerung zu bewegen. »Worauf willst du hinaus, Gerróc?«

»Vor wenigen Tagen musste ich Nechtan eröffnen, dass er vermutlich den nächsten Neumond nicht mehr erleben würde. Sein Tod war unvermeidlich. Das Gewächs vergrößerte sich und verursachte ihm zunehmende Pein. Ich wusste, seine Tage waren gezählt. Warum also hätte ich ihn ermorden sollen? Gott hatte bereits befunden, wann und wie ihn der Tod ereilen würde.«

Nahezu bösartig frohlockte Daolgar: »Dann bleibst nur noch du, tánaiste der Múscraige. Dass dein Stammesfürst dem Tod nahe war, konntest du nicht wissen, und du hattest sowohl ein Tatmotiv als auch die Gelegenheit.«

Marbán war aufgesprungen; die Hand griff an den Gürtel, wo sonst sein Schwert hing. Aber er befand sich in einer Festhalle, und das Gesetz verlangte, bei einem Festmahl durften keine Waffen getragen werden.

»Für diese Anschuldigung wirst du dich rechtfertigen müssen, Stammesfürst der Sliabh Luachra!«, donnerte er.

Cuill hingegen unterstützte Daolgars Gedankengang.

»Du warst mit deinem neuen Reichtum als Stammesfürst etwas zu schnell zur Hand, den Ehrenpreis zu zahlen, wenn sich einer von uns als Täter stellt. Damit hättest du dir ein Problem vom Halse geschafft. Ohne Fehl und Tadel wärst du aus der Sache hervorgegangen. Man hätte dich als Stammesfürst bestätigt. Sollte man dich jedoch für schuldig befinden, Nechtan getötet zu haben, wirst du sofort jedweden Amtes enthoben. Kein Wunder, dass du so eilfertig mir die Schuld zuschieben wolltest.«