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Pater Febal runzelte die Stirn. Mit verengten Augen studierte er ihre Gesichtszüge, als suche er nach irgendeiner versteckten Botschaft. Doch Fidelmas Gesicht blieb eine Maske ungerührter Aufrichtigkeit. Er presste verärgert die Lippen zusammen.

»Dann kannst du zum Abt zurückkehren und ihm berichten, dass es keinen Grund zur Beunruhigung für ihn gibt.«

Fidelma lächelte. In der Haltung ihrer Schultern deutete sich ein Achselzucken an.

»Der Abt nimmt seine Stellung als Vater seiner Herde sehr ernst. Er wird mehr über dieses Unglück wissen wollen, bevor er überzeugt ist, dass er sich nicht beunruhigen muss. Da die Angelegenheit für dich so klar ist, kannst du sie mir vielleicht erklären?«

Pater Febal blickte die Nonne an. Zum ersten Mal bemerkte er einen Unterton kalter Entschlossenheit in ihrer sanften Stimme.

Er war sich bewusst, dass Fidelma nicht nur eine einfache Nonne war, sondern eine anerkannte Anwältin an den Gerichtshöfen der Brehons der fünf Königreiche. Er wusste außerdem, dass sie die jüngere Schwester des Königs Colgú von Cashel selbst war. Anderenfalls hätte er der jungen Frau vielleicht schroffer geantwortet. Er zögerte einige Augenblicke und zuckte dann gleichgültig mit den Schultern.

»Die Tatsachen liegen deutlich zutage. Mein Gehilfe, Pater Ibor, ein junger und arbeitsscheuer Mann, verschwand vorgestern. Ich wusste schon seit einiger Zeit, dass ihm etwas Sorgen bereitete, etwas, das ihn von seinen priesterlichen Pflichten ablenkte. Ich habe versucht, mit ihm darüber zu sprechen, aber er hat sich geweigert, sich von mir leiten zu lassen. Ich kam an diesem Morgen in die Kirche und sah, dass unser goldenes Altarkruzifix und der silberne Kelch, mit dem wir beim Abendmahl den Wein ausgeben, verschwunden waren. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass auch Pater Ibor aus unserer kleinen Gemeinde verschwunden war, bedurfte es keines besonderen Spürsinns, um die beiden Ereignisse miteinander in Verbindung zu bringen. Er hatte offensichtlich die heiligen Gegenstände gestohlen und war geflohen.«

Schwester Fidelma nickte langsam.

»Nachdem du zu diesem Schluss gekommen warst, was hast du als Nächstes getan?«

»Ich habe sofort die Suche nach Pater Ibor organisiert. Unserer kleinen Kirche hier dienen Bruder Finnlug und Bruder Adag. Sie habe ich um Hilfe gebeten. Bevor Bruder Finnlug in den Orden eingetreten ist, war er oberster Jäger des Lords von Maine, ein hervorragender Fährtensucher und Jäger. Wir nahmen Ibors Spur auf und folgten ihr in die nah gelegenen Wälder. Wir waren noch nicht weit in den Wald vorgedrungen, als wir seine Leiche fanden. Er hing am Ast eines Baumes, die Kordel seiner Kutte als Schlinge um den Hals.«

Schwester Fidelma war nachdenklich geworden.

»Und wie hast du das gedeutet?«, fragte sie leise.

Pater Febal war verwirrt.

»Wie hätte ich es schon deuten sollen?«, wollte er wissen.

Fidelmas Miene veränderte sich nicht.

»Du hast mir gesagt, du glaubtest, dass Pater Ibor das Kruzifix und den Kelch gestohlen und sich davongemacht hätte.«

»Das ist wahr.«

»Dann sagtest du, dass ihr ihn, an einem Baum hängend, gefunden habt.«

»Wieder richtig.«

»Nachdem er die wertvollen Gegenstände gestohlen hatte und davongelaufen war, weshalb sollte er sich erhängen? Diese Vorgehensweise erscheint mir etwas unlogisch.«

Pater Febal versuchte nicht einmal, sein höhnisches Lächeln zu verbergen.

»Das sollte für dich ebenso offensichtlich sein wie für mich.«

»Ich würde gerne hören, was du gedacht hast.« Fidelma ließ sich von seinem verächtlichen Tonfall nicht provozieren.

Pater Febal lächelte dünn.

»Nun, Pater Ibor wurde von Reue überwältigt. Da er wusste, dass wir ihn stellen würden, und erkannte, wie abscheulich sein Verbrechen gegen die Kirche war, gab er sich der Verzweiflung hin und vollstreckte seine eigene Strafe. Er erhängte sich. Seine Furcht, wir könnten ihn noch lebend vorfinden, war so groß, dass er sich auch noch selbst mit dem Messer ins Herz stach, während er schon in der Schlinge erstickte.«

»Das muss heftig geblutet haben. War viel Blut auf der Erde?«

»Soweit ich mich erinnere, nicht.« In der Stimme des Priesters schwang Widerwillen mit, so als meinte er, die Nonne sei über Gebühr an den blutigen Einzelheiten interessiert. »Wie auch immer, das Messer war ihm aus der Hand geglitten und lag auf der Erde unter der Leiche.«

Fidelma sagte lange Zeit nichts. Sie sah den Priester weiterhin nachdenklich an. Pater Febal starrte trotzig zurück und wandte dann als Erster den Blick ab.

»War Pater Ibor ein so schwacher junger Mann?«, überlegte Fidelma leise.

»Natürlich. Was sonst außer Schwäche sollte ihn so handeln lassen?«, fragte der Priester.

»So? Ihr habt also sowohl das Kruzifix als auch den Kelch bei ihm wiedergefunden?«

Pater Febal zögerte einen Moment lang. Er machte mit einer Hand eine verneinende Geste.

Fidelmas Augen weiteten sich, und sie beugte sich vor.

»Soll das heißen, ihr habt die vermissten Gegenstände nicht wiedergefunden?« fragte sie scharf.

»Nein«, gab der Priester zu.

»Dann ist die Angelegenheit überhaupt nicht klar«, stellte sie grimmig fest. »Bestimmt erwartest du nicht vom Abt, dass er beruhigt ist, wenn diese Gegenstände nicht wiedergefunden wurden. Wie kannst du so sicher sein, dass Pater Ibor sie gestohlen hat?«

Fidelma hoffte auf eine Erklärung, doch es kam keine.

»Dann solltest du mir vielleicht besser sagen, wie du zu der Annahme gelangst, die Angelegenheit sei klar!« Ihr Tonfall war schneidend. »Wenn ich dem Abt erläutern soll, warum sie klar ist, muss ich mir auch selbst darüber im Klaren sein. Wenn Pater Ibor dachte, man würde ihn auf jeden Fall ergreifen und er sich deshalb selbst zum Tode verurteilte, was tat er dann mit den Gegenständen, die er gestohlen hatte?«

»Es gibt eine logische Antwort«, murmelte Pater Febal ohne Überzeugung.

»Welche?«

»Nachdem er sich erhängt hatte, kam zufällig irgendein streunender Dieb vorbei und nahm sie an sich, bevor wir eintrafen.«

»Und dafür gibt es einen Beweis?«

Der Priester schüttelte widerwillig den Kopf.

»Du vermutest das also nur?« In Fidelmas Stimme war nun ein Hauch von Spott.

»Welche andere Erklärung gibt es?«, wollte Pater Febal verärgert wissen.

Fidelma sah ihn voller Verachtung an.

»Willst du, dass ich dies dem Abt berichte und ihm sage, dass er sich nicht zu sorgen braucht? Dass ein wertvolles Kruzifix und ein Kelch aus einer seiner Kirchen gestohlen wurden und ein Priester erhängt aufgefunden wurde, aber es keinen Grund zur Sorge gibt?«

Pater Febals Miene verfinsterte sich.

»Ich bin überzeugt, dass Pater Ibor die Gegenstände gestohlen und sich in einem Anflug von Reue das Leben genommen hat. Ich bin überzeugt, dass jemand die Gegenstände gestohlen hat, nachdem Ibor Selbstmord begangen hatte.«

»Aber ich bin es nicht«, antwortete Fidelma beißend. »Schicke Bruder Finnlug zu mir.«

Pater Febal war bei ihrem befehlenden Tonfall automatisch aufgestanden. Nun zögerte er in der Tür der Sakristei.

»Ich bin es nicht gewohnt …«, begann er.

»Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich warten lässt.« Fidelmas Stimme war eisig, als sie ihn unterbrach. Sie wandte den Kopf ab und entließ ihn so. Pater Febal blinzelte und schlug dann wütend die Tür hinter sich zu.

Bruder Finnlug war ein drahtig aussehender Mann; sein sehniger Körper, gebräunt von Sonne und Wind, zeugte davon, dass er jemand war, der es eher gewohnt war, bei jedem Wetter im Freien zu sein, als in den Kreuzgängen einer Abtei Schutz zu suchen. Fidelma begrüßte ihn, als er die Sakristei betrat.

»Ich bin Fidelma von …«

Bruder Finnlug unterbrach sie mit einem schnellen, freundlichen Lächeln und sagte: »Ich weiß sehr gut, wer du bist, Lady. Ich habe dich und deinen Bruder, König Colgú, viele Male während der Jagdgesellschaften meines Herrn, des Lords von Maine, gesehen.«