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Bruder Finnlug holte scharf Luft.

»Du kanntest sie also, Bruder Finnlug?« Fidelma wandte ihm fragend den Kopf zu.

»Wir alle kannten sie«, antwortete Pater Febal kurz.

»Wer war sie?«

»Ein junges Mädchen, das nicht weit von unserer Gemeinde entfernt im Wald lebte. Sie war Näherin. Sie nähte unsere Kleidung und wusch sie für uns.«

»Wo wurde sie gefunden, und wie wurde sie als die Diebin erkannt?«

»Ihre Hütte steht nicht weit von der Stelle, an der wir Pater Ibor entdeckten«, erklärte der Priester. »Wie Bruder Adag mir sagte, hatte sie Kleidungsstücke von der Gemeinde abgeholt, und als sie heute Morgen nicht, wie abgesprochen, mit ihnen zurückkehrte, ging Bruder Adag zu ihrer Hütte und fand sie …«

Fidelma hob eine Hand und gebot ihm zu schweigen.

»Schicke Bruder Adag herein, damit er mir die Geschichte mit seinen eigenen Worten erzählen kann. Es gebührt sich, dass ich diese Sache aus erster Hand höre. Du und Bruder Finnlug, ihr könnt draußen warten.«

Pater Febal wirkte unangenehm berührt.

»Ich denke, ich sollte dich besser warnen, Schwester.«

»Warnen?« Fidelma hob schnell den Kopf und starrte den Priester an.

»Bruder Adag ist von etwas einfacher Natur. In vielerlei Hinsicht ist sein Geist nicht zu dem eines Erwachsenen gereift. In unserer Gemeinde ist es seine Aufgabe, einfache körperliche Arbeiten zu verrichten. Er … wie soll ich es erklären? … Er hat den Geist eines Kindes.«

»Es könnte erfrischend sein, mit jemandem zu sprechen, der ein Kind geblieben ist und nicht das gekünstelte Benehmen eines Erwachsenen entwickelt hat«, meinte Fidelma mit dünnem Lächeln. »Bring ihn her.«

Bruder Adag war ein gutaussehender junger Mann, aber offensichtlich einer, der es gewohnt war, Befehle entgegenzunehmen anstatt selbst zu denken. Seine Augen waren rund, und in ihnen schien ein Ausdruck von ewiger Unschuld, von harmloser Naivität zu liegen. Seine Hände waren schwielig und zeigten, dass er auch ein Mann war, der an körperliche Arbeit gewöhnt war.

»Mir wurde gesagt, du hättest die Leiche von Téite in ihrer Hütte gefunden?«

Bruder Adag zog die Brauen zusammen, als dächte er ernsthaft über ihre Frage nach, bevor er antwortete: »Ja, Schwester. Als sie am Mittag nicht mit den Kleidern, die sie gestern mitgenommen hatte und heute wiederbringen wollte, hier ankam, schickte mich Pater Febal, um sie zu holen. Ich ging zu ihrer Hütte, und sie lag ausgestreckt auf dem Fußboden. An ihrer Kleidung war Blut. Es war mehrmals auf sie eingestochen worden.«

»Ach? Pater Febal hat dich also zu ihrer Hütte geschickt?«

Der Junge nickte langsam.

»Wie alt war Téite? Kanntest du sie?«

»Jeder kannte sie, Schwester. Sie war achtzehn Jahre und drei Monate alt.«

»Du bist sehr genau.« Fidelma lächelte über seine sorgfältige Ausdrucksweise. Er schien über jedes Wort nachzudenken, bevor er es aussprach.

»Téite hat mir ihr Alter gesagt, und weil du danach gefragt hast, habe ich es dir gesagt.«

»War sie hübsch?«

Der Junge errötete ein wenig. Er schlug die Augen nieder.

»Sehr hübsch, Schwester.«

»Du mochtest sie?«, bohrte Fidelma nach.

Der junge Mann schien verstört. »Nein, nein, ich mochte sie nicht«, protestierte er. Sein Gesicht war hochrot.

»Warum denn nicht?«

»Das ist die Regel des Paters.«

»Pater Febals Regel?«

Bruder Adag ließ den Kopf hängen und antwortete nicht.

»Regel oder nicht; du mochtest sie trotzdem. Du kannst es mir ruhig sagen.«

»Sie war nett zu mir. Sie hat sich nicht über mich lustig gemacht wie die anderen.«

»Was hat dich denn davon überzeugt, dass sie das Kruzifix und den Kelch von Pater Ibor gestohlen hat?«

»Der Kelch lag doch neben ihr in der Hütte.«

Fidelma verbarg ihre Überraschung.

»Nur der Kelch?« Sie schluckte schwer. »Warum sollte jemand in ihre Hütte einbrechen, sie töten und einen so wertvollen Gegenstand neben ihrer Leiche zurücklassen?«

Bruder Adag verstand offensichtlich nicht, worauf sie hinauswollte. Er schwieg.

»Was hast du getan, nachdem du die Leiche gefunden hattest?«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort.

»Also, ich kam hierher, um es Pater Febal zu sagen.«

»Und den Kelch hast du dagelassen?«

Bruder Adag rümpfte abschätzig die Nase.

»Ich bin doch nicht blöd. Nein, ich habe ihn mitgebracht. Pater Febal hat die letzten zwei Tage lang danach gesucht. Ich habe ihn Pater Febal zurückgebracht. Ich habe sogar nach dem Kruzifix gesucht, aber ich konnte es dort nicht finden.«

»Das ist alles, Adag. Schicke Pater Febal zu mir herein«, wies Fidelma den Jungen an.

Schon im nächsten Moment trat der Priester ein und setzte sich, ohne auf eine Aufforderung zu warten, Fidelma gegenüber.

»Eine traurige Geschichte«, murmelte er. »Aber zumindest sollte die Angelegenheit nun zu deiner Zufriedenheit aufgeklärt sein. Du kannst zurückkehren und dem Abt berichten.«

»Wie gut kanntest du Téite?«, fragte Fidelma, ohne auf seine Äußerung einzugehen.

Pater Febal zog einen Augenblick lang die Brauen hoch und seufzte dann.

»Ich habe sie gekannt, seit sie ein kleines Mädchen war. Ich habe ihrer Mutter die Sterbesakramente erteilt. Téite hatte damals kaum das Alter der Wahl erreicht. Sie war jedoch geschickt mit der Nadel und daher gut in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Meines Wissens nach hat sie seit ungefähr vier Jahren dort im Wald gelebt und oft Kleider für die Gemeinde geflickt oder angefertigt.«

»Kannte Pater Ibor sie?«

Febal zögerte und machte dann eine wegwerfende Geste.

»Er war ein junger Mann. Junge Männer fühlen sich oft zu jungen Frauen hingezogen.«

Fidelma sah den Priester neugierig an.

»Pater Ibor fühlte sich also zu dem Mädchen hingezogen?«, fragte sie betont.

»Er war öfter mit ihr zusammen, als es mir angebracht erschien. Es war ein Anlass für mich, ihn zurechtzuweisen.«

»Ihn zurechtweisen? Das klingt ernst.«

»Ich war der Meinung, dass er seine Pflichten vernachlässigte, um mit dem Mädchen zusammen zu sein.«

»Heißt das, Pater Ibor hatte eine Beziehung mit diesem Mädchen?«

»Ich kann so etwas nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass sie in den letzten paar Wochen oft zusammen waren, eigentlich waren sie das, seit er in unserer kleinen Gemeinde ist. Ich war der Ansicht, dass er seine Pflichten seiner Gemeinde gegenüber missachtete. Das ist alles.«

»Hat er dir deine Ermahnung übelgenommen?«

»Ich habe wirklich keine Ahnung, ob er mir meinen Tadel übelgenommen hat oder nicht. Das war nicht mein Problem. Mir ging es darum, ihm bewusst zu machen, was in dieser Gemeinde von ihm erwartet wurde.«

»Du hattest mit ihm keinen Streit darüber?«

»Streit? Ich bin … Ich war sein Vorgesetzter, und als ich ihm meine Sorge mitgeteilt hatte, hätte dies die Sache beenden sollen.«

»Offensichtlich hat es sie nicht beendet«, bemerkte Fidelma.

Pater Febal warf ihr einen ärgerlichen Blick zu.

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, dass die Sache nicht beendet war«, stellte Fidelma kalt fest. »Oder legst du diese Ereignisse anders aus?«

Pater Febal zögerte.

»Du hast recht. Du deutest an, die beiden hätten sich verschworen, das Kruzifix und den Kelch aus der Kirche zu stehlen. Nachdem Pater Ibor das getan hatte, wurde er von Reue überwältigt und brachte sich um …« Die Augen des Priesters weiteten sich plötzlich. »Nachdem er zuvor das Mädchen getötet hatte«, fügte er hinzu.

Fidelma strich sich nachdenklich mit dem Zeigefinger über die Nase.

»Das ist eine Erklärung«, gab sie zu. »Aber keine, die ich für besonders gut halte.«