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Er half Kiina, in den Sattel zu steigen, und sie war erschöpft genug, seine ausgestreckte Hand zu ergreifen. Skar konnte ihr Gesicht in der herrschenden Dunkelheit nicht erkennen, aber er ersparte sich die Frage, wie sie sich fühlte; ihr schneller, flacher Atem und die müde, weit über den Hals des Pferdes nach vorne gebeugte Haltung, in der ihr Schatten im Sattel saß, erzählte ihm genug über Kiinas Zustand. Der Rückweg war anstrengend gewesen, selbst für ihn, und es war genau das geschehen, was er nicht nur erwartet, sondern Kiina sogar prophezeit hatte: Sie hatte ihre Kräfte überschätzt und nicht einmal versucht, sie einzuteilen. Die letzten zwei-, dreihundert Meter auf dem Wege nach oben war sie mehr gekrochen als gegangen.

Er band die beiden Pferde los, schwang sich auf den Rücken seines eigenen Reittieres und wischte sich mit einer beiläufigen Bewegung den Regen aus dem Gesicht, während sein Blick die Nacht im Westen absuchte. Die Wolkendecke war so dicht, daß er selbst das Meer nur hörte und roch, nicht sah. Sie würden aufpassen müssen, der Steilküste nicht zu nahe zu kommen. Elay lag zwar nur fünfzig Schritte vom Meer entfernt, dafür aber fünfhundert Fuß über ihm. Seufzend griff er nach Kiinas Zügel, knotete sie auf und hielt die Lederriemen lose in der linken Hand, während er mit der anderen sein eigenes Tier lenkte. Kiina ließ es widerspruchslos geschehen, als wäre sie niemals das trotzige Kind gewesen, als das er sie in den letzten drei Wochen kennen und gleichermaßen lieben wie hassen gelernt hatte. Vielleicht würde sie es nie mehr sein, nach dem, was sie in der Höhle der Drachen erlebt hatte.

Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte all seine Sinne darauf, den Weg vor ihnen zu beobachten. Er konnte wenige Schritte weit sehen, nicht besonders gut, und wirklich nicht weit, aber weit genug, um nicht Gefahr zu laufen, sich unversehens auf der falschen Seite der Steilküste wiederzufinden und herauszufinden, wie lange ein Pferd samt Reiter brauchte, um fünfhundert Fuß weit in die Tiefe zu stürzen. Trotzdem fühlte er sich nicht sicher. Der Gedanke, in fast völliger Finsternis zu den wartenden Quorrl zurückreiten zu müssen, behagte ihm nicht, aber es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, daß seine Furcht andere Gründe hatte. Er hatte die Worte der Margoi nicht vergessen: der Sturm, der den tödlichen Staub nach Elay getragen hatte, war vom Meer her gekommen.

Für eine geraume Weile ritten sie schweigend nebeneinander her. Die einzigen Geräusche waren das rhythmische Klatschen der Wellen eine Turmhöhe unter ihnen und das gleichmäßige Prasseln des Regens, der den Boden unter den Hufen ihrer Pferde in Morast verwandelte. Im nachhinein kam es Skar fast absurd vor, daß dieser Regen, unter dem sie alle seit Tagen ritten und auf den jeder von ihnen schon aus Leibeskräften geflucht hatte, ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet hatte. Hätte er nicht den allergrößten Teil des tödlichen Staubes aus der Stadt gespült... Das entstellte Gesicht der sterbenden Margoi tauchte vor ihm auf, und er schauderte. Allein dafür würde er sie vernichten, das schwor er sich. Nicht dafür, daß sie sie getötet hatten, sondern für die Art und Weise, wie es geschehen war. Der Tod war ein Teil der Natur, den Skar schon immer akzeptiert hatte, selbst als er noch kein Krieger und später Satai war. Und auch der gewaltsame Tod war ihm nicht fremd; er hatte ihn oft genug selbst gebracht. Aber dieser Staub, der Tausende von Menschenleben in einer Sekunde auslöschte und die, die ihm entkamen, bei lebendigem Leibe verfaulen ließ, das war - Nur konsequent, Bruder, flüsterte eine lautlose Stimme in ihm. Sie kämpfen mit den Waffen, die sie beherrschen, so wie du mit deinen. Was ist falsch daran?

Aber es war etwas Falsches an diesem Gedanken, etwas entsetzlich Falsches und Böses. Skar wußte noch nicht genau, was - oder vielleicht doch, er wußte es, aber es war ihm - noch - nicht möglich, es in Worte zu fassen - aber er dachte auch nicht daran, jetzt auch noch mit dieser lautlosen Stimme in seinem Inneren zu diskutieren, die ihn seit seiner Geburt quälte und ihn manchmal zwang, Dinge zu tun, die er nicht tun wollte. Seinen Dunklen Bruder hatte er sie genannt, verjähren, in einem anderen Leben und einem Anflug von Spott und bitterer Selbstironie und lange, bevor er auch nur ahnte, was das böse Flüstern in seinen Gedanken wirklich zu bedeuten hatte. Damals hatte er nicht gewußt, wie entsetzlich richtig dieser Name war.

Seit zwei Wochen wußte er es.

Und manchmal fragte er sich, wie er mit diesem Wissen überhaupt noch leben konnte.

»Skar?« Kiinas Stimme drang nur undeutlich durch das Prasseln des Regens, obwohl sie so dicht neben ihm ritt, daß sein Bein manchmal ihren Sattel berührte. Skar sah sie an, behielt aber dabei trotzdem den Weg im Auge, obwohl er wußte, daß seine Angst unbegründet war: die Pferde würden sehr viel besser als er darauf achten, der Steilküste nicht zu nahe zu kommen.

»Ja?«

»Die Quorrl!« sagte Kiina zögernd. »Wohin gehen sie?«

Skar runzelte die Stirn. Was sollte diese Frage? Kiina wußte die Antwort so gut wie er. Trotzdem sagte er laut: »Nach Norden.«

»Und du gehst mit ihnen? Du wirst tun, was... die Margoi dir gesagt hat?«

»Ich hätte es sowieso getan«, antwortete Skar. »Aber jetzt erst recht.« Er ahnte, warum Kiina Fragen stellte, deren Antworten sie seit zwei Wochen kannte. Besorgt fragte er sich, was er sagen sollte, wenn sie die Frage stellte, die er befürchtete.

Was sie in genau diesem Moment tat. »Nimmst du mich mit?« Er seufzte. »Jetzt nicht, Kiina - bitte. Laß uns später darüber reden. Ich... will nicht denken.« Das entsprach sogar der Wahrheit. Sie hatten auf dem Weg durch das unterirdische Labyrinth kein Wort miteinander gewechselt, und nicht nur aus Schwäche. Er wollte nicht wissen, was die Vernichtung Elays und der Errish für ihre weiteren Pläne bedeutete, nicht jetzt. Er war einfach erschöpft; auf eine Art, die Kiina nicht verstehen würde. Er wollte für ein paar Augenblicke so tun, als hätte sich nichts geändert. »Aber ich muß es wissen«, beharrte Kiina. »Bevor wir die Quorrl erreichen.«

»Du weißt, daß es nicht geht«, antwortete Skar ausweichend. »Titch würde es nicht zulassen. Ganz davon abgesehen, daß es zu gefährlich ist -«

»Für ein kleines Mädchen wie mich?« unterbrach ihn Kiina aufgebracht.

Skar dachte nicht daran, auf ihren aggressiven Ton einzugehen oder sich mit ihr zu streiten.

»Auch für einen alten Satai wie mich«, antwortete er ungerührt. »Meine Chancen, zurückzukommen, sind nicht sehr gut. Kein Mensch hat jemals das Land der Quorrl betreten. Jedenfalls keiner, der zurückgekommen wäre, um davon zu berichten.« Was nicht ganz der Wahrheit entsprach. Aber er war viel zu müde, um sich auf langatmige Erklärungen einzulassen.

»Es gibt keinen sicheren Ort mehr auf Enwor«, antwortete Kiina. »Das hast du selbst gesagt.«

Skar resignierte. Er hätte hundert passende Ausreden gehabt, aber er wußte auch, daß Kiina keine von ihnen gelten lassen würde. Sie erwachte langsam aus ihrem Schock, aber sie war noch lange nicht in dem Zustand, vernünftig mit ihm zu diskutieren. So wählte er die einfachste Lösung und sagte noch einmaclass="underline" »Titch läßt es nicht zu.«

»Titch läßt es nicht zu!« äffte Kiina ihn nach. »Und was wird er zulassen, dein famoser fischgesichtiger Freund? Daß ich hier zurückbleibe und wie die anderen sterbe?«