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»Unsinn. Der Weg in den Norden ist weit. Wir werden einen Ort finden, an dem du bleiben kannst. Ich bin sicher -«

»Ich begleite dich«, beharrte Kiina.

»Ja«, sagte Skar gelassen. »Bis zur nächsten Stadt. Oder zur nächsten Errish, auf die wir stoßen. Ende der Diskussion«, fügte er mürrisch hinzu.

Kiina widersprach tatsächlich nicht, aber nur, um nach einer Weile mit veränderter Stimme und einer anderen Taktik fortzufahren: »Du hast es der Margoi versprochen.«

»Habe ich das?«

Kiina nickte heftig. »Du hast ihr dein Wort gegeben, auf mich aufzupassen«, erklärte sie mit jener falschen, aber schwer zu widerlegenden Logik, mit der sich Kinder schon immer gegen Erwachsene zu behaupten gewußt haben. »Wie kannst du das, wenn du nicht in meiner Nähe bist?«

Skar antwortete gar nicht darauf. Sie führten diesen Streit in der einen oder anderen Form seit zwei Wochen, seit sie Del und das Heer verlassen hatten. Alle Argumente waren längst gesagt und hundertmal wiederholt worden, ohne dadurch besser oder schlechter zu werden.

»Und der Ring?« fuhr Kiina fort. »Du hast versprochen, ihn mir zu geben, wenn es soweit ist!«

Skar zog den winzigen Silberring vom kleinen Finger - dem einzigen Glied, auf das er paßte - und hielt ihn ihr hin. »Willst du ihn haben?«

Kiinas Reaktion überraschte ihn. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie nach dem Ring greifen würde, und das tat sie auch nicht - aber er hatte auch nicht damit gerechnet, daß sie erschrocken zurückfuhr und nur noch mit Mühe einen Schrei unterdrückte.

»Nein!« sagte sie hastig. »Ich will ihn nicht. Noch nicht. Vielleicht nie.«

Skar war verwirrt. Zögernd steckte er den Ring wieder ein, nahm ihn fast in der gleichen Bewegung noch einmal hervor und ließ ihn ein paarmal auf der Handfläche hin und her rollen. Es war eine wunderbare Arbeit, ein Schmuckstück, das trotz seiner Schlichtheit der Führerin der Errish würdig war - jede einzelne Schuppe des Schlangendrachens, als der er gestaltet war, war mit großer Kunstfertigkeit ausgearbeitet, und die beiden winzigen Rubine, die die Augen bildeten, funkelten in einem geheimnisvollen inneren Licht, als würden sie wirklich leben. Plötzlich erfüllte ihn die Vorstellung, ihn wieder anzulegen, mit Unbehagen. Skar schloß die Faust um den Ring und schob ihn nach kurzem Zögern in eine Tasche seines Gürtels.

»Was bedeutet dieser Ring?« fragte er. »Ich meine - hat er Zauberkräfte, oder birgt er ein Geheimnis? Kann man einen Dämonen damit beschwören?« Er lachte bei diesen Worten, aber selbst Kiina mußte merken, daß sich hinter ihrem scherzhaften Klang mehr Furcht verbarg, als Skar recht war.

Sie schüttelte den Kopf. »Nichts von alledem. Er ist nur ein Stück Silber. Aber er ist das Symbol ihrer Macht. Wer ihn trägt, der kann den Thron Elays besteigen. Wer ihn rechtmäßig trägt«, fügte sie mit bewußt boshafter Betonung hinzu.

»Wenn du glaubst, ein größeres Anrecht auf ihn zu haben...« Skar bewegte die Hand zum Gürtel, und wieder registrierte er, daß Kiinas Kopfschütteln eindeutig erschrocken war.

»Nein!« sagte sie. »Ich will ihn nicht. Er -«

Ein grellweißer Lichtblitz zerriß die Nacht, gefolgt von einem hellen, peitschenden Kreischen, in das sich nach Sekunden ein dumpfes Brüllen mischte, weit entfernt, aber so machtvoll wie der Laut zusammenstürzender Berge. Kiina schrie auf und stürzte vor Schrecken um ein Haar aus dem Sattel, und auch Skar fuhr herum und blickte entsetzt in die Richtung, aus der das Tosen erklungen war. Fast in der gleichen Sekunde flammten ein zweiter und ein dritter Blitz auf und sengten feurige Spuren in die Nacht, diesmal aber in völliger Stille.

Kiina begriff einen Sekundenbruchteil vor ihm, was das lautlose Lichtgewitter zu bedeuten hatte. »Scanner!« keuchte sie. »Das... das sind Errish, Skar! Sie schießen!«

Ja, dachte Skar. Und ich glaube, ich weiß sogar, worauf. »Du bleibst hier!« sagte er. Er warf Kiina die Zügel zu, rammte seinem Pferd die Absätze in die Flanken und sprengte los, so schnell, daß sie gar keine Chance hatte, ihm zu folgen, selbst wenn sie es versuchte. Sein Pferd versuchte auszubrechen und schlug im vollen Galopp mit den Hinterläufen aus, halb wahnsinnig vor Angst, aber Skar trieb es unbarmherzig weiter. Wieder zerriß ein Blitz die Nacht, und wieder, und wieder. Rücksichtslos trieb er sein Pferd zu noch größerer Schnelligkeit an, beugte sich tief über seinen Hals und versuchte zu erkennen, wohin der rasende Galopp führte. Der Regen stach wie mit Nadeln in seine Haut und seine Augen, jetzt, als er ihm direkt entgegensprengte, und alles, was weiter als drei oder vier Schritte vor ihm lag, war hinter einer silbernen Wand aus fast waagerecht fallenden Schleiern verborgen, in die er direkt hineingaloppierte. Dazu kamen die grellen Blitze der Scanner, die farbige Nachbilder auf seiner Netzhaut hinterließen und ihn so fast völlig blind machten.

Dann hörte er die erste Schreie: das dumpfe, wütende Brüllen der Quorrl, die spitzen Kampf schreie von Menschen (Menschen? Er hoffte, daß es Menschen waren, aber er war ganz und gar nicht sicher), und ein machtvolles, wütendes Knurren, das ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Und schließlich geschah das, was bei einem Wahnsinnsritt wie diesem fast unausweichlich war: sein Pferd stolperte. Skar konnte hören, wie sein Bein brach, als es im Morast ausglitt und stürzte. Instinktiv rollte er sich ab, federte den Schwung seines eigenen Sturzes ausnutzend, wieder in die Höhe und fiel vornüber mit dem Gesicht in den Schlamm, als auch er auf dem morastigen Untergrund das Gleichgewicht verlor. Der Sturz rettete ihm das Leben.

Eine weiße Linie aus Feuer schnitt zwei Handbreit über ihm durch die Luft, und fünfzig Fuß hinter ihm schoß ein brüllender Geysir aus Glut und verdampftem Schlamm in die Höhe. Skar wälzte sich zwei-, dreimal zur Seite, sprang auf die Füße und schrie vor Schmerz auf, als kochender Morast und glühendheißer Dampf auf seinen Rücken herabregneten. Ein zweiter Lichtblitz stach nach ihm. Skar sprang blitzschnell zur Seite, stürzte erneut und robbte mit verzweifelter Kraft in den Schutz eines Felsens. Das Scannerfeuer hörte auf. Fünf, zehn Atemzüge lang lag Skar einfach da und wartete auf den letzten, vernichtenden Lichtblitz, der den lächerlichen Felsen einfach pulverisieren mußte, dann hob er behutsam den Kopf und spähte über den Rand seiner Deckung hervor.

Er sah nichts als den strömenden Regen und den Widerschein des Strahlengewitters auf der anderen Seite der Felsgruppe, hinter der Titchs Quorrl lagerten. Ein Stück vor sich glaubte er einen Schatten wahrzunehmen, war sich aber nicht sicher genug, sein Leben auf diese Vermutung zu setzen. Angestrengt starrte er in die silbrigen Schleier hinaus und versuchte den Schatten wiederzufinden. Es gelang ihm, aber er war auch diesmal nicht sicher, ob es sich wirklich um einen Angreifer handelte, oder etwa nur den Umriß eines Felsens, dem der strömende Regen nur die Illusion von Bewegung verlieh. Aber immerhin wurde nicht mehr auf ihn geschossen.

Skar war auch klar, warum. Der Angreifer hatte ihn ebenso aus den Augen verloren wie er umgekehrt ihn. Einen Scanner zu benutzen, bedeutete nicht zwangsläufig, vor der Blendwirkung seiner sengenden Lichtblitze gefeit zu sein.

Skar ließ weitere fünf, zehn schwere Herzschläge verstreichen, ehe er sich vorsichtig bewegte. Der Morast war so tief, daß er bis über die Ellbogen einsank und kaum von der Stelle kam, aber er schützte ihn auch gleichzeitig: selbst wenn der Angreifer genau in seine Richtung sah, würde er ihn höchstens durch Zufall entdecken, denn auch Skars Kleidung war mittlerweile über und über mit dem schwarzbraunen Schlamm bedeckt.

Dann sah er die Bewegung zum dritten Mal, und diesmal erkannte er, womit er es zu tun hatte. Es war eine Errish, die nur wenige Schritte entfernt auf einem Felsbuckel hockte und angestrengt in den Regen hinaussah. Für einen Moment richtete sich ihr Blick - und der Scanner in ihrer Hand, der der Bewegung ihrer Augen getreulich folgte! - direkt auf ihn, aber Skars Vermutung bestätigte sich: der Regen machte sie so blind wie ihn. Die tödliche Strahlenwaffe schwenkte weiter und richtete sich dorthin, wo sein Pferd in der Dunkelheit lag.