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Warum? dachte er. Warum mußte alles, was er begann, so enden? War es wirklich so, wie er einmal zu Kiina gesagt hatte: daß ein Fluch auf ihm lastete, der alle verdarb, die in seine Nähe kamen?

Er hob den Kopf und starrte zu den Felsen empor, darauf gefaßt - fast in Erwartung -, den Daij-Djan zu sehen, seinen finsteren Schatten, der gekommen war, um sein Werk zu betrachten und ihn höhnisch anzugrinsen. Aber er war nicht da. Vielleicht hatte er ihn besiegt, in Drasks Burg, vielleicht hatte er sich auch nur zurückgezogen und beobachtete ihn, wartete auf einen Moment, in dem er ihn noch härter treffen konnte.

Schritte drangen in seine Gedanken. Er sah auf, blickte in das Gesicht der jungen Errish, dessen linke Seite sich bereits rötete, und wollte sich umdrehen, ehe er begriff, daß er sich damit nicht weniger närrisch benehmen würde als sie.

»Skar, es... es tut mir leid«, murmelte die Errish. »Du... du mußt mir glauben, daß ich wirklich dachte, ihr... ihr wärt...« Sie sprach nicht weiter, sondern blickte ihn flehend an, und Skar glaubte zu spüren, was in ihr vorging. In ihr und allen anderen. Aber er tat ihr nicht den Gefallen, irgendeine dumme Bemerkung zu machen, die sowieso nichts ändern würde. Dieses dumme Kind hatte genug Schmerz ausgeteilt, um ein wenig davon zurückzubekommen.

»Du dachtest?« fragte er hart. »Was dachtest du?«

»Wir haben nur die Quorrl gesehen«, antwortete die Errish mit zitternder Stimme. Ihr Blick irrte über Skars Gesicht, suchte nach einem Zeichen von Verständnis oder Vergebung und fand keines von beiden. »Nicht dich! Sie... sie näherten sich Elay, und... und wir dachten, sie wären gekommen, um... um die Stadt zu besetzen, oder -«

»Die Stadt besetzen?« unterbrach sie Skar. »Fünfzig Quorrl? Eine Stadt wie Elay?«

»Sie haben sie vernichtet!« sagte das Mädchen. Plötzlich konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. »Sie haben... ganz Elay zerstört. Sie sind alle tot, Satai. Alle!« Das letzte Wort schrie sie. »Ich weiß«, antwortete Skar. »Ich war dort.«

»Wir dachten, ihr... ihr gehört zu ihnen«, fuhr die Errish fort, die gar keine Errish war, sondern nur ein dummes Kind, das sich einen Mantel übergestreift hatte, der ihm zu groß war. Und entschieden zu schwer. »Sie haben die Stadt zerstört, aber... aber niemand kam, um nachzusehen. Niemand kam, um... um etwas zu tun oder... oder...« Sie atmete tief ein und raffte all ihre Kraft zusammen, um mit gefaßterer Stimme und jetzt wieder fast trotzig weiterzusprechen: »Wir dachten, sie kämen im Auftrag der Zauberpriester, um sich davon zu überzeugen, daß Elay auch wirklich vernichtet ist.«

Skar glaubte ihr. Was sie erzählte, war das, was er erwartet hatte. Und was hätten sie auch tun sollen? Sie waren keine Kriegerinnen, und schon gar keine Errish, sondern Kinder. Ein schwarzer Mantel und ein paar telepathische Kunststücke und eine Handvoll einer Million Jahre alter Zauberwaffen machten keine Erwachsenen aus ihnen. Skar konnte sie sogar verstehen. Es waren Mädchen wie Kiina; Kinder, die zu unwichtig gewesen waren, als daß die Sternenbestie sich für sie interessierte, die vielleicht nur durch Zufall dem Tod entronnen waren. Sie hatten hilflos mit ansehen müssen, wie ihre Heimat und all ihre Freunde und Familienmitglieder getötet worden waren, umgebracht von einem Feind, den sie nicht einmal kannten. Sie hatten gar nicht anders gekonnt, als die Quorrl anzugreifen. In seinen Zorn mischte sich Mitleid. Aber er vermochte keines von beiden auszudrücken; nicht in diesem Moment. »Wie ist dein Name, Kind?« fragte er.

»Anschi«, antwortete die Errish.

»Anschi, so.« Skar dachte an Titch, und er fragte sich, was der Quorrl nun tun würde. Sie waren keine Freunde, das würden sie niemals werden, so sehr es sich Skar insgeheim wünschte, aber sie waren zumindest Verbündete gewesen, als sie den langen Weg in den Norden antraten. Jetzt... er wußte es einfach nicht. Aber die Vorstellung, daß das, was hier geschehen war, daß dieses lächerliche Mißverständnis vielleicht das Schicksal ganz Enwors verändern konnte, trieb ihn fast in den Wahnsinn.

»Habt ihr von euren Müttern auch die Heilkunst geerbt, oder nur ihre Waffen?« fragte er.

»Ein wenig«, antwortete Anschi zögernd.

»Dann nimm deine Schwestern und geh zu Titch«, sagte Skar leise. »Seine Männer werden eure Hilfe brauchen. Falls sie sie annehmen, heißt das.«

4.

Die Quorrl nahmen die Hilfe der Errish an, wenn auch erst nach langem Zögern und nachdem Titch es ihnen befohlen hatte. Kaum einer war ohne mehr oder weniger schwere Verletzungen davongekommen, aber es gab auch sehr viel weniger Tote, als Skar beim ersten Anblick des Talkessels befürchtet hatte. Ihre Rüstungen, vor allem die dicken hornigen Schuppenpanzer, hatten selbst dem tödlichen Scannerfeuer seine schlimmste Wirkung genommen. Nur neun der insgesamt fünfzig Krieger, die mit ihnen aufgebrochen waren, überlebten die Nacht nicht.

Und die Errish taten ihr Bestes, den übrigen zu helfen.

Aber ihr Bestes war nicht sehr viel. Sie waren begnadete Helferinnen - die Geschicklichkeit, mit der sie Wunden der Quorrl versorgten, hätten jeden Arzt vor Neid erblassen lassen. Aber sie verbanden nur. Sie heilten nicht. Skar sah nichts von der fast magischen Begabung, Wunden zu heilen und Schmerzen zu lindern, die den Ruf der Ehrwürdigen Frauen überall auf Enwor begründet hatten. Anschi und ihre Mädchen brachten Blutungen zum Stehen, legten Salben auf Verbrennungen und schienten gebrochene Glieder; aber all das hätte auch Skar oder ein beliebiger anderer gekonnt, mit der entsprechenden Ausbildung. Von der magischen Heilkraft einer echten Errish sah Skar nichts in den zwei Stunden, in denen er den Mädchen half, die am schlimmsten verletzten Quorrl zu versorgen.

Er verlor kein Wort darüber, aber er begriff, daß seine Befürchtung richtig gewesen war. Von diesen Kindern würde er keine Hilfe zu erwarten haben.

Nach einer halben Stunde stieß Kiina zu ihnen; begleitet von einer bleichen, humpelnden Errish, deren Augen vor Schrecken groß und rund wurden, als sie ihn erkannte. Skar würdigte sie keines Blickes, winkte aber Kiina zu sich und erklärte ihr mit wenigen, knappen Worten, was vorgefallen war. Zu seiner Überraschung hörte Kiina zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen, und gesellte sich dann wortlos zu Anschis Mädchen, um ihnen zu helfen.

Es wurde Mitternacht, bis sie das Schlimmste geschafft hatten und endlich auch Skar an der Reihe kam, seine Wunden versorgen zu lassen. Es war Anschi selbst, die sich seiner gebrochenen Rippe und den zahllosen kleinen und großen Kratzern und Schrammen auf seiner Haut annahm, und obwohl sie sich alle Mühe gab und sich auch wirklich geschickt anstellte, fügte sie ihm erheblich mehr Schmerzen zu, als er es bei einer Errish erwartet hatte. Trotzdem: nachdem sie fertig war, fühlte sich Skar wesentlich besser. Sein Brustkorb war bandagiert worden, so daß ihm das Atmen schwer fiel, aber wenigstens nicht mehr weh tat, und auf seine Hautabschürfungen hatte Anschi eine übelriechende, aber angenehm kühlende Salbe aufgetragen. Eine fast wohltuende Schwäche hatte sich in seinen Gliedern breitgemacht. Er wünschte sich, schlafen zu können. Aber natürlich war daran in dieser Nacht nicht mehr zu denken.