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»Du imponierst mir, Menschenjunges«, sagte er. »Du bist nicht sehr klug. Was du für Tapferkeit hältst, ist mehr Unbesonnenheit, aber du imponierst mir, denn du bist ehrlich.«

»Dann haben wir... Frieden?« fragte Anschi zögernd.

»Wir werden nicht mehr gegeneinander kämpfen«, antwortete Titch, und nicht nur Skar begriff, daß das nicht genau die Antwort war, die die Errish hatte hören wollen. Aber vielleicht war es mehr, als sie alle hatten erwarten können. Skar spürte die Feindseligkeit, die wie ein übler Hauch in der Luft war, überdeutlich.

Anschi atmete hörbar auf, dann runzelte sie plötzlich die Stirn und deutete auf den blutgetränkten Verband um Titchs Hand. »Deine Hand«, sagte sie. »Sie ist verletzt. Laß mich danach sehen.« Titch schüttelte den Kopf, und Skar sagte rasch: »Das ist keine Wunde, die du heilen könntest, Kind.«

»Aber ich -«

»Es ist auch keine Wunde, die eine echte Errish heilen könnte«, fuhr Skar ruhig fort. »Kümmere dich um die anderen Quorrl. Sie brauchen deine Hilfe nötiger.«

Anschi blickte verwirrt zwischen ihm und Titch hin und her, maß den blutigen Fetzen um Titchs Hand noch einmal mit einem langen, irritierten Blick und machte dann eine Bewegung, die eine Mischung zwischen Kopfschütteln, Nicken und Achselzucken zu sein schien. »Deshalb bin ich hier«, sagte sie, wieder an Titch gewandt. »Viele deiner Krieger sind schwer verwundet. Zu schwer, als daß wir ihnen hier helfen könnten. Sie werden sterben.«

»Dazu sind Krieger da«, sagte Titch gelassen.

Anschi starrte ihn an, zog es aber vor, so zu tun, als hätte sie die Bemerkung überhört. Sie wandte sich an Skar. »Unser Lager ist nicht weit von hier. Drei Stunden, vielleicht vier, wenn der Regen anhält. Dort können wir den Quorrl helfen.«

Skar blickte fragend zu Titch auf. Der Quorrl schüttelte wortlos den Kopf.

»Aber sie werden sterben!« protestierte Anschi.

»Wenn es der Wille der Götter ist, so sterben sie«, sagte Titch ruhig.

Das Gesicht der jungen Frau verdunkelte sich vor Zorn, aber Titch hatte in einem Ton gesprochen, der keinen Widerspruch zuließ. Und auch Anschi schien einzusehen, daß es Wahnsinn wäre, die Quorrl mitzunehmen. Ganz davon abgesehen, daß die meisten der Verwundeten den Ritt wohl kaum überlebt hätten, war der Gedanke einfach unvorstellbar, eine Armee von Quorrl in ein Lager der Errish zu führen. Sie wandte sich an Skar und schlug eine andere Taktik ein.

»Kiina hat mir erzählt, warum ihr hier seid«, sagte sie. »Vielleicht können wir euch helfen.«

»Und wie?«

»Yul!« antwortete Anschi und machte eine erklärende Handbewegung. »Unsere Führerin. Sie ist...« Sie biß sich auf die Unterlippe und verbesserte sich nach einer kurzen Pause: »Sie war eine Vertraute der Margoi. Sie wird viele eurer Fragen beantworten können.«

Skar sah fragend zu Titch auf, und der Quorrl nickte. »Geh nur. Wir werden hier auf euch warten.«

»Zwei meiner Schwestern werden bei euch bleiben«, sagte Anschi. »Wir sind nicht die einzigen, die überlebt haben. Und es gibt wilde Tiere.«

»Das ist nicht nötig«, antwortete Titch, aber diesmal blieb die Errish stur.

»Vielleicht nicht, vielleicht doch«, sagte sie. »Oder wißt ihr, wie ihr mit einem Drachen fertig werden könnt, Quorrl? Oder einer Herde wilder Tyrr?« Sie deutete auf den Kadaver eines der Reptilienwesen, der zwischen den Felsen lag. »Sie haben das Tal der Drachen verlassen, nachdem der magische Bann Elays erloschen ist, und durchstreifen die Wüste.«

»Anschi hat recht, Titch«, mischte sich Kiina ein. »Ihr müßt lernen, einander zu vertrauen, und vielleicht ist das der erste Schritt.« Es waren die ersten Worte, die Skar sie sprechen hörte, seit sie zurückgekehrt war, und ihm fiel auf, wie matt ihre Stimme klang. Und nicht nur das: sie war bleich, und auf ihren Wangen lagen dunkle Schatten, die vor zwei Stunden noch nicht dort gewesen waren. Vielleicht wirkte sich der Schock dessen, was sie erlebt hatte, erst jetzt richtig aus. Skar fragte sich, wann er ihn zu spüren bekommen würde.

Aber der Quorrl schüttelte nur den Kopf. »Nein«, beharrte er. »Geht. Geht alle! Wir werden die Toten begraben und warten, bis die, die die Götter noch zu sich rufen, gegangen sind. Dann ziehen wir weiter.«

»Du hast uns dein Wort gegeben, Quorrl!« sagte Kiina. »Du hast -« Sie unterbrach sich, hustete, preßte die Hand gegen die Brust und verzog kurz und schmerzhaft die Lippen. Anschi sah sie besorgt an, aber Kiina schüttelte nur ärgerlich den Kopf, als sie auf sie zutreten wollte, und fuhr fast keuchend fort: »Du hast versprochen, Skar zu begleiten.«

»Du mußt mich nicht an mein Wort erinnern«, knurrte Titch. »Wirst du es halten?« Kiina hustete wieder.

Titch überlegte einen Moment. »Vielleicht«, sagte er. »Ich muß darüber nachdenken.« Er war verstört; offensichtlich mehr überrascht als zornig über die Tatsache, zum zweiten Mal an ein und demselben Tag von einem Kind besiegt worden zu sein, wenn auch diesmal nur mit Worten.

»Dann bleib wenigstens, bis wir mit der Errish gesprochen haben«, sagte Skar. »Vielleicht hat sie wertvolle Informationen.«

»Für dich«, knurrte Titch gereizt.

»Für uns«, verbesserte ihn Skar betont. »Du hattest recht mit deiner Vermutung, Titch. Die Errish, die das Wasser des Lebens brachte, kam aus eurem Land.« Er fühlte sich nicht wohl dabei, den Quorrl zu belügen - was die sterbende Margoi ihnen erzählt hatte, das war nicht mehr, als sie ohnehin schon gewußt hatten. Aber er hatte Angst, daß Titch in seiner Erregung etwas tat, das nicht wiedergutzumachen war. Er hatte keine Chance, die Grenze der Quorrl-Länder auch nur lebend zu überschreiten, ohne Titchs Hilfe.

Titch überlegte eine Weile. »Bis die Sonne aufgeht«, sagte er schließlich. »Danach ziehen wir weiter.«

»Aber das reicht nicht!«

»Vielleicht doch«, mischte sich Anschi ein. »Wenn uns die Quorrl nicht begleiten, dann gibt es vielleicht einen schnelleren Weg.« Sie legte den Kopf in den Nacken und blinzelte zu den unsichtbaren Wolken im Himmel hinauf, aus denen noch immer eisiger Regen auf die Küste herabfiel. Dann sah sie wieder Skar an. »Bist du schon einmal auf einer Daktyle geritten?«

Skar nickte, und Anschi wandte sich mit einem fragenden Blick an Kiina. Sie nickte ebenfalls.

»Dann laßt uns keine Zeit mehr verlieren.« Anschi machte eine Handbewegung, um ihre Worte zu unterstreichen, und drehte sich herum. Aber Skar folgte ihr nicht sofort, sondern wartete, bis Kiina und sie außer Hörweite waren. Dann wandte er sich noch einmal an Titch.

»Du wirst auf uns warten?«

»Nein«, antwortete Titch sarkastisch. »Ich lasse mir und meinen Leuten Flügel wachsen und flattere davon.«

»Ich meine es ernst, Titch«, sagte Skar. »Ich...« Er stockte. Es fiel ihm schwer, weiter zu sprechen. Die bloße Vorstellung, einem Vierhundert-Pfund-Koloß gegenüberzustehen, der das Aussehen - und meistens auch das Benehmen - eines Raubtieres hatte, und ihn um etwas zu bitten, dagegen sträubte sich etwas in Skar mit aller Macht. »Ich brauche dich«, sagte er schließlich.

Seine Worte überraschten den Quorrl wirklich. Wahrscheinlich kam es selten vor, daß ihn jemand um etwas bat. Er antwortete nicht, aber nach ein paar Sekunden deutete er ein Nicken an und drehte sich abrupt herum, und auch Skar verließ die Quorrl und eilte hinter Kiina und Anschi her.

Die Errish hatte das kleine Tal durchquert und war an der Steilküste stehengeblieben. Skar sah, wie sie beide Arme hob und winkte, und wenige Augenblicke später löste sich ein gewaltiger, finsterer Schatten mit ausgefransten Rändern aus der Wolkendecke und setzte ungeschickt flatternd dicht vor Anschi zur Landung an. Der Anblick ärgerte Skar schon wieder, denn er bewies, daß die Errish ihre Kampfdrachen nicht ganz so weit zurückgezogen hatte, wie sie versprochen hatte. Besorgt sah er zu Titch zurück, aber der Quorrl blickte nicht in seine Richtung. Er hoffte, daß er nicht die gleichen Schlüsse aus dem so plötzlichen Auftauchen der Daktyle zog wie er.