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»Bist du... Yul?« fragte Skar. Er erschrak ein wenig, als er hörte, wie fremd und schwach seine eigene Stimme klang. Sie zitterte. Das Sprechen tat seinem Hals weh.

Die alte Frau nickte.

»Und du Skar.« Sie legte den Kopf schräg und betrachtete interessiert sein Gesicht, obwohl sie Stunden Zeit gehabt haben mußte, dies zu tun. »Du bist zu jung«, stellte sie schließlich fest. Skar blickte fragend, und Yul fuhr mit einer erklärenden Handbewegung fort: »Oh, keine Sorge, ich weiß, daß du der bist, als den Anschi und Gowennas Tochter dich vorgestellt haben. Ich kenne dich, weißt du?«

»Nein.« Skar schüttelte den Kopf und stemmte sich in eine halb sitzende, halb noch immer liegende Position hoch. Es fiel ihm schwer. Seine Arme schienen keine Kraft mehr zu haben, und hinter seiner Stirn war noch immer ein ganz sachtes Schwindelgefühl. »Woher auch?«

»Ich war in Elay«, erklärte Yul. »Damals, als du zusammen mit Gowenna von den Eisinseln zurückgekehrt bist.« Ihre dünnen gesprungenen Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln, als sie Skars Verwirrung bemerkte. »Oh, ich habe ein wenig anders ausgesehen, damals. Und wahrscheinlich hast du mich überhaupt nicht bemerkt. Du hattest ja nur Augen für Gowenna. Aber ich habe dich sehr wohl bemerkt. Du warst schon immer ein stattlicher Mann.« Ihr Blick wurde fragend. »Du bist es immer noch. Wüßte ich nicht, daß es unmöglich ist, dann würde ich sagen, daß du keinen Tag älter geworden bist, seit damals.«

»Aber es ist unmöglich, nicht wahr?« antwortete Skar. »Schließlich wissen wir das beide.«

Wissen wir das wirklich? fragte Yuls Blick. Aber sie sprach es nicht laut aus, sondern machte eine Handbewegung, die wohl andeuten sollte, daß sie das Thema für den Moment als beendet betrachtete. »Fühlst du dich besser?«

Skar fühlte sich in der Tat besser als am vergangenen Abend. Sein Zustand war mit dem, als er das Lager erreicht hatte, nicht zu vergleichen. Er fühlte sich zwar noch immer ein wenig matt, aber es war nur die Müdigkeit, die der Schlaf hinterlassen hatte, nicht mehr diese entsetzliche saugende Schwäche, die ihn auf dem Rücken der Daktyle überfallen hatte. Selbst seine verletzte Rippe schmerzte kaum mehr.

Vorsichtig setzte er sich auf, griff hastig nach der Decke, die von seinem Schoß rutschen wollte, und sah betreten an sich herab, als er Yuls spöttisches Lächeln bemerkte. Erst dann fiel ihm auf, daß der Verband verschwunden war, den Anschi über seine gebrochene Rippe gelegt hatte.

»Sie ist geheilt«, antwortete Yul auf die unausgesprochene Frage in seinem Blick. »Aber du solltest dich noch für ein paar Tage in acht nehmen. Und dir deine Gegner das nächste Mal etwas genauer ansehen.« Sie machte eine rasche Handbewegung, als er dazu ansetzte, sich zu verteidigen. »Ich weiß, daß du dir diese Verletzung hättest ersparen können, wenn du sie getötet hättest. Ich danke dir, daß du es nicht getan hast.«

»Wer hat diesen Kindern beigebracht, so zu kämpfen?« fragte Skar, während er sich nach seinen Kleidern bückte, die neben dem Bett auf dem Boden lagen. Ungeschickt versuchte er, unter der Decke in seine Hosen zu schlüpfen, was Yul abermals zu einem flüchtigen Lächeln veranlaßte.

»Ein Satai«, antwortete sie. »Er kam vor einem Jahr hierher. Er war verletzt und wurde verfolgt. Wir gewährten ihm Obdach und heilten seine Wunden, und zum Dank lehrte er uns, wie ein Satai zu kämpfen. Viele meiner Mädchen verdanken ihm sein Leben.«

»Ein fairer Tausch«, antwortete Skar; mehr, um überhaupt etwas zu sagen. Es war ihm endlich gelungen, in seine Hose zu schlüpfen. Mit einer raschen Bewegung schloß er die Gürtelschnalle, streifte die Decke von den Beinen und wollte aufstehen. Aber es blieb bei dem Versuch. Die schnelle Bewegung löste ein heftiges, an Übelkeit grenzendes Schwindelgefühl hinter seiner Stirn aus. Er wankte, streckte haltsuchend die Hände aus und sank kraftlos auf das Lager zurück. Yuls Gestalt verschwamm für einen Moment vor seinen Augen. Es war nicht so schlimm wie am vergangenen Abend, aber schlimm genug. Er stöhnte, hob die Hand an den Kopf und massierte seine Schläfen.

»So etwas... Dummes«, sagte er verwirrt. »Ich bin wirklich... nicht mehr gut in Form.« Er versuchte ein Lächeln und seine Verlegenheit mit einem Scherz zu überspielen: »Ein jugendliches Aussehen ist nicht alles, wenn man sich nicht die passende Kondition dazu erhält. Vielleicht sollte ich in meinem Alter keine Tausend-Meilen-Ritte mehr unternehmen.«

Yul blieb ernst. »Es war nicht der Ritt«, sagte sie. Ihre Worte waren wie eine ausgestreckte Hand, die sie ihm hinhielt. Da war etwas, was sie ihm sagen wollte; der Grund, aus dem sie - möglicherweise Stunden - an seinem Lager gesessen und darauf gewartet hatte, daß er aufwachte. Aber Skar wollte es plötzlich gar nicht mehr wissen.

Sehr viel vorsichtiger als beim ersten Mal stand er auf, bückte sich nach seinem Hemd und streifte es über, und ganz automatisch wollte er auch nach seinem Brustpanzer greifen. Aber der Satai-Harnisch aus steinhartem Leder kam ihm mit einem Male viel zu schwer und unbequem vor, obgleich er ihn jetzt seit zwei Wochen fast ununterbrochen getragen hatte. Es war auch nicht nötig, daß er ihn anlegte; er war hier unter Freunden. Und vielleicht, überlegte er, hätte er auch auf Hemd und Hose verzichten sollen, denn die Kleider lösten einen fast unerträglichen Juckreiz auf seiner Haut aus.

»Wie geht es Kiina?« fragte er; nur um überhaupt etwas zu sagen.

Yul deutete ein Achselzucken an. »Sie schläft«, antwortete sie. »Sie war zu Tode erschöpft. Und sehr erschrocken. Ich habe ihr einen Trank gegeben, der sie bis zum Abend durchschlafen lassen wird. Was übrigens auch für dich das beste gewesen wäre«, fügte sie hinzu, plötzlich ganz die besorgte Errish, die die Verantwortung für einen Kranken übernommen hatte. »Aber dazu blieb keine Zeit. Verzeih. Aber es gibt viel zu besprechen, und wir haben nicht sehr viel Zeit.«

Skar sah sie verstört an. Normalerweise reagierte er mit Unmut oder gar Zorn, wenn man ihn bei einer Schwäche ertappte. Yul gegenüber empfand er eher Verlegenheit. Und eine unbestimmte Furcht. Ihr hohes Alter gaben ihr eine Überlegenheit und Distanz, die ihn verwirrte.

»Wir haben sogar noch weniger Zeit, als du glaubst, Yul«, sagte er bedauernd. »Du wirst Kiina aufwecken müssen. Hat dir Anschi nicht von den Quorrl erzählt?«

»Doch, das hat sie.« Yul lächelte flüchtig, dann stahl sich ein Ausdruck von Bedauern auf ihre Züge. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich habe Anschi zu den Quorrl zurückgeschickt, mit der Bitte, auf dich zu warten. Was geschehen ist, tut mir leid. Ich bitte dich um Vergebung, auch in Anschis Namen. Ich fürchte, sie selbst ist zu stolz, um es zu tun.« Sie seufzte. »Sie ist ein Kind.«

»Das meine ich nicht«, antwortete Skar. Er überlegte, ob er Yul davon erzählen sollte, daß Anschi sich bei Titch entschuldigt - oder es wenigstens versucht hatte, entschied sich aber dann dagegen. Es war nicht wichtig in diesem Moment. »Die Quorrl werden nicht auf mich warten. Und ich muß in den Norden.« Er überlegte einen Herzschlag. »Kiina ist krank, sagst du?«

»Nein«, verbesserte ihn Yul. »Das habe ich nicht gesagt. Sie ist erschöpft, viel mehr, als sie zugeben würde. Und sie hat noch gar nicht richtig begriffen, was überhaupt geschehen ist.«

»Dann ist es vielleicht besser, wenn ihr sie nicht weckt«, sagte Skar. »Sie kann bei euch bleiben?«

»Das könnte sie«, sagte Yul. »Aber ich weiß nicht, ob es gut wäre.« Sie bewegte sich mühsam, griff in eine Falte ihres Gewandes und zog ein winziges glitzerndes Etwas heraus, das Skar erst nach Augenblicken als den Ring der Margoi erkannte. Automatisch senkte er die Hand auf die Tasche in seinem Gürtel, und obwohl er das Schmuckstück in Yuls Fingern sah, war er fast überrascht, sie leer vorzufinden.

»Ich konnte der Verlockung nicht widerstehen«, sagte Yul in entschuldigendem Tonfall. Sie hielt ihm den Ring hin, aber Skar schüttelte den Kopf. Die Errish zögerte sekundenlang, dann schloß sich ihre dürre Faust um den winzigen Silberring wie um einen kostbaren Schatz.