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»Und du glaubst, du könntest es wirklich?« fragte Yul.

»Was?«

»Den Krieg verhindern, den dein Freund Del so gerne führen würde, wie du es Drask versprochen hast?« Yul stand auf und machte ein paar Schritte auf die Tür zu, wobei sie sich schwer auf einen glattpolierten Stock aus schwarzem Holz stützte, der bisher neben ihrem Stuhl gestanden hatte.

Auch Skar erhob sich, unterdrückte aber im letzten Moment den Impuls, die Hand auszustrecken und sie zu stützen. Yul würde ihn um Hilfe bitten, wenn sie sie brauchte. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber ich muß es versuchen. Dieser Kampf... darf nicht weitergehen.«

»Weil es ein Krieg ohne Sieger wäre.« Yul nickte und starrte wieder ins Leere. »Es hat schon einmal einen solchen Kampf gegeben, und er wurde von denselben Parteien geführt. Sie vernichteten sich gegenseitig, und was von Enwor blieb, war eine Hölle.« Sie wandte den Kopf und sah ihn durchdringend an. »Ist es das, wovor du dich fürchtest, Satai? Willst du den Krieg verhindern, weil du Angst hast, es könnte wieder keinen Sieger geben, sondern nur Verlierer?«

Skar spürte, daß von seiner Antwort viel abhing, ohne zu wissen, warum. Er dachte lange über Yuls Worte nach, und für einen ganz kurzen Moment war er in Versuchung, ihr auch den Teil der Geschichte zu erzählen, den er ihr bisher verschwiegen hatte: seine eigene, ganz private Hölle, deren Abgründe sich für ihn aufgetan hatten, seit er auf der Insel des Dronte das Erwachen des Daij-Djan miterlebt hatte. Sein Wissen um das, was er wirklich war. »Nein«, sagte er schließlich.

»Warum dann?« beharrte Yul.

»Weil ich... müde bin«, sagte er zögernd. »Wir alle sind es, Yul. Diese Welt hat zu viel Krieg und Sterben erlebt. Es muß aufhören. Für immer.«

Yul lächelte. »Seltsame Worte - aus dem Munde eines Kriegers.«

»Vielleicht ist ein Krieger der einzige, der versteht«, antwortete Skar. Er machte eine Handbewegung, die seine ganze Erschöpfung zum Ausdruck brachte. »Vielleicht sind die alten Legenden wahr, und unsere Vorfahren und die Sternengeborenen vernichteten sich wirklich gegenseitig, als sie um die Vorherrschaft auf Enwor kämpften.«

»Sie sind wahr«, sagte Yul.

»Aber in einem lügen sie«, beharrte Skar. »Der Kampf hat nie aufgehört. Es mag tausend Jahre her sein oder eine Million, aber der Krieg wurde nie beendet. Der Dronte, dieses entsetzliche Ding, das ihr den Wächter nennt und alle anderen Kreaturen, die sie noch gegen uns werfen mögen, sind -«

»- keine Dämonen, Skar, sondern Teil eines unvorstellbaren Waffensystems, das sie erschufen, um ihre Gegner zu bezwingen«, unterbrach ihn Yul. Sie sah ihn fast amüsiert an. »Überrascht dich das?«

»Nein«, antwortete Skar ehrlich. »Ich verstehe es nicht, aber es überrascht mich auch nicht.«

»Aber es ist doch ganz einfach«, fuhr Yul fort, noch immer in diesem Skar unverständlichen, fast amüsierten Tonfall. »Die Alten waren Wesen von unvorstellbarer Macht und Wissen, aber sie blieben Menschen. Ihre Seelen und ihre Art zu denken blieb die von Menschen. Die Sternengeborenen waren anders. Die Alten bezwangen sie mit ihrer Technik, denn sie wußten Dinge zu erschaffen, die selbst uns wie Zauberei vorkommen. Aber sie waren letztendlich in den Gesetzen ihrer Welt gefangen. Sie vermochten Dinge zu erschaffen wie unsere Scanner, und andere, schlimmere Waffen. Du hast ihre Wirkung gesehen. Du warst in Combat.« Skar nickte. Er hatte das Feuer gesehen, das die Erde selbst entflammt hatte. Es brannte noch immer. Nach einer Million Jahren. Und es würde auch in einer weiteren Million Jahren weiterlodern. »Aber gleich, wie perfekt ihre Waffen waren, sie blieben unvollkommen«, fuhr Yul fort. »Was die Sternengeborenen taten, war anders.« Sie suchte nach Worten, fand keine und zuckte mit den Schultern. »Nenne es besser, wenn du willst. Meinetwegen böser, auf jeden Fall aber wirkungsvoller. Die Waffen der Alten gingen mit ihrer Welt unter. Die der Sternengeborenen überdauerten ihre Schöpfer, denn was sie schufen, war Leben. Leben, das nur dem einen Zweck diente, zu töten. Und das unsterblich war, denn es vermochte sich allen nur denkbaren Veränderungen anzupassen.« Sie seufzte, senkte den Blick und stützte sich schwerer auf ihren Stock. »Du hast recht, Skar. Wir können diesen Krieg nicht gewinnen.«

»Hat... Gowenna das alles gewußt?« fragte Skar. Er war erschüttert. Das meiste von dem, was Yul ihm erzählt hatte, war ihm nicht einmal neu, und doch gab allein die Art, auf die sie gesprochen hatte, den Dingen eine neue, furchtbare Realität. Es war, als hätte sich ein unsichtbarer, eisiger Schatten vor die glühende Sonnenscheibe draußen geschoben.

»Du meinst, weil sie es dir nicht erzählt hat?« Yul schüttelte traurig den Kopf. »Wir alle wissen es, Skar. Es war das große Geheimnis der Errish, über all die Jahrtausende hinweg. Wir durften es dir nicht sagen. Nicht einmal sie durfte es. Und wir glaubten, die Gefahr sei gebannt, nachdem du das Kind zurückgebracht hattest. Vielleicht war sie es sogar.« Skar sah sie fragend an. »Es begann, nachdem du fort warst«, fügte Yul erklärend hinzu. »Der Dronte schien der letzte Versuch der Sternengeborenen, das Kind und damit dein Erbe in ihren Besitz zu bringen. Erst nachdem es dich nicht mehr gab, begannen sie wirklich zu erwachen.«

»Aber wieso?«

»Das weiß niemand«, antwortete Yul. »Vielleicht war nicht Combat das Siegel, sondern du. Die Macht, die in deiner Seele schlummert, Satai. Es hat immer Männer wie dich gegeben, seit den Zeiten der Alten, und sie haben ihre Macht weitervererbt, meist, ohne auch nur zu ahnen, wer sie waren. Vielleicht war der magische Schlaf, in den der Priester dich versetzte, die erste Zeitspanne seit dem Untergang der alten Welt, in der es keinen Wächter gab.«

Sie sah, wie sehr ihre Worte Skar trafen, und lächelte aufmunternd. »Vielleicht ist es auch ganz anders. Nur Vermutungen, die eine Greisin anstellt, die längst hätte sterben sollen. Komm - laß uns ein paar Schritte gehen. Die Sonne scheint, und die Wärme wird meinen alten Knochen guttun.«

Nebeneinander verließen sie die Hütte. Es war sehr warm, und nach dem tagelangen Regen empfand Skar den Sonnenschein als doppelt angenehm. Yuls Erzählung hatte mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, aber er wußte auch, daß sie nicht weiterreden würde, auch wenn er es versuchte. Da war noch mehr, noch viel mehr, was es zu fragen und zu sagen gab, aber es war Yul, die die Spielregeln bestimmte, und die entschied, wieviel Wahrheit er in einer gewissen Zeit ertragen konnte und wieviel nicht. Und vielleicht hatte sie recht. Ihre Geschichte - zusammen mit dem, was Skar wußte und ihr verschwieg, ergaben ein erschütterndes Bild. Er war mehr denn je davon überzeugt, daß Drask ihm die Wahrheit gesagt hatte, kurz bevor er starb.

Skar versuchte seine Gedanken in andere Bahnen zu zwingen, indem er sich auf das Lagerleben ringsum konzentrierte. Die kleine, aus Felsen und Palisadenwänden errichtete Festung war so hastig und provisorisch angelegt, wie er schon gestern abend vermutet hatte. Yuls Schülerinnen waren mit sehr viel mehr gutem Willen als Wissen an ihre Aufgabe herangegangen, und der Satai, der sie unterrichtet hatte, hatte entweder nichts vom Festungsbau verstanden oder nicht vorausgesehen, daß seine Lebensretterinnen eines Tages auf diese Fertigkeiten angewiesen sein mochten. Skar indes sah die Anlage aus den Augen eines Kriegers, und er mußte nicht zweimal hinsehen, um zu erkennen, daß sie einem ernstgemeinten Angriff nur sehr kurze Zeit standhalten würde.