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Skar blickte gebannt zu den versammelten Errish hinüber. Der Sinn dieser nächtlichen Versammlung war ihm noch immer nicht klar, aber er spürte, daß hier etwas Großes vorging; und etwas, das ganz eindeutig nicht für seine und Kiinas Augen und Ohren gedacht war. Er blickte rasch zu der Hütte hinüber, in der er Kiina wußte, und nach kurzem Suchen entdeckte er, was er erwartet hatte: Auch neben diesem Gebäude kauerte ein Schatten. Er war also nicht der einzige, der in dieser Nacht ganz besonders ungestört schlafen sollte. Sein Zorn wuchs.

Er hielt nach Yul Ausschau, ohne sie zu entdecken. Dafür sah er Anschi unter den versammelten Errish, und nicht einmal weit von ihm entfernt.

Und noch etwas.

Eine Gestalt, die er im ersten Moment nur als verschwommenen Schatten erkennen konnte, denn ihre Farbe war die der Nacht, so daß er sie überhaupt nur sah, weil sie sich bewegte.

Im ersten Moment glaubte er, sich getäuscht zu haben, denn wenn das, was er sah, wirklich das war, was er zu sehen glaubte, dann war die Schlußfolgerung daraus einfach... unvorstellbar. Aber dann, fast in der gleichen Sekunde und so, als hätte er seine Gedanken gelesen und täte es absichtlich, um ihn zu verspotten, trat der Schatten mit einer sonderbar eckig anmutenden Bewegung in den Lichtschein des Feuers hinein, und Skar begriff, daß er sich nicht getäuscht hatte.

Die Errish - wenn es eine Errish war, die sich unter der Hülle aus glänzendem schwarzem Horn verbarg - war sehr groß, sicherlich so groß wie Del, aber viel schlanker. Ihre Bewegungen waren sehr schnell, wirkten aber trotzdem irgendwie ungelenk, fast... ja, dachte Skar schaudernd: fast insektenhaft, und...

Das Wesen drehte den Kopf, und als Skar seine Augen sah, wußte er, daß er sich abermals getäuscht hatte.

Es war drei Wochen her, daß er Wesen wie dieses schon einmal gesehen hatte, auf der großen Ebene östlich von Drasks Burg. Errish, die die Chitinhaut eines toten Ultha als Panzer trugen. Und doch war es das erste Mal, daß er die grundlosen, irisierenden Insektenaugen in dem gigantischen Ameisenschädel sah, das Funkeln einer bösen, lauernden Intelligenz darin erkannte und die furchtbar fremdartigen, spinnenhaften kleinen Rucke sah, mit denen das Wesen sich bewegte.

Skar weigerte sich selbst jetzt noch für Augenblicke, den Gedanken zu akzeptieren, aber es war so: Dies hier war keine Errish, die den Panzer eines fremden Wesens trug wie eine monströse schwarze Rüstung.

Der Ultha lebte.

Für geschlagene zehn Sekunden saß Skar einfach da und starrte die monströse Insektenkreatur an, unfähig, sich zu rühren, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, irgend etwas zu empfinden, zu fühlen. Der Schock war total, schlimmer als irgend etwas, was er je erlebt hatte. Der Ultha lebte, das war alles, was er denken konnte. Er war lebendig, und er bewegte sich, und er gab den Errish Anweisungen!

Dann - endlich - erwachte ein anderer Teil seines Denkens, den er schon viel zu lange vermißt hatte: der Satai. Der Krieger, dem die alten Legenden der Quorrl und alle Gedanken an Verrat und Betrug ziemlich gleichgültig waren und der den Ultha einzig als das betrachtete, was er war: ein Monstrum und ein fürchterlicher Gegner. Die dürren Insektenarme mußten kräftig genug sein, ihn mit einer spielerischen Bewegung in Stücke zu reißen. Sein einziges Kleidungsstück war ein dünner Gürtel aus schwarzen Lederschuppen, an dem gleich zwei Schwerter hingen, und als wäre all dies noch nicht genug, wuchsen aus dem unteren Drittel des dreieckigen flachen Schädels zwei fürchterliche Zangen, halb so lang wie Skars Unterarm. Er begriff, daß es um ihn geschehen war, wenn dieses Wesen ihn auch nur bemerkte, und verscheuchte jeden Gedanken an einen Angriff.

Hastig zog er sich tiefer in den Schatten des Palisadenzaunes zurück und schlich weiter, wobei er immer wieder sichernd zu den Errish und dem schrecklichen Insektendämon hinübersah. Aber die mannshohe Palisadenwand bot ihm ausgezeichnete Deckung; selbst wenn eine der Errish oder der Ultha direkt in seine Richtung geblickt hätten, hätten sie ihn kaum entdeckt.

Er erreichte das Ende des Zaunes, ließ sich in den schwarzen Schlagschatten eines Felsens sinken und sah abermals zu den Errish zurück. Zwischen den schlanken Frauengestalten bewegten sich noch mehr Schatten, deren Bewegungen ihn alarmierten, aber das Licht war zu schlecht, um zu entscheiden, ob ihm seine Phantasie nur einen bösen Streich spielte oder der Ultha nicht allein gekommen war. Es spielte auch keine Rolle.

Vorsichtig erhob er sich aus seiner Deckung und sah sich um. Links von ihm erstreckte sich das Lager, auf der anderen Seite war der schwarze Abgrund der Steilküste, unter der das Meer schäumte. Er erinnerte sich wieder des gewaltigen Schattens, den er von seiner Hütte aus zu sehen geglaubt hatte. Ein Schiff? Ja, wahrscheinlich ein Schiff. Behutsam schob er sich weiter, kroch bis unmittelbar an den zerbröckelnden Rand der Steilküste heran und hob den Kopf.

Es war ein Schiff.

Und doch wieder nicht.

Es war riesig, schwarz von Bug bis Heck und von fast absurd gedrungener Form, die etwas schwer in Worte zu fassendes Unheimliches und Angsteinflößendes hatte. Beiderseits des buckeligen Rumpfes ragten mehr als ein Dutzend Ruder ins Wasser, lang und dünn und in der Mitte geknickt, so daß sie dem Schiff etwas von einem übergroßen Käfer gaben, der eher über das Wasser lief, als daß er ruderte, und das Segel, riesig und wie das gesamte Schiff von tiefem Schwarz, ähnelte einem zerfetzten Hautlappen.

Und ganz genau das war es auch.

Was dort, fünfhundert Fuß unter Skar, in der Brandung schaukelte, unheimlich und dräuend und sich mit den landwärts gerichteten Rudern gegen die gefährlichen Riffe stemmend, war der Dronte. Die Geißel der Meere, der lebende Killersegler, der Hunderten von Schiffen den Untergang gebracht hatte; und mehr noch - es war der Dronte gewesen, der den Daij-Djan erschaffen hatte, Skars ganz persönlichen Boten aus der Hölle. Was dort unter Skar lag, das war kein Schiff, sondern nur ein Ding, das das Aussehen eines Schiffes angenommen hatte, so mühelos, wie es wahrscheinlich in jede beliebige Form kriechen konnte, Teil dessen, was Yul so verharmlosend als gewaltiges Waffensystem bezeichnet hatte und das in Wirklichkeit doch etwas ganz anderes war: Gestalt gewordener Wahnsinn; Leben, das kein Leben war, sondern dem einzigen Zweck diente, zu töten und zu vernichten, eine fürchterliche Perversion der Schöpfung selbst.

Und Yul und ihre Mädchen standen auf ihrer Seite...

Skar erkannte den Fehler in diesem Gedanken fast im gleichen Moment, in dem er ihn dachte. Natürlich traf Yul und die anderen Errish keine wirkliche Schuld; sowenig wie die Errish, die Kiina gejagt hatten, oder die Margoi oder die Bewohner Elays. Sie waren nichts als willenlose Sklaven, Marionetten, die vielleicht nicht einmal wirklich wußten, was sie taten. Wie hatte er nur so närrisch sein können, sich im Ernst einzubilden, alles wäre vorbei, nur weil er die Netzkreatur getötet hatte? Die Sternengeborenen hatten unzählige Helfer, und wahrscheinlich waren der Dronte und der Ultha, ja, selbst die Netzkreatur nicht einmal die schlimmsten Dämonen, über die sie geboten.