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Ein Schatten, der sich über Kiinas Gesicht legte, enthob Skar einer Antwort. Er sah auf, blinzelte, hob die Hand über die Augen und blinzelte zum Umriß des Quorrl empor, der sich als scharf gezeichneter schwarzer Schatten gegen die Sonne abhob.

»Jemand kommt, Herr«, sagte der Quorrl. Es war Skar nicht gelungen, den Quorrl abzugewöhnen, ihn Herr zu nennen. Und irgendwann hatte er resigniert. Er widersprach auch jetzt nicht, sondern lächelte Kiina noch einmal aufmunternd zu und stand dann auf, um dem Quorrl zu folgen.

Aus den drei Punkten am Himmel waren fast ein Dutzend geworden, als er neben Titch ankam. Und sie waren näher, sehr viel näher. Aus den dunklen Punkten, die sich über der Küste kaum von den Schatten großer schwarzer Vögel unterschieden hatten, waren die häßlichen Umrisse gewaltiger Flugdrachen geworden, übergroßen Fledermäusen mit absurden Hammerköpfen gleich, die mit trägen Flügelschlägen über der Wüste kreisten. Skar sah, daß die meisten Daktylen mit zwei Errish besetzt waren.

Er schloß für einen Moment die Augen, um ihnen Zeit zu geben, sich an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen, und blickte dann wieder nach Süden. Das Ödland blieb leer. Zwischen den Schatten bewegte sich nichts. Wenn die Errish noch Verstärkung über Land erwarteten, dann war sie noch sehr weit entfernt. »Wenn sie uns angreifen, haben wir keine Chance«, sagte Titch. »Nicht hier.« Er drehte sich halb herum und blinzelte aus zusammengepreßten Augen zu den Bergen hinauf. »Wenn wir höher hinauf kämen...« murmelte er. »Es gibt Schluchten dort oben, und Höhlen...«

»Nein«, sagte Skar.

Titch sah ihn an, widersprach aber nicht einmal. Seine gesunde Hand machte eine rasche, befehlende Geste, und zwei seiner vier noch kampffähigen Männer huschten in die Positionen, die Titch ihnen vorher zugewiesen hatte. Trotz ihrer Massigkeit und Größe bewegten sich die Quorrl fast lautlos, und abermals fiel Skar auf, wie sehr sich Titchs Männer von dem Bild unterschieden, das beim Klang des Wortes Quorrl vor dem geistigen Auge der meisten Menschen auftauchte. Die geschuppten Riesen aus dem Norden wirkten im Gegenteil fast elegant. Aber vielleicht sah er sie auch nur so. Ein Vorurteil überwunden zu haben bedeutete nicht zwangsläufig, auch objektiv zu sein.

»Sie kommen näher«, sagte Titch.

Skar blinzelte in den Himmel hinauf. Zwei der elf Daktylen hatten sich aus der Formation der schwarzen Drachenvögel gelöst und kamen näher. Aus den Augenwinkeln sah er, wie einer von Titchs Männern seine Armbrust spannte und einen Bolzen einlegte.

»Ich glaube nicht, daß sie angreifen«, sagte Skar. Titch schwieg, aber Skar sah, wie er den Krieger mit einer raschen Geste zurückwinkte.

Die beiden Daktylen kamen rasend schnell näher, viel zu schnell nach Skars Meinung, als daß ihre Reiterinnen den Flug noch rechtzeitig abfangen konnten. Seine Handflächen wurden feucht vor Schweiß. Seine Finger glitten unbewußt zum Gürtel und fanden ihn leer. Sein Tschekal lag noch auf dem Lagerplatz der Errish, vermutlich zu einem Klumpen formlosen Metalls zusammengeschmolzen.

Titch registrierte seine Bewegung und zog den Dolch aus dem Gürtel, eine schwere, gut ausbalancierte Waffe mit beidseitig geschliffener Klinge, die für die Pranken eines Quorrl gemacht war und in Skars Händen ein passables Schwert hergeben würde. Trotzdem schüttelte er nach kurzem Zögern den Kopf.

Die beiden Daktylen rasten heran, so tief, daß sie die Felsen streifen mußten, zwischen denen Skar und die Quorrl Deckung gesucht hatten. Er konnte jetzt die Reiterinnen in den Sätteln hinter den bizarren Hammerköpfen der Ungeheuer erkennen; Errish in wehenden schwarzen Mänteln, in deren Händen es silbern und tödlich funkelte. Gegen seinen Willen meldete sich der Krieger in ihm zu Wort und erinnerte ihn daran, daß sie in der Falle saßen, wenn die Errish wirklich gekommen waren, um sie zu vernichten, denn so uneinnehmbar die Felsgruppe für einen berittenen Angreifer gewesen wäre, so hilflos waren sie Attacken aus der Luft ausgeliefert.

Aber die Errish griffen nicht an. Im letzten Moment trennten sich die beiden Daktylen; ein schwerfällig erscheinender, aber ungeheuer kraftvoller Schlag der schwarzen Schwingen katapultierte die riesigen Tiere nur wenige Meter vor ihrer Deckung in die Höhe. Skar zog instinktiv den Kopf zwischen die Schultern, als die ledrigen Flügel der Bestien so dicht über ihnen durch die Luft pflügten, daß er meinte, nur den Arm ausstrecken zu müssen, um sie zu berühren.

Die beiden Flugechsen entfernten sich so schnell, wie sie gekommen waren, aber sie flogen nicht sehr weit, sondern nutzten die warmen Aufwinde des Vorgebirges, in steilem Winkel in die Höhe zu klettern und gleich darauf ein zweites Mal auf das Felsenversteck der Quorrl herabzustoßen. Diesmal rasten sie so tief heran, daß die Schwingen eines der Tiere die Felsen wirklich berührten: Skar sah, wie die Daktyle taumelte und im letzten Moment ihr Gleichgewicht wiederfand.

»Zum Teufel, was soll das?!« knurrte Titch.

»Ruhig«, sagte Skar beschwörend. »Das ist kein Angriff, Titch. Nur eine Warnung.« Besorgt sah er zu den übrigen Quorrl zurück. Titchs Krieger hatten sich ausnahmslos mit Armbrüsten und Bögen bewaffnet, und er kannte die Treffsicherheit, mit der die Quorrl ihre Waffen zu handhaben wußten. »Sie wollen uns nur zeigen, daß sie uns vernichten könnten, wenn sie wollten. Halte deine Leute zurück.«

Titch reagierte nicht auf seine Worte, machte aber auch keine Anstalten, etwas zu tun, als die Daktylen zum dritten Mal heranrasten. Wieder jagten die fliegenden Drachen so tief über ihre Deckung hinweg, daß Skar den Luftstrom ihrer gewaltigen Schwingen fühlen konnte, schwangen sich ein Stück weit in die Höhe und flogen einen vierten und letzten Scheinangriff.

»Dort!« Skar deutete in den Himmel hinauf, dorthin, wo sich der Rest der kleinen fliegenden Armee befand. Aus der Formation der kreisenden Drachen hatte sich ein weiteres Tier gelöst, ein besonders großer, häßlicher Drache, der sonderbar ungleichmäßig flog, als bereite es ihm Mühe, die Schwingen zu bewegen. Trotzdem landete er sicher auf einer Felszacke, kaum zwanzig Schritt von ihrem Versteck entfernt. Skar und Titch beobachteten, wie seine Reiterin geschickt von seinem Rücken kletterte und dann im Gewirr der Felsen verschwand. Wenige Augenblicke später tauchte sie wieder auf, und aus Skars Vermutung wurde Gewißheit: Es war Anschi. Er war froh, sie unter den Überlebenden zu sehen.

»Laß mich mit ihr reden«, sagte er hastig, als sie näher kam und Titch sich aus seiner Deckung lösen wollte. Der Quorrl zögerte, machte dann eine Bewegung, die wohl das quorrlsche Äquivalent eines Achselzuckens war, und gab ihm den Weg frei.

Mit klopfendem Herzen trat Skar Anschi entgegen. Sie trug noch immer den bestickten Zeremonienmantel vom vergangenen Abend, aber er war zerfetzt und angekohlt. Ihre rechte Hand und der Arm waren bis zum Ellbogen hinauf bandagiert, und ihr Gesicht war eine Maske aus Schmutz und Ruß und verkrustetem Blut. In ihrer linken Hand blitzte das silberfarbene Metall eines Scanners.

Skar blieb stehen. Es fiel ihm schwer, Worte zu finden. Ganz egal, was er sagen würde, er konnte es nur schlimmer machen. »Es... es freut mich, daß du lebst«, sagte er schließlich. Es waren ungeschickte Worte, die in Anschis Ohren wie böser Hohn klingen mußten, aber die einzigen, die ihm einfielen.

Die junge Errish antwortete auch nicht, sondern starrte ihn eine Sekunde lang aus weit aufgerissenen, leeren Augen an, und ging dann einfach weiter. Skar hob die Hand, wie um ihr den Weg zu verwehren, führte die Bewegung dann aber nicht zu Ende.

Zwischen den Felsen trat Titch heraus. Anschi erstarrte, als sie den titanischen Quorrl in seiner goldenen Rüstung erblickte. Ihre Lippen begannen zu zittern. Langsam, ganz langsam, hob sie die Hand, zielte mit dem Scanner auf Titch - und ließ die Waffe fallen. Mit einem gellenden Schrei stürzte sie sich auf Titch und begann mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen.