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»Ihr seid Kinder«, unterbrach sie Titch. Seine Stimme bebte, aber Skar war sicher, daß Anschi nicht einmal wußte, warum der Quorrl so zornig war. »Ihr habt Wesen beschworen, die schlimmer sind, als ihr euch auch nur vorzustellen vermögt!«

Anschi antwortete nicht sofort. Vielleicht überraschte sie Titchs unerwarteter Zornesausbruch, vielleicht entsann sie sich auch erst jetzt der unbeschreiblichen Wut, mit der sich Quorrl und Ultha aufeinandergestürzt hatten. »Unsinn«, sagte sie, plötzlich aber mehr hilflos als herausfordernd. »Sie sind genau das, was Skar gesagt hat: Dinge. Keine Dämonen, Quorrl.«

»Für Titch schon«, sagte Skar. »Oder wie würdest du ein Wesen nennen, das deinem Volk eine ganze Welt gestohlen hat?« Titch fuhr mit einem Ruck zu ihm herum und starrte ihn an, und in Anschis Augen glomm ein Ausdruck auf, der nur noch mit dem Wort Entsetzen zu beschreiben war. »Nicht!« sagte sie. »Schweig! Sprich es nicht aus!«

»Was?« fragte Titch. Und plötzlich packte er Skar, riß ihn mit einem brutalen Ruck herum und schrie noch einmaclass="underline" »WAS?!« Skar machte sich mühsam los. »Das große Geheimnis der Errish«, sagte er. »Ihr wußtet es schon immer, nicht wahr? Ihr wart die einzigen, die es wußten. Oh, sicher nicht alle, sondern immer nur einige wenige, aber ein paar haben es immer gewußt, all die Jahrtausende hindurch.«

Anschi schwieg, und Skar fügte, leiser und fast bitter, hinzu: »Gowenna muß es gewußt haben. Sie war die Ehrwürdige Mutter eures Volkes.« Er drehte sich wieder zu Titch um, und seine Stimme wurde leise, fast traurig. »All diese Ungeheuer, gegen die wir kämpfen, Titch, sind nicht die Sternengeborenen selbst. Es sind nur Waffen. Waffen, die sie erschufen, um ihre Feinde zu vernichten. Die ursprünglichen Bewohner Enwors. Euch, Titch. Die Quorrl.«

7.

Gegen Mittag begann es wieder zu regnen. Es wurde kälter, und über dem Meer begannen sich schwere Regenwolken zu einer Front zu formieren, die spätestens am Abend mit Gewitter und Sturm über das Land herfallen würden. Titchs Männer hatten aus Planen und Decken ein notdürftiges Zelt für Kiina errichtet, unter das sich auch Skar und Anschi zurückgezogen hatten, als der Regen zunahm.

Sie hatten geredet; Stunden, wie es Skar vorkam, die in Wirklichkeit zum allergrößten Teil aus langen Zeiten tiefen, schockierten Schweigens bestanden hatten, in die hinein nur manchmal einer von ihnen ein Wort gesprochen hatte. Zumeist war es Skar gewesen, der Fragen gestellt hatte; Fragen, auf die er nur in den allerwenigsten Fällen eine Antwort bekam. Nach einer Weile hatte er eingesehen, daß die Errish wirklich nichts wußte; seine insgeheim gehegte Hoffnung, daß Yul ihn belogen hatte, erfüllte sich nicht. Anschi wußte nicht mehr, als daß die Errish vor etwa einem Monat aus Elay geflohen war und sich auf den Weg nach Norden gemacht hatte, allein, verfolgt von einem Dutzend ihrer ehemaligen Schwestern und einer kleinen Armee von Ultha. Skar war enttäuscht, gleichzeitig aber auch zufrieden. Seine Vermutung, daß die Lösung aller Rätsel im Norden zu suchen war, wurde zur Gewißheit. Schließlich kehrte Anschi zu ihren Schwestern zurück, die ein Lager eine halbe Meile weiter nach Norden aufgeschlagen hatten; höher in den Bergen, wo ihre bizarren Flugechsen ausreichende Startgelegenheiten finden würden. Titch blickte ihr schweigend hinterher, bis sie im Regen verschwunden war. Der Quorrl hatte kein Wort geredet, aber nicht nur Skar hatte genau gespürt, wie es hinter Titchs ausdruckslosem Gesicht arbeitete. Vielleicht hatte er die Wahrheit ja geahnt, aber es war eine Sache, etwas zu wissen, und eine ganz andere, dieses Wissen dann als Tatsache präsentiert zu bekommen. Skar nahm sich vor, den Quorrl in den nächsten Stunden genau im Auge zu behalten.

Titch blieb lange Zeit draußen im Regen stehen, auch als die Errish schon längst nicht mehr zu sehen war. Als er zurückkam, bewegte er sich langsam, wie unter Zwang. In seinen großen, fast pupillenlosen Augen stand noch immer derselbe Schrecken geschrieben wie in dem Moment, in dem Skar ihm die Wahrheit gesagt hatte. Skar war nicht einmal sicher, daß er wirklich gehört hatte, was sie sprachen.

Der Quorrl mußte sich weit nach vorne beugen, um unter das kleine Zeltdach zu treten, das seine Leute für Kiina errichtet hatten. Wasser lief in kleinen glitzernden Rinnsalen über seine Rüstung, und zum ersten Mal seit Wochen wieder fiel Skar der Raubtiergeruch auf, den der Quorrl verströmte.

»Ist sie fort?« fragte Skar überflüssigerweise.

Titch deutete ein Nicken an und ließ sich auf der anderen Seite von Kiinas Lager in die Hocke sinken. Sekundenlang blickte er reglos auf Kiina hinab, dann sah er Skar an, aber sein Blick blieb leer. »Traust du ihr?«

»Anschi?« Skar tat so, als überlege er eine Weile, während er in Wahrheit den Quorrl musterte. Titch wirkte benommen, aber normal. Soweit Skar in der Lage war, irgend etwas über die Psychologie eines Quorrl zu sagen. »Haben wir denn eine andere Wahl?« sagte er schließlich.

Titch ballte die gesunde Hand zur Faust. »Aber es war doch nur... eine Legende«, flüsterte er. »Ein Märchen, mehr nicht!« Kiina blickte fragend, aber Skar signalisierte ihr mit Blicken, ruhig zu sein. Titchs Worte waren keine Antwort auf seine Frage. Er hatte sie gar nicht verstanden, sowenig wie er irgend etwas von dem gehört hatte, was Skar und Anschi in den beiden letzten Stunden gesprochen hatten. Der Quorrl schien aus einem tiefen, betäubenden Schlaf zu erwachen. Skar spannte sich innerlich. Er wußte, daß er von Titch normalerweise nichts zu befürchten hatte. Aber Titch war nicht mehr Titch. Der Quorrl war nicht einfach erschüttert. Seine Welt war zerbrochen.

»Aber sie ist wahr«, sagte er leise.

»Du hast es gewußt, nicht wahr?« fragte Titch. Sein Blick wurde fordernd, aber Skar suchte vergebens nach Spuren von Zorn oder gar Haß in den dunklen Augen des Quorrl. »Die Sternengeborenen sind wir«, zitierte er. »Das waren deine Worte, in der Burg. Du hast es... da schon gewußt.«

»Nein«, widersprach Skar, suchte einen Moment vergebens nach Worten und machte schließlich eine hilflose Bewegung mit beiden Händen. »Vielleicht. Ich... ich wollte es nicht wahrhaben.«

»Aber du hast es gewußt.«

»Spielt das noch eine Rolle?« fragte Skar. »Es ist Jahrtausende her, Titch. Vielleicht Millionen Jahre. Enwor ist...«

»Unsere Welt«, unterbrach ihn Titch, sehr leise, aber kalt, fordernd, in einem Ton, der Skar schaudern ließ. »All die alten Legenden, all die Geschichten, die ihr über die Alten erzählt habt, all die Heldensagen von den großen Taten eurer Vorfahren, ihrem Kampf gegen die Fremden von den Sternen: Es war alles gelogen.«

»Nein, Titch«, antwortete Skar sanft. »Das war es nicht. Sie sind wahr.«

»Ja«, grollte Titch bitter. »Sie sind wahr. Nur eine Kleinigkeit stimmt nicht, nicht wahr? Wir waren es, die zuerst hier waren. Und ihr seid von den Sternen gekommen und habt uns unsere Welt gestohlen. Es waren keine Ungeheuer, wie ihr uns weismachen wolltet. Keine Dämonen von den Sternen. Keine Götter. Es waren Menschen!« Plötzlich brüllte er: »Es waren Menschen, Skar! Deine Vorfahren, die uns unsere Welt gestohlen haben! Und du verlangst, daß wir euch helfen?!«

»Nein, Titch, das verlange ich nicht«, antwortete Skar. »Ich bitte dich darum, mehr nicht.«

»So, du bittest mich.« Titchs Stimme bebte. Er ballte die Fäuste, so heftig, daß Skar seine schuppige Haut knirschen hörte. Der Blutfleck auf seiner bandagierten Hand wurde größer. »Du bittest mich!« brüllte er.