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Als sie zu ihm in die Höhle trat, waren ihre Kleider und ihr Haar schwer vom Regen. Schaudernd streifte sie den nassen Umhang ab, trat an das Feuer und ließ sich davor in die Hocke sinken. Sie sah noch immer krank aus, fand Skar, aber es war jetzt kein Siechtum mehr, das ihr Gesicht zeichnete, sondern die Blässe beginnender Rekonvaleszenz. Offensichtlich war es so, wie er vermutet hatte: Kiinas Körper war dem Ansturm des giftigen Staubes einfach eher erlegen als der seine, ganz einfach, weil sie schwächer war als er. Aber sie hatte die Krise auch schneller überwunden. Skar wagte gar nicht daran zu denken, was hätte geschehen können, hätten sie Elay drei oder vier Tage früher erreicht.

»Bringst du Nachrichten von Anschi?« fragte er, als Kiina auch nach einer Weile keine Anstalten machte, irgend etwas zu sagen, sondern nur fröstelnd die Hände über dem Feuer aneinanderrieb. Sie wich seinem Blick aus, aber Skar bemerkte auch, daß sie es fast krampfhaft vermied, einen der Quorrl anzusehen. »Ja«, sagte sie schließlich. »Oder nein. Eher Neuigkeiten über Anschi.« Skar blickte fragend, aber Kiina sprach nicht weiter. Ihr Blick irrte durch das schattenverhüllte hintere Drittel der Höhle, als suche sie etwas. Skar begriff.

»Einer von Titchs Männern ist schwer verletzt«, sagte er.

»Kannst du nach ihm sehen?«

Natürlich konnte Kiina das nicht, und der überraschte Blick, den Titch ihm zuwarf, sagte ihm sehr deutlich, daß auch der Quorrl das wußte. Trotzdem erhob er keine Einwände, als Kiina nach kurzem Zögern nickte und zu der schlafenden Gestalt des Kriegers trat. Skar folgte ihr, während Titch reglos hocken blieb und so tat, als wäre er im Sitzen eingeschlafen. Skar war klar, daß der Quorrl jedes Wort verstehen mußte, selbst wenn sie flüsterten. Seine Sinne waren ungleich schärfer als die eines Menschen. Aber offensichtlich wußte Kiina das nicht.

Sie beugte sich über den schlafenden Quorrl, betastete mit spitzen Fingern die verbrannten Hornschuppen auf seiner Schulter und seinem Gesicht und schüttelte mit übertrieben geschauspielerter Gestik den Kopf. »Viel kann ich nicht für ihn tun«, sagte sie laut. »Ich habe keine Medizin, und... und auch nicht sehr viel Erfahrung in solchen Dingen. Ich kann versuchen, seine Schmerzen ein wenig zu lindern, das ist alles.« Sie beugte sich noch weiter vor und drehte den Kopf, so daß Titch nicht mehr sehen konnte, daß sich ihre Lippen weiterbewegten, und fügte im Flüsterton hinzu: »Wir müssen weg hier, Skar. So schnell wie möglich.«

»Und warum?« erwiderte Skar ebenso leise.

Kiinas Finger glitten über den Hals des bewußtlosen Quorrl und suchten nach Nervenknoten, die es vielleicht im Körper eines Menschen gab, aber nicht in seinem. Alles, was sie tat, war, seine Schmerzen zu verschlimmern, dachte er bedrückt.

»Die Errish«, antwortete Kiina. »Etwas... geht im Lager vor. Ich weiß nicht, was, aber es macht mir angst. Sie sind so voller Haß.« Sie sah auf. Ihre Augen waren dunkel vor Furcht. »Einige wollen die Quorrl angreifen, Skar. Anschi kann sie noch zurückhalten, aber ich weiß nicht, wie lange noch. Sie streiten ununterbrochen.«

»Die Quorrl angreifen? Aber das ist doch Wahnsinn! Warum? Wir sind Verbündete!« Warum stellte er diese Frage? Er wußte doch zehnmal besser als Kiina, was geschah.

»Sie machen sie für den Tod der anderen verantwortlich«, antwortete Kiina. »Sie wollen Rache für Yuls Tod. Und dafür, daß ihr Versuch mißlang, den Dronte zu beeinflussen. Und sie mißtrauen auch dir, weil du bei den Quorrl bleibst statt bei ihnen. Sie werden angreifen, ob du hier bist oder nicht. Sie wissen nicht, daß ich dich warne.«

»Dann solltest du auch zu ihnen zurückgehen, ehe sie es bemerken, Kind«, sagte eine Stimme hinter Skar.

Kiina fuhr mit einem halblauten Schrei hoch. »Du hast...«

»Jedes Wort verstanden«, unterbrach sie Titch. »Und außerdem habe ich es schon vorher gewußt.« Er machte eine Geste zum Höhlenausgang und dem Quorrl, der dort Wache hielt. »Ssart ist weder dumm noch taub oder blind. Wenn sie kommen, werden wir auf sie vorbereitet sein.«

»Red kein dummes Zeug«, sagte Skar. »Du weißt so gut wie ich, daß ein einziger Schuß mit einem Scanner in die Höhle reicht, und wir werden alle gebraten.«

Titch antwortete nicht, aber Skar wußte nur zu gut, was dieses Schweigen zu bedeuten hatte: Eine Flucht in die Berge war so unmöglich wie sinnlos, denn die Errish konnten auf den Rücken ihrer Daktylen jeden beliebigen Vorsprung aufholen. Die einzige Möglichkeit, einem Angriff zu entgehen, wäre, selbst anzugreifen. Und obwohl Titch nur noch über vier Krieger gebot, wären seine Chancen nicht einmal schlecht. Mit dem Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite mochte es ihnen durchaus gelingen, die Errish trotz ihrer überlegenen Bewaffnung zu schlagen. Er las all dies im Blick des Quorrl, aber er spürte auch ebenso deutlich, daß Titch es aus irgendeinem Grund nicht wollte.

»Geht zurück«, sagte Titch noch einmal. »Beide. Ich verspreche euch eine halbe Stunde, ehe wir fliehen.«

Und sterben, dachte Skar. Er zweifelte keine Sekunde daran, daß Anschi den Höhlenausgang beobachten ließ. Entschieden schüttelte er den Kopf. »Nein, Titch. Ich lasse nicht zu, daß du dich opferst. Wir alle gehen oder keiner.«

Der Quorrl machte eine Bewegung, als wolle er seine Worte wie lästige Insekten beiseite scheuchen. »Du bist mir den Tod schuldig, Satai«, sagte er. »Ich habe geschworen, dich zu begleiten, so weit es mir möglich ist. Und dann zu sterben. Ich habe mein Wort gehalten. Jetzt halte du deines.«

»Zu sterben«, wiederholte Skar in absichtlich verletzendem, höhnischem Tonfall. »O ja, ich weiß. Der große Heerführer der Quorrl, der versagt hat und seine Schande mit Blut abwaschen will, selbst wenn es sein eigenes ist. Aber so leicht mache ich es dir nicht.« Er richtete sich ganz auf und trat dem Quorrl herausfordernd entgegen. »Dein Leben gehört mir, Titch. Und ich brauche es. Ich brauche dich, denn du bist der einzige, der mich in euer Land führen kann.«

»Du wirfst mir vor, feige zu sein?« fragte Titch lauernd.

»Wenn dir dieses Wort lieber ist, bitte«, sagte Skar zornig. »Nenne es, wie du willst. Aber ich lasse nicht zu, daß du Selbstmord begehst und damit vielleicht eine ganze Welt vernichtest. Kiina und ich gehen zurück zu den Errish. Ich werde mit Anschi reden. Sie wird zur Vernunft kommen, und du und deine Männer, ihr werdet hier warten, bis ich zurück bin.«

»Ich könnte versuchen, einige ihrer Daktylen zu stehlen«, sagte Kiina.

Skar erwog diesen Vorschlag einen Moment lang ganz ernsthaft, schüttelte aber dann den Kopf. Selbst wenn es Kiina gelänge, würden sie nicht sehr weit kommen. Die Errish beherrschten die großen Flugechsen ungleich besser, als es Kiina jemals könnte. »Nein«, antwortete er. »Aber vielleicht könntest du etwas Verwirrung unter ihnen stiften - nur für den Fall, daß wir fliehen müssen.«

»Fliehen? Aber du -«

»Es wird nicht nötig sein«, unterbrach sie Skar in scharfem Tonfall. »Aber ich bin gerne auf alles vorbereitet.«

»Auch auf das, was nicht nötig ist?«

»Darauf ganz besonders.« Rasch und bevor Kiina noch mehr Schaden anrichten konnte, drehte Skar sich herum und ging an dem Quorrl vorbei zum Ausgang der Höhle hin. Kiina folgte ihm, und sie machte sogar den Versuch, ihm den Weg zu vertreten, damit er stehenblieb, trat aber im letzten Moment zur Seite, als sie auf seinem Gesicht las, daß er sie ohne zu zögern über den Haufen gerannt hätte. Skar seinerseits widerstand der Versuchung, sich noch einmal zu Titch umzudrehen, ehe er die Höhle verließ, sondern begann vorsichtig, aber sehr schnell, den abschüssigen Hang hinunterzulaufen, der die Felsenhöhle vom Lager der Errish trennte. Es gelang Kiina erst, ihn einzuholen, als sie den Fuß der geröllübersäten Halde erreicht hatten. Ärgerlich griff sie nach seinem Arm, versuchte ihn herumzureißen und steckte mit einem Fluch den Finger in den Mund, als er einfach weiterging und sie sich einen Fingernagel abbrach.