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»Dann gibt es nur noch einen Weg, das Schlimmste zu verhindern«, sagte Anschi entschlossen. »Wir werden gehen. Noch in dieser Nacht.«

»Ich brauche dich«, sagte Skar. »Ich kam nach Elay, weil ich die Hilfe der Margoi und ihrer Errish brauche. Ich muß wissen, was Min dort oben im Norden gefunden hat!« Er machte eine Handbewegung, als Anschi abermals widersprechen wollte, und fuhr eindringlich fort: »Ihr seid Errish, Anschi. Ihr habt gelernt, eure Gefühle zu beherrschen. Was immer es ist, das uns zu beeinflussen versucht, ihr könnt dagegen kämpfen!«

Anschi deutete ein Kopfschütteln an. »Das ist es nicht, Skar«, sagte sie traurig. »Es sind die Quorrl. Wir ertragen ihre Nähe nicht.«

»Ihr habt die Nähe der Ultha ertragen«, wandte Kiina ein. »Das war etwas anderes. Sie sind... Dinge. Nicht einmal Tiere.«

»Und sie stellen keine Gefahr dar, nicht?« fügte Skar böse hinzu. »Sie erinnern euch nicht in jeder Sekunde daran, wem diese Welt in Wahrheit gehört.«

»Sie wird bald niemandem mehr gehören, wenn es uns nicht gelingt, die Sternenge...« Anschi verbesserte sich hastig. »... die Angreifer zu identifizieren und zu besiegen. Vielleicht hast du recht, und die Lösung liegt im Norden, im Lande der Quorrl. Geh. Geh mit deinen Quorrl und versuche, sie zu finden. Meine Schwestern und ich werden hierbleiben und unseren Weg gehen.«

Es dauerte eine Sekunde, bis Skar begriff, was Anschi mit diesen Worten wirklich sagen wollte. Ungläubig starrte er sie an, und auch Kiina wurde bleich. »Du... du willst es noch einmal versuchen?« keuchte er. »Nach allem, was geschehen ist, willst du dieses Ungeheuer noch einmal rufen?«

»Es ist weniger gefährlich, als du glaubst«, sagte Anschi ernst. »Wir waren fast am Ziel. Es ist nur eine Frage des wie, Skar, nicht des wie lange. Ich bin nicht halb so stark wie Yul es war, aber sie hat mir gezeigt, was zu tun ist.«

»Du bist ja wahnsinnig«, flüsterte Kiina.

»Vielleicht«, sagte Anschi ungerührt. »Aber vielleicht ist es auch unsere einzige Chance, die Zauberpriester zu besiegen.« Sie sah Skar an. »Du hast mir erzählt, daß dein Freund Del mit seinem Heer nach Osten zieht, um Ikne und Bel-Ishtar zu befreien. Es wird ihm nicht gelingen. Ebensowenig, wie es uns gelang, die Zauberer zu schlagen.«

»Und du glaubst, die Ultha könnten es?«

»Vielleicht«, antwortete Anschi mit dem Ausdruck und der Stimme eines Menschen, der im Grund seines Herzens längst aufgegeben hatte, irgend etwas zu glauben, und einfach auf dem einmal eingeschlagenen Weg weitermacht, weil ihm die Kraft fehlte, etwas anderes zu versuchen.

»Ihr werdet alle sterben, ihr Närrinnen!« sagte Kiina.

»Möglicherweise. Aber wenn, dann ist es nur unser Leben, das wir riskieren. So wie ihr eures, weil ihr glaubt, auf dem richtigen Weg zu sein.«

»Was glaubst du, erreichen zu können?« fragte Kiina heftig. »An der Spitze einer Armee von Ultha in Ikne einziehen und die Stadt befreien?«

»Und weiter nach Süden, in das Land, aus dem die Zauberpriester kommen«, bestätigte Anschi.

Und damit genau das tun, was sie wollen, fügte Skar in Gedanken hinzu.

Und plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, sah er es ganz deutlich. Plötzlich wußte er, was geschehen würde. Vielleicht hatte dieses halbe Kind sogar Erfolg, vielleicht auch Del, der trotz des Abzuges der Quorrl noch immer über ein gigantisches Heer von mehr als zwanzigtausend Männern gebot, und vielleicht schlugen sie die Zauberpriester. Aber das war ganz egal.

»Ihr dürft das nicht tun, Anschi«, sagte er leise.

Die Errish legte den Kopf auf die Seite und sah ihn fragend an. »Es sind... die Träume, verstehst du nicht?« murmelte Skar leise mit zitternder Stimme und entsetzt von dem, was so deutlich gewesen war, daß er einfach nicht verstand, warum er es erst jetzt wirklich begriff. »Die gleiche Macht, die unsere Träume verändert! Du hast es selbst gesagt - es begann schon vor Monaten, vielleicht noch viel eher. Und es wirkt nicht nur hier, sondern überall!«

Anschi verstand offensichtlich immer noch nicht, was er sagen wollte, und auch auf Kiinas Gesicht erschien ein fragender Ausdruck, aber Skar sprach nicht weiter. Plötzlich begriff er, daß es völlig gleich war, ob Del die Schlacht um Ikne gewann oder verlor - was zählte, war, daß er sie führte! Es war Haß, mit denen die Sternengeborenen ihre Gedanken vergifteten, und es waren Tod und Leid und Schmerzen, von denen sie lebten. Plötzlich hörte er noch einmal ganz deutlich Draks Stimme, die letzten Worte, die der sterbende Zauberer zu ihm gesagt hatte: Gebt acht, daß ihr euch nicht totsiegt, Satai.

Und genau das würden sie tun, dachte Skar entsetzt. Selbst wenn sie siegten, würden sie am Ende verlieren, denn jeder Schwertstreich, jeder Tote, jeder Schmerz stärkte die Sternengeborenen.

»Selbst wenn es so ist«, sagte Anschi verstört. »Was sollen wir tun? Aufgeben?«

»Vielleicht«, murmelte Skar. »Vielleicht besteht der einzige Weg, diesen Krieg zu gewinnen, darin, ihn zu verlieren.«

»Du bist ja verrückt«, sagte Anschi. »Du -«

Etwas geschah.

Skar wußte nicht was, und er sollte auch später niemals eine wirklich befriedigende Erklärung für das finden, was er in diesem Moment... sah? hörte? spürte? Es war totenstill, und trotzdem war es, als glitte eine rasche, lautlose Woge aus Finsternis über den Himmel, eine Schwärze, die nicht nur die Abwesenheit von Licht bedeutete, sondern etwas Fremdes, Eisiges und Drohendes mit sich brachte und sich wie ein klammer Hauch über die Welt legte. Skar sah auf und blickte in den Himmel, sah erschrocken nach rechts und links und begegnete schließlich Anschis Augen, Augen, in denen sich die gleiche, ziellose Furcht spiegelte, die auch er mit einem Male empfand. Dann, Sekunden später, ertönte ein Geräusch; nichts, was er kannte oder zu identifizieren in der Lage war, das aber für sich so bedrohlich und furchteinflößend war wie die Woge körperloser Finsternis, die die Welt gestreift hatte wie der Atem eines finsteren Gottes.

Skar hob die Hand, als Kiina aufstehen und an ihm vorbei in die Dunkelheit hinaustreten wollte. »Warte«, sagte er. »Irgend etwas ... stimmt nicht.«

Kiina sah ihn fragend an, blieb aber gehorsam stehen und schwieg, denn in diesem Moment stand auch Anschi auf und lauschte einen Herzschlag lang mit schräggehaltenem Kopf in die Nacht hinaus. Sekundenlang blieb es still, beinahe schon wieder zu still, und dann hörte Skar es erneut, und diesmal ganz deutlich: ein helles, irgendwie... metallisches Peitschen, nicht besonders laut, fast an der Grenze des überhaupt Wahrnehmbaren, ein Geräusch so voller Feindseligkeit und Gefahr, daß er wie unter einer körperlichen Berührung zusammenfuhr. Sein Blick suchte die Felsen rings um das Lager ab. Nichts schien sich verändert zu haben: die Schatten der schlafenden Daktylen erhoben sich wie bizarre Felsformen in der Nacht. Nichts rührte sich.

Anschi hob die Hand und deutete nach Norden. »Das kommt von dort«, sagte sie. »Von den Quorrl.«

Skar blinzelte aus zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit hinauf. Es war so finster, daß es keinen Unterschied zwischen Himmel und Gebirge mehr gab, aber er sah den Höhlenausgang, vom roten Licht des Feuers erhellt wie eine blutige Wunde in der Nacht. War das ein Schatten, der sich davor bewegte? Und wenn ja, wessen?

Wie zur Antwort auf diesen Gedanken erscholl plötzlich auch aus der entgegengesetzten Richtung dieses sonderbare, metallische Reißen, und als Skar und Anschi gleichzeitig herumfuhren, sah er etwas wie ein bleiches, grünliches Licht; einen unheimlichen, fahlen Schimmer, der für Augenblicke die Felsen erhellte und erlosch, ehe sie genau erkennen konnten, was es war.