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»Weck die anderen«, sagte Skar zu Anschi gewandt und fast im Flüsterton. »Ich sehe nach, was mit Titch ist.« Er ließ Anschi keine Gelegenheit, zu widersprechen, sondern fuhr herum und lief mit weit ausgreifenden Schritten durch das Lager.

Kiina folgte ihm, obwohl er ihr mit heftigen Gesten signalisierte, zurückzubleiben. Aber dann lief er sogar langsamer, damit sie zu ihm aufholen konnte. Er fühlte sich einfach wohler, wenn sie in seiner Nähe war, statt in der der Errish.

Der Posten am Ausgang des Lagers vertrat ihm diesmal nicht den Weg, und auch die Daktyle reagierte nicht auf ihre Nähe, sondern schlief weiter, den Kopf zwischen die zusammengefalteten Flügel geschoben wie eine zu groß geratene Fledermaus. Etwas in diesem Anblick störte Skar, warnte ihn, wie ein lautloser Schrei aus seiner Seele, aber er wußte einfach nicht, was. Er lief weiter, streckte die Hand aus, um die Kiinas zu ergreifen, und stolperte den Geröllhang hinauf, so rasch es ging. Unter ihren Füßen lösten sich Schutt und lockeres Gestein und drohten, sie immer wieder aus dem Gleichgewicht zu bringen, und einmal stürzte Kiina und hätte ihn um ein Haar mit sich gerissen; erst im letzten Moment fand er seine Balance wieder.

»Verdammt!« sagte er unwillig. »Paß auf, wo du...«

Wieder erscholl dieses metallische Geräusch, lauter und ungleich deutlicher jetzt, und für einen Moment sah Skar auch hinter dem Höhleneingang das unheimliche grüne Licht aufflackern, ein fremdes böses Glühen, das für den Bruchteil einer Sekunde den Schein des Feuers überstrahlte.

Wie in einer entsetzlichen Fiebervision sah er, wie die Gestalt des riesigen Quorrl am Höhleneingang von diesem unheimlichen Licht eingehüllt wurde und irgend etwas mit ihm geschah. Sein Körper schien zu flackern, erstrahlte für den Bruchteil einer Sekunde selbst in jenem unheimlichen grünen Feuer und kippte zur Seite.

Skar schrie auf, ließ Kiinas Hand los und warf sich vor. Er sah die Bewegung zu spät; vielleicht war er auch einfach nur zu überrascht, um darauf zu reagieren, denn ein Angriff Kiinas war nun wirklich das Letzte, womit er gerechnet hätte. Aber ganz genau das geschah: Sie war auf ein Knie herabgestürzt und stützte sich mit der linken Hand auf dem Boden ab, aber das war es nur, was er dachte - in Wirklichkeit suchten Kiinas tastende Finger nach einem Stein.

Skar riß die Arme in die Höhe, aber der Hieb war so wuchtig, daß er seine Deckung durchbrach; der scharfkantige Felsbrocken traf seine rechte Schläfe mit erbarmungsloser Wucht.

Der Schlag raubte ihm nicht das Bewußtsein, aber er lähmte ihn. Skar kippte hilflos zur Seite, rollte meterweit den Hang wieder herab und blieb bewegungsunfähig liegen. Seine rechte Körperhälfte war taub. Er spürte Blut über sein Gesicht laufen, aber nicht den allermindesten Schmerz, und er hörte, wie Kiina näher kam, war aber unfähig, sich zu bewegen. Irgendwo, weit außerhalb seines Gesichtsfeldes, flammte erneut dieses furchtbare grüne Licht auf, und jetzt hörte er auch Schreie, und obgleich er bewegungsunfähig dalag und nicht einmal den Kopf zu drehen vermochte, wußte er mit unerschütterlicher Gewißheit, daß in diesem Moment dort oben Titchs Quorrl starben; wahrscheinlich zusammen mit ihm; ebenso, wie er begriff, daß er sich wie ein Narr in die Falle hatte locken lassen. Weder für Kiina noch für Anschi oder eines ihrer Mädchen war dieser Angriff überraschend erfolgt. Kiinas angebliche Warnung hatte nur dem einzigen Zweck gedient, ihn von den Quorrl fortzulocken.

Er wartete darauf, daß der Zorn neue Kräfte in ihm mobilisierte, aber das geschah nicht. In seiner Schläfe erwachte allmählich ein dumpfer, pulsierender Schmerz, und ebenso allmählich kehrte auch das Gefühl in seine abgestorbenen Glieder zurück. Aber es war nur Schmerz; das Pulsieren von Nerven, die keine Befehle, sondern nur noch pure Agonie übertrugen. Wie durch einen Vorhang aus blutigem Nebel hindurch sah er Kiina näherkommen und neben ihm niederknien. Auf ihren Zügen erschien Schrecken, als sie erkannte, wie schwer sie ihn getroffen hatte. Ihre Finger berührten sein Gesicht, tasteten über seine aufgeplatzte Schläfe und seinen Nacken, und plötzlich verschwand der Schmerz wie abgeschaltet.

Aber auch jedes andere Gefühl.

Kiina drehte ihn ächzend auf den Rücken und bettete seinen Kopf auf einem flachen Stein. »Es tut mir leid, Skar«, sagte sie. »Aber es mußte sein.«

»Warum?« stöhnte Skar. Hinter Kiinas Silhouette verschlang grünes flackerndes Licht für eine Sekunde die Nacht. Ein weiterer von Titchs Kriegern, vielleicht er selbst.

»Um dich zu retten, du Narr«, antwortete Kiina. »Ich mußte es tun.«

»Du verdammte...«

Skar kam nicht mehr dazu, Kiina zu sagen, was er in diesem Moment von ihr hielt. Sie lächelte milde, streckte abermals die Hand nach seinem Nacken aus, und Skars Bewußtsein erlosch wie eine Kerzenflamme im Sturm.

10.

Da es kein Schlaf war, sondern Betäubung, träumte er nicht. Trotzdem spürte er, daß er nicht sehr lange ohne Bewußtsein gewesen war. Eine Hand aus Stahl lag in seinem Nacken und stützte seinen Hinterkopf, als er erwachte. Sein Kopf tat weh, und die gesamte rechte Seite seines Gesichts war taub, wo ihn der Stein getroffen hatte. Als er versuchte, die Augen zu öffnen, hob sich nur sein linkes Augenlid; unter das andere bohrten sich dünne Schmerzpfeile, die ihn keuchend die Hand ans Gesicht heben ließen. Er fror.

Skar stöhnte, stemmte sich mit der anderen Hand weiter hoch und blinzelte verständnislos in eine Fläche aus Schwarz und mattschimmerndem Horn, die sich erst nach Sekunden zu einem flachen, höhnischen Nicht-Gesicht formte, das keine Augen hatte und trotzdem bis auf den Grund seiner Seele herabblickte. Und über ihm stand der Daij-Djan.

Skar war vollkommen sicher, daß die Bestie vor einer Sekunde noch nicht dort gewesen war, aber jetzt war sie es, klein und tödlich und stumm stand sie da, über ihn gebeugt, die rechte Klaue unter seinen Nacken geschoben, um ihn zu stützen, die andere wie zum Schlag erhoben, ein lautloser Schatten, der aus der Welt des Wahnsinns herübergetreten war, um Skar zu holen.

Er erstarrte. Nie zuvor war er dem Ungeheuer so nahe gewesen wie jetzt. Er konnte ihn riechen. Die eisige Berührung seiner dürren Spinnenglieder auf der Haut fühlen.

Der tödliche Hieb, auf den er wartete, kam nicht. Der Daij-Djan stand einfach da, stumm, aber in eindeutiger Haltung, die mehr aussagte als alle Worte, und Skar begriff in diesem Augenblick endgültig, daß dieses Wesen nicht sein Feind war. Er war es niemals gewesen. Er war niemals gekommen, um ihn zu töten oder auch nur zu verletzen, sondern ganz im Gegenteil, um ihn zu beschützen, über ihn zu wachen wie ein schwarzer Cherubin, vielleicht, wenn er es wollte, mit ihm zu kämpfen, Seite an Seite, wie zwei ungleiche Zwillingsbrüder, die zusammen unbesiegbar waren.

Aber um einen Preis, den Skar niemals zahlen würde. Selbst jetzt nicht.

Mit einem Schrei fuhr er vollends hoch, kroch ein paar Schritte rücklings von dem Ungeheuer fort und hob abwehrend die Hand über das Gesicht. Der Daij-Djan starrte ihn an, machte aber keine Bewegung, um ihm zu folgen. Plötzlich begriff Skar, daß es das Ungeheuer gewesen war, das ihn geweckt hatte. »Was... was willst du von mir?« stammelte er.

Weißt du das denn nicht, Bruder? Die Stimme des Daij-Djan war ein körperloses Flüstern, das wie ein Messer in seine Gedanken schnitt. Skar stöhnte. Die Bestie machte einen Schritt und blieb wieder stehen, und plötzlich war ihre Hand nicht mehr leer. Etwas Schmales, Silbernes glitzerte in der dreifingrigen Insektenklaue. Ein Schwert.