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»Geh!« stöhnte Skar. »Geh weg! Laß mich endlich in Frieden!« Frieden? Der Daij-Djan bewegte sich einen weiteren Schritt auf ihn zu, und Skar erkannte die Klinge, die er in der Hand hielt. Es war nicht irgendein Schwert, sondern seine eigene Klinge; das Tschekal, das er von Del bekommen hatte.

Das hier ist dein Frieden, Bruder, flüsterte die Stimme der Sternenbestie. Die einzige Art von Frieden, für die wir geschaffen sind, du und ich.

»Geh!« sagte Skar noch einmal. Seine Stimme zitterte. Er hob die Hand und führte die Bewegung nicht zu Ende. Die bloße Vorstellung, das Ding zu berühren, ließ etwas in ihm sterben.

Du und ich, wir werden niemals Frieden finden, wisperte das Ungeheuer. Wir SIND der Krieg, Bruder. Nimm es. Nimm dieses Schwert und meine Hilfe, und du wirst siegen. Oder Enwor wird untergehen.

»Niemals!« murmelte Skar.

Der Daij-Djan kam abermals näher. Seine gräßliche Klauenhand streckte sich nach Skar aus, in einer gleichermaßen fordernden wie hilfeverheißenden Geste, aber Skar ignorierte sie. Sekundenlang regte sich keiner von ihnen. Skar starrte das Ungeheuer an, und das Ungeheuer ihn, und es war wie ein stummer, aber gnadenloser Kampf, von dem er selbst hinterher nicht wußte, wer ihn gewonnen hatte. Vielleicht keiner.

Schließlich legte der Daij-Djan das Schwert neben ihn auf einen Stein und trat ein Stück zurück. Anders als die anderen Male, wenn Skar ihm begegnet war, verschwand er nicht, sondern zog sich nur ein paar Schritte weiter zurück und beobachtete ihn.

Vorsichtig stemmte Skar sich in die Höhe. Der Wind schlug ihm eisig ins Gesicht, und sein verletztes Gesicht begann zu brennen, als wäre es mit Säure übergossen. Ein paar Sekunden blieb er schwankend stehen, dann bückte er sich nach seinem Schwert, hob die Klinge auf und schob sie mit einem entschlossenen Ruck in den Gürtel; eine Bewegung, die er gleich darauf bitter bereute, denn sein mißhandelter Schädel quittierte sie mit einem heftigen, an körperlichen Schmerz grenzenden Schwindelanfall. Skar kämpfte das Gefühl mit aller Macht nieder, drehte sich herum und blickte zur Höhle hinauf.

Das grüne Flackern war erloschen, aber das Feuer brannte noch. Es war, wie er geglaubt hatte: er war nur Augenblicke bewußtlos gewesen. Aber was war mit Titch und seinen Männern?

Der Daij-Djan las seine Gedanken, und Skar hörte seine Antwort: ein Flüstern, das nicht von außen kam, sondern aus seiner eigenen Seele, die die Heimat der Bestie war: Du kannst nichts mehr für sie tun, Bruder. Es ist vorbei.

Als er sich herumdrehte, hob der Daij-Djan die Hand. Das lautlose Flüstern in seinem Inneren war verstummt, aber Skar verstand die Geste auch so. Schlag ein, Bruder. Nimm meine Hilfe, und die Welt gehört uns.

Und vielleicht würde er sie sogar annehmen, dachte Skar. Vielleicht würde er irgendwann tun, wozu er schon ein paarmal bereit gewesen war: sein Leben, schlimmer, seine Menschlichkeit zu opfern, um seine Welt zu retten. Aber noch nicht. Wortlos schüttelte er den Kopf.

Der Daij-Djan verschmolz mit den Schatten der Nacht und verschwand. Aber Skar wußte, daß er wiederkommen würde. Bald. Bald.

11.

Er näherte sich der Höhle nicht auf direktem Wege, sondern schlug einen gut hundertfünfzig Schritt messenden Bogen; geduckt, schleichend, eng in den Schatten des Berges gepreßt und das Schwert unter dem Mantel verborgen, damit sich kein verräterischer Lichtstrahl auf der Klinge brach. Zwanzig Schritte vor dem Höhleneingang hielt er an, duckte sich hinter einen Felsgrat und spähte aufmerksam in die Runde. Aus der Höhle erscholl kein Laut, aber unter ihm, im Lager der Errish, herrschte reges Treiben. Schatten bewegten sich vor dem Feuer, viel zu viele Schatten, wie Skar meinte, und die riesigen Silhouetten der Daktylen waren in beständiger, unruhig flatternder Bewegung. Zwei, drei der scheinbar nur daumennagelgroßen Gestalten bewegten sich auf den Hang zu; vielleicht nur, um hier heraufzukommen, vielleicht auch, um ihn zu suchen.

Skar überschlug in Gedanken die Zeit, die ihm noch blieb. Er wußte nicht, wie lange er bewußtlos gewesen war, aber er kannte den Griff, mit dem Kiina ihn betäubt hatte: unter normalen Umständen wäre er für mindestens zwei Stunden hilflos gewesen. Mit etwas Glück blieb ihm also noch eine Frist, bis die Errish bemerkten, daß er nicht mehr da war. Aber Skar wäre schon vor zwanzig Jahren gestorben, hätte er sich auf sein Glück verlassen...

Lautlos huschte er weiter, näherte sich dem Höhleneingang und blieb abermals stehen. Unter dem Felssturz lag die reglose Gestalt des Quorrl, den das grüne Feuer gefällt hatte, und dahinter bewegten sich Schatten. Skar hörte Geräusche. Schritte. Eine Stimme, die in einer Sprache redete, die er nicht kannte. Nicht die Stimme eines Quorrl.

Er glitt weiter, sah noch einmal sichernd ins Tal hinab. Die Errish waren nähergekommen, hatten den Fuß der Geröllhalde aber noch nicht erreicht und schienen es auch nicht besonders eilig zu haben, so daß ihm noch ein wenig Zeit blieb. Er näherte sich im Zickzack der Höhle. Eine schwarze Silhouette glitt vor dem Feuer entlang und verschwand wieder, zu schnell, als daß Skar sie erkennen konnte, aber nicht schnell genug, um ihm zu verbergen, daß sie entschieden zu groß für die eines Menschen war und zu schlank für einen Quorrl.

Es war keines von beiden.

Als Skar die Höhle erreichte, bot sich ihm ein gleichermaßen erschreckendes wie bizarres Bild: Die Quorrl lagen reglos auf dem Boden, mit verrenkten Gliedern und in fast grotesken Haltungen, als wären sie mitten in der Bewegung von einer unsichtbaren Faust getroffen und niedergestreckt worden. Skars Magen zog sich schnell und schmerzhaft zusammen, als er erkannte, daß eine der Gestalten in eine Rüstung aus schimmerndem Gold gehüllt war. Seine Hand schloß sich fester um das Schwert unter dem Mantel, während sein Blick die beiden Schatten suchte, die er von draußen gesehen hatte.

Die Geschöpfe waren sehr groß. Skar schätzte sie auf gute sieben Fuß, aber ein Gutteil dieses Maßes wurde von ihren fast grotesk großen Schädeln beansprucht, unter deren Gewicht die schmalen Schultern fast durchzubrechen schienen. Sie hatten keine Gesichter.

Dann drehte sich eine der beiden Gestalten zu ihm herum, und Skar erkannte seinen Irrtum: Was er für einen mißgestalteten Schädel gehalten hatte, das war ein Helm aus schwarzem Metall, so glatt wie das Gesicht des Daij-Djan und auf eine völlig andere, faßbarere Art ebenso drohend und furchteinflößend. Trotzdem, dachte Skar verwirrt, konnten die Köpfe darunter nicht größer als die normal proportionierter Menschen sein, denn es gab schmale, leicht schräggestellte Sehschlitze, hinter denen Skar das Glitzern eines dunklen Augenpaares wahrnahm.

Skar hielt den Atem an, als sich der Blick dieser Augen für Sekundenbruchteile direkt auf ihn zu richten schien. Er wußte, daß er für jeden dort drinnen unsichtbar sein mußte; die Nacht war wie ein schwarzer Vorhang vor dem Höhleneingang. Aber wer sagte ihm, daß die Augen hinter diesem grotesken Helm die von Menschen waren, und nicht die irgendwelcher Kreaturen, die in der Nacht ebenso deutlich zu sehen vermochten wie er am hellen Tag? Seine Hand schmiegte sich fester um das Schwert. Er war nahe genug, um einen Sprung zu riskieren, und - Der Mann in der sonderbaren Rüstung drehte sich wieder herum und wechselte ein paar Worte mit seinem Begleiter. Skar atmete innerlich auf. Er wartete, bis sich die Gestalt ein wenig vom Eingang wegbewegte, huschte weiter und duckte sich hinter den Körper des toten Quorrl. In der nächsten Sekunde beglückwünschte er sich dazu, den Angriff nicht gewagt zu haben: In der Höhle hielten sich nicht zwei, sondern fast ein Dutzend jener sonderbaren Gestalten auf. Selbst wenn sich unter den bizarren Rüstungen ganz normale Menschen verbargen, wären seine Chancen erbärmlich gewesen, auch nur die ersten Sekunden zu überleben. Und die reglosen Gestalten der Quorrl am Boden bewiesen, daß es sich bei den Helmträgern um alles andere als normale Gegner handelte.