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Er versuchte es, rüttelte ein paarmal an seiner Schulter, rief seinen Namen, so laut er konnte, und ohrfeigte ihn schließlich - mit dem einzigen Ergebnis allerdings, sich an Titchs stahlharten Schuppen den Handrücken aufzureißen.

Enttäuscht richtete er sich auf, sah sichernd zum Eingang zurück und begann die Höhle abzusuchen. Für einen Moment blieb sein Blick auf der Glut hängen, und er erwog den Gedanken, dem Quorrl Schmerz zuzufügen, um ihn aufzuwecken, verwarf ihn aber rasch wieder. Zum einen gab es nicht viel, was einem Quorrl nennenswerte Schmerzen zufügte, ohne ihn schwer zu verletzen, und zum anderen war er ziemlich sicher, daß keine Macht der Welt die betäubende Wirkung des grünen Feuers aufheben konnte, ehe sie nicht von selbst wich. Er fuhr fort, die Höhle zu untersuchen. Skar wußte, daß die Kaverne keinen zweiten Ausgang hatte. Es gab einen winzigen, von hier aus nicht direkt einsehbaren Spalt in ihrer rückwärtigen Wand, der aber nach kaum zwei Metern blind endete, aber selbst, wenn er zum einen ins Freie geführt hätte und zum anderen breit genug gewesen wäre - Skar hätte einfach nicht die Kraft gehabt, den über vierhundert Pfund schweren Quorrl auch nur durch die Höhle zu schleifen, geschweige denn, nach draußen. Ganz davon abgesehen, daß Anschi durchaus in der Lage war, bis fünf zu zählen, und Titchs goldene Rüstung unver... Und dann wußte er, was er tun mußte.

Der Gedanke erschien ihm so verrückt, daß er im ersten Moment selbst davor zurückschreckte - aber es war seine einzige Chance, Titch zu retten. Wenn ihm Zeit genug blieb. Und wenn seine Kraft reichte.

Skar ging zum Eingang der Höhe zurück, duckte sich in den Schatten der Wand und spähte aufmerksam ins Tal hinab. Über den Hang krochen die Lichtpunkte von Fackeln wie leuchtende Käfer, und der Wind trug die aufgeregten Stimmen der Errish zu ihm, die mittlerweile alle ausgeschwärmt zu sein schienen, um nach ihm zu suchen. Vielleicht, dachte er. Seine Chancen waren verzweifelt gering. Aber verzweifelte Pläne hatten die Eigenart, überraschend oft aufzugehen...

Er lief zu Titch zurück, kniete ein zweites Mal neben dem Quorrl nieder und versuchte, ihn herumzudrehen. Im ersten Moment hatte es den Anschein, daß seine Kräfte einfach nicht ausreichten, die vierhundert Pfund des Quorrl zu bewegen, aber dann rollte Titch herum und fiel mit einem sonderbar weichen, unangenehmen Laut auf den Bauch. Sein Helm löste sich vollends und rollte davon. Skar fing ihn auf, legte ihn sorgsam neben sich und begann mit fliegenden Fingern, die kleinen Kupferspangen zu lösen, die Titchs Prunkrüstung zusammenhielten. Ächzend hob er das zentnerschwere Rückenteil des Panzers ab, nestelte an Titchs Beinschützern und Stiefeln herum und zerrte beides mit verzweifelter Kraft herunter. Als letztes löste er den Gürtel des Quorrl und zerrte den metallbesetzten Streifenrock zur Seite.

Er brauchte fast zehn Minuten, den Quorrl völlig zu entkleiden, und dann noch einmal fast die gleiche Zeit, die kräftezehrende Prozedur bei einem zweiten Quorrl zu wiederholen. Die Anstrengung, den Krieger in Titchs Rüstung zu hüllen und diese wenigstens notdürftig zu befestigen, überstieg fast seine Kräfte. Aber er schaffte es, wenn auch vielleicht nur aus dem unerschütterlichen Wissen heraus, daß er ohne Titch verloren war.

Als er fertig war, brach er einfach zusammen. Schwäche kroch wie ein lähmendes Gift in seine Glieder, und als er sie zurückdrängte, kam die Übelkeit. Skar kämpfte minutenlang gegen einen immer stärker werdenden Brechreiz an. Er war hilflos in diesen Augenblicken. Wären Anschi oder eines ihrer Mädchen jetzt in der Höhle erschienen, er hätte nichts anderes tun können, als sich zu ergeben.

Aber das Schicksal oder die Götter - oder vielleicht auch nur der Zufall - schienen es ausnahmsweise einmal gut mit ihm zu meinen. Als er seine Schwäche weit genug überwunden hatte, um wieder zum Höhlenausgang zu kriechen, sah er, daß die Kette aus fackeltragenden Schatten bedrohlich näher gekommen war, aber nicht so nahe, daß ihm keine Zeit mehr blieb. Die Errish bewegten sich sehr langsam, in einer fast vollkommen geraden, weit auseinandergezogenen Kette, die den gesamten Hang überspannte. Sie wollten sichergehen, nicht an ihm vorbei zu laufen. Gut. So war er sicher, nicht im letzten Moment noch überrascht zu werden.

Er ging zu dem Krieger in Titchs Rüstung zurück, streifte ihm den Helm über und begutachtete kritisch sein Werk. Die Täuschung kam ihm selbst lächerlich vor: der Quorrl war eine Handspanne kleiner als Titch, sein Gesicht schmaler und eine Spur blasser, und in der gewaltigen Prunkrüstung des Quorrl-Fürsten wirkte er fast verloren; wie ein Kind, das den Harnisch eines Erwachsenen angelegt hatte. Trotzdem: es war alles, was er tun konnte. Und dazu kam, daß für einen Menschen ein Quorrl normalerweise aussah wie der andere, und Anschi Titch nur ein paarmal gesehen hatte. Möglicherweise würde Kiina den Betrug bemerken, denn sie kannte Titch so lange wie er selbst, aber dieses Risiko mußte er einfach in Kauf nehmen. Die Alternative war, Titch zu opfern.

Er ging zu dem Quorrl zurück, ergriff seine verletzte Hand und löste mit spitzen Fingern den Verband. Die Wunde in Titchs Handfläche blutete noch immer, und Skar fragte sich besorgt, wie lange der Metabolismus des Quorrl den ständigen Blutverlust noch ausgleichen konnte, ehe er einfach an Schwäche starb. Sorgsam schloß er die starren Finger des Quorrl zur Faust, bettete sie auf seiner Brust und wälzte Titch ein letztes Mal herum, so daß er auf dem Bauch zu liegen kam und sein Körper den verletzten Arm verbarg. Dann eilte er zu dem Krieger in Titchs Rüstung zurück, griff nach seiner rechten Hand und zog den Dolch.

Er zögerte.

Etwas in ihm sträubte sich dagegen, es zu tun, obwohl er wußte, daß er gar keine andere Wahl hatte, und die kleine Wunde einem Wesen wie dem Quorrl nicht gefährlich werden konnte. Es war absurd - noch vor zwei Tagen hätte er nicht gezögert, den Quorrl zu töten, hätte es sich als nötig erwiesen. Aber seither war viel geschehen. Der Quorrl vor ihm war kein Tier mehr, und seine Welt war zerbrochen und zu etwas Neuem und Schrecklichem geworden, in dem die alten Werte nicht mehr galten.

Dann hörte er ein Geräusch draußen auf dem Hang und begriff, wie verzweifelt klein sein Vorrat an Zeit noch war. Entschlossen trieb er den Dolch in die Handfläche des Quorrl, preßte den durchgebluteten Verband auf die Wunde und verknotete ihn, so gut er konnte.

Er fand gerade noch Zeit, seine Spuren zu verwischen und sich in den schmalen Felsspalt am anderen Ende der Höhle zu zwängen, ehe die ersten Fackeln vor dem Eingang auftauchten.

12.

Es wurde wieder Tag, bis die Quorrl erwachten, und wie Skar erwartet hatte, war es Titch, der die betäubende Wirkung des grünen Feuers als erster überwand. Das Erwachen schien sehr schmerzhaft zu sein; Titch begann zu stöhnen, als das erste Grau der Dämmerung in die Höhle kroch, aber es verging noch fast eine Stunde, bis er soweit war, die Augen aufzuschlagen und sich in die Höhe zu stemmen. Seine Augen waren verschleiert, und obwohl sein Gesicht eine ausdruckslose Maske aus Schuppen und Horn blieb, spürte Skar genau, daß er sich im ersten Moment nicht zurechtfand. Dann fiel der Blick an Skar vorüber auf die reglos daliegenden Krieger.

»Sie leben«, sagte Skar rasch. »Genau wie du.«

Titch stemmte sich vollends in die Höhe. Er sagte kein Wort, sondern ging mit raschen Schritten an Skar vorbei und kniete neben dem Krieger nieder, der vor dem Eingang lag. Skar sah, daß er ihn rasch, aber sehr gründlich untersuchte, ehe er sich wieder aufrichtete und ihn fragend ansah. »Jarr ist fort.«

»Nein«, antwortete Skar. »Sie haben Titch mitgenommen.« Titch sah ihn verwirrt an, und Skar fügte mit einer erklärenden Geste hinzu: »Den Quorrl in der goldenen Rüstung.« Er lächelte flüchtig, als Titch überrascht zusammenfuhr und an sich herabsah. Offensichtlich war ihm bisher nicht einmal aufgefallen, daß er nackt war.