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»Ich«, verbesserte ihn Skar. »Nicht wir.« Titch wollte widersprechen, aber Skar schnitt ihm mit einer entschiedenen Geste das Wort ab. »Ich«, sagte er betont, »traue mir durchaus zu, dort hinunterzukommen, ohne gesehen zu werden. Du auch?«

»Nein«, antwortete Titch. »Aber ich komme trotzdem mit.« Skar resignierte. Er hatte einfach keine Lust, schon wieder mit dem Quorrl zu streiten - und er sah im Grunde sehr wohl ein, daß Titch recht hatte. Während der letzten acht oder zehn Stunden hatte er mehr Glück gehabt, als selbst mit dem Wort Zufall noch zu erklären war, und vielleicht war es besser, es nicht über die Maßen zu strapazieren. Und außerdem hatte er schlicht und einfach Angst, allein zu sein. Das Ding in ihm war nicht besiegt. Es schlief nicht einmal, sondern wartete ab. Skar wußte nicht, was geschehen würde, wenn er allein einer Errish gegenübertrat. Ohne ein weiteres Wort hob er seinen Mantel vom Boden auf, hüllte sich in den schwarzen Stoff und trat aus der Höhle heraus.

Es gab auf den ersten Metern nicht besonders viel Deckung, aber die frühe Stunde kam ihnen zugute. Die Sonne stand noch tief, und selbst kleine Felsen warfen Schatten, die lang und tief genug waren, sie notdürftig zu verbergen. Und der Quorrl legte trotz seiner Größe und Massigkeit ein erstaunliches Geschick an den Tag: Titch huschte fast lautlos neben ihm her, und mehr als nur einmal fiel es selbst Skar schwer, seinen schuppigen Körper zwischen den Felsen auszumachen, durch die sie sich hindurchschlängelten. Skar beobachtete scharf die Umrisse der beiden Daktylen, während sie sich den Hang hinunterarbeiteten. Die beiden riesigen Flugechsen rührten sich noch immer nicht, und Skars Vermutung, daß irgend etwas mit ihnen nicht stimmte, wurde fast zur Gewißheit. Er wußte, wie scharf die Sinne dieser geflügelten Reptilien waren. Die Daktylen hätten sie einfach gewittert, wenn schon nicht gehört.

Unbehelligt erreichten sie das Ende des Geröllhanges und tauchten zwischen den Felsen unter, die Anschis Lager umgaben. Skar blieb stehen, lauschte. Nichts. Die einzigen Laute, die er hörte, waren das Rascheln des Windes und seine und Titchs gedämpfte Atemzüge. Titch warf ihm einen fragenden Blick zu und machte eine Bewegung, weiter zu gehen, aber Skar schüttelte den Kopf. Lautlos zog er sein Schwert, deutete mit der freien Hand in die dem Talkessel abgewandte Richtung und lief los, ehe der Quorrl Gelegenheit bekam, zu widersprechen. Überflüssig oder nicht, er zog es schon aus reiner Gewohnheit vor, sich dem Lager aus der entgegengesetzten Richtung zu nähern. In weitem Bogen umrundete er die Felsen, auf denen am Abend zuvor Anschis Drachen gesessen hatten, näherte sich der Ebene und hielt wieder an. Ein eisiger Schauer lief über seinen Rücken, als er die gewaltigen Spuren im Sand sah, die die Drachen hinterlassen hatten: Abdrücke riesiger, vierzehiger Klauen, so lang wie ein Mann, der mit ausgestreckten Armen und Beinen dalag, und tief genug, daß er sich bequem darin hätte verbergen können. Titch würde...

Titch würde gar nichts, denn Titch war nicht da.

Skar sah erschrocken hoch, blickte nach rechts und links und hinter sich und blinzelte sogar zu den Felsen über seinem Kopf hoch, ehe er sich eingestand, daß er allein war. Er hatte ganz automatisch angenommen, daß der Quorrl ihm folgen würde, aber Titch hatte es nicht getan. Skar unterdrückte einen Fluch, fuhr herum und rannte zu den Felsen zurück, so schnell er konnte. Trotzdem kam er zu spät.

Titch stand auf der anderen Seite des Tales, als er in das steinerne Oval stürmte, breitbeinig, mit gezogenem Schwert und leicht nach vorne gebeugt, und für einen Moment kam er Skar auch ohne seine goldene Rüstung wie ein schimmernder Racheengel vor, der wie ein Sturmwind über die beiden Errish hereingebrochen sein mußte, die vor ihm lagen.

Skar fluchte, ließ auch den letzten Rest von Vorsicht fallen und rannte mit weit ausgreifenden Schritten auf den Quorrl zu, »Titch!« brüllte er. »Du verdammter Narr! Was -«

Titch sah auf, als er seine Stimme hörte, und im gleichen Moment, in dem Skar in sein Gesicht blickte, erkannte er seinen Irrtum. Auf den Zügen des Quorrl stand nichts als Verblüffung und Schrecken. Der Sand unter den beiden reglosen Gestalten zu seinen Füßen hatte sich dunkel gefärbt, aber die Klinge seines Schwertes war sauber. Titch hatte die beiden Errish nicht getötet. Verwirrt blieb Skar neben ihm stehen, sah erst Titch, dann die beiden Errish und dann wieder Titch an und blinzelte schließlich zu den Daktylen hinauf. Die Sonne stand genau hinter ihnen, so daß er sie nur als schwarze Schatten erkannte, aber er wußte mit unerschütterlicher Sicherheit, daß auch sie tot waren, ausgelöscht von derselben, gnadenlosen Kreatur, die auch die beiden jungen Frauen getötet hatte.

»Du bist völlig sicher, daß du heute nacht nicht einen kleinen Spaziergang unternommen hast, von dem ich nichts weiß?« fragte Titch. Der Klang seiner Stimme strafte die bewußt lockere Wahl seiner Worte Lügen. Sie klang belegt, auf eine Art und Weise betroffen, die Skar dem Quorrl bisher gar nicht zugetraut hatte. Stumm schüttelte er den Kopf, schob sein Schwert in den Gürtel zurück und sah sich genauer um, wobei er es fast krampfhaft vermied, die beiden toten Errish zu seinen Füßen anzublicken. Aber das nutzte ihm nichts. Er mußte die Toten nicht untersuchen, um zu wissen, was sie umgebracht hatte. Er hatte die Antwort in Titchs Augen gelesen, als er sich zu ihm herumgedreht und ihn angesehen hatte, das stumme, lodernde Entsetzen, das er schon einmal in den Blicken des Quorrl gesehen hatte. Titch kannte die entsetzlichen Wunden, die der Daij-Djan schlug, so gut wie er. Und selbst, wenn es nicht so gewesen wäre: die Spuren des Kampfes, der hier stattgefunden hatte, waren überdeutlich, und der logische Teil von Skars Bewußtsein lieferte ihm die wenigen restlichen Teile, die nötig waren, das Mosaik vollends zusammenzusetzen. Anschi und ihre Mädchen waren wohl tatsächlich aufgebrochen, um in den Bergen nach ihm zu suchen, aber sie war zumindest klug genug gewesen, eine Wache zurückzulassen; und sei es nur, weil sie vielleicht angenommen hatte, er könnte zurückkehren, um nach den Quorrl zu sehen. Vielleicht war das der Grund, aus dem niemand sich die Mühe gemacht hatte, ihn oben in der Höhle zu suchen, ja, möglicherweise hatte Anschi den Betrug sogar durchschaut und genau gewußt, wo er war, war aber davor zurückgeschreckt, ihn gewaltsam aus dem Berg herauszuholen. Und wozu auch? Es reichte, eine Wache zurückzulassen, die den Höhleneingang im Auge behielt.

Ja, dachte er schaudernd - so mußte es gewesen sein. Anschi hatte sich taktisch klüger verhalten, als er es ihr bisher zugebilligt hatte. Nur eines hatte sie nicht vorausahnen können.

Daß er nicht allein war.

Etwas hatte die beiden jungen Frauen getötet; gnadenlos und mit großer Grausamkeit, aber keineswegs schnelclass="underline" eine dunkle, entsetzlich breite Blutspur zog sich über eine Strecke von fast zwanzig Schritten zu einem der erstarrten Körper, und in die Felsen unterhalb der Daktylen waren glasierte schwarze Blitze eingebrannt. Zumindest eine der beiden Errish war noch dazu gekommen, ihre Scannerwaffe zu ziehen und sich zu verteidigen. Skar fragte sich, ob sie noch Zeit gefunden hatte, zu begreifen, daß sie gegen eine Kreatur kämpfte, die man nicht töten konnte.

»Sie... werden wiederkommen«, sagte Titch stockend. Seine Stimme zitterte. Skar spürte, daß er nur sprach, um überhaupt etwas zu sagen und das entsetzliche Schweigen zu durchbrechen. Der Blick des Quorrl irrte unstet durch das Tal, wie der Skars krampfhaft darum bemüht, nicht die beiden toten Errish zu streifen, als hätte er Angst, sich mit etwas von dem zu besudeln, was sie umgebracht hatte.

Aber er wich auch ihm aus.

Und plötzlich war Skar gar nicht mehr so sicher, ob er wirklich wußte, wovor der Quorrl Angst hatte.