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»Laß uns gehen, Titch«, sagte er.

Der Quorrl rührte sich nicht, aber er sah ihn auch jetzt noch nicht an, sondern starrte aus weit aufgerissenen Augen auf einen imaginären Punkt irgendwo zwischen ihm und den Felsen auf der anderen Seite des Tales.

»Titch.«

»Sie haben unsere Pferde mitgenommen. Und fast unsere ganze Ausrüstung.« Natürlich war es nicht das, was der Quorrl wirklich fühlte. Er klammerte sich einfach an ein paar scheinbar praktische Probleme, um die andere Frage nicht stellen zu müssen, deren Antwort vor ihm lag.

»Sie haben Kiina mitgenommen«, erinnerte Skar. »Ich muß sie suchen.«

»Suchen? Und wo?«

»Das weißt du so gut wie ich«, antwortete Skar, plötzlich wieder zornig. »Aber du mußt nicht mitkommen, wenn du nicht willst.«

»Du gibst mich frei?« Titch lachte leise, aber es klang überhaupt nicht amüsiert, sondern nur bitter, fast wie ein Schrei. »Du verlangst nicht mehr, daß ich lebe?«

»Meinetwegen schneid dir doch die Kehle durch, du blödes Fischgesicht«, fauchte Skar. »Ich kann dieses endlose Gerede vom Tod und Sterben und Ehre nicht mehr hören. Nimm deine Krötenkrieger und stürz dich ins Meer, wenn es dir Spaß macht!« Er wollte das nicht sagen, aber etwas trieb ihn dazu, es zu tun, eine Kraft, die stärker war als sein Wille. Brodelnde Wut überschwemmte seine Gedanken wie Lava, blitzschnell und so warnungslos, daß er nicht einmal mehr Zeit fand, zu begreifen, daß er dem Angriff diesmal erlegen war. Er schrie auf, stürzte sich auf den Quorrl und riß gleichzeitig das Schwert aus dem Gürtel.

Titch schlug ihn nieder.

Der Hieb war weder besonders schnell noch besonders hart, aber die Wut machte Skar blind. Er dachte nur noch daran, den Quorrl zu verletzen, ihn zu schlagen und zu töten, nicht mehr daran, sich selbst zu schützen. Titchs Handkante traf seinen Nacken und ließ seinen Ansturm zu einem ungeschickten Stolpern werden, dem der Quorrl mit einer fast spielerischen Bewegung auswich. Dann trat er nach seinem Bein, aber auch jetzt eher sanft, so daß er ihn nur zu Fall brachte und nicht den Knochen brach. Skar stürzte, verlor sein Schwert und griff instinktiv um sich. Seine Finger tasteten über rauhen Stoff und Leder, glitten über kalte Haut und klebriges, erst halb geronnenes Blut und bekamen etwas Kaltes, Stahlhartes zu fassen.

Titch und das Ungeheuer in ihm selbst schrien zur gleichen Zeit auf, als Skar herumfuhr und den Scanner der toten Errish in die Höhe riß. Der Quorrl bewegte sich, aber Skar wußte, daß er zu langsam sein würde. Der Lauf des Scanners folgte seiner Gestalt unerbittlich, während Skars Finger nach dem Auslöser der höllischen Waffe tastete und...

Nicht weit hinter Titch stand ein Schatten: klein, schlank wie ein Kind und ohne Gesicht und trotzdem höhnisch grinsend, als er eine seiner dürren Spinnenarme hob und auf den Quorrl deutete. Töte ihn. Vernichte ihn, Skar. Töte ihn für mich, so wie ich diese hier für dich getötet habe.

Titch führte seine Bewegung zu Ende und sprang auf ihn zu, aber Skar regte sich nicht. Sein Blick saugte sich an der schwarzen Silhouette des Daij-Djan fest, und für den Bruchteil einer Sekunde spürte er, wie sein Widerstand zerbrach. Sein Finger preßte den Feuerknopf des Scanners nieder.

Aber der nadeldünne Stab aus Licht traf nicht den Quorrl, sondern den dürren Insektenschatten hinter ihm.

Der Daij-Djan flammte auf wie unter einem unheimlichen inneren Feuer, und für einen Moment hatte er ein Gesicht, Skars eigene Züge, aus dessen Augen ihm lodernde rote Glut entgegenstrahlte. Dann verschwand er, so lautlos und schnell, wie er es stets tat. Skar schleuderte die Waffe in hohem Bogen von sich, blieb sekundenlang mit geschlossenen Augen liegen und krallte die Hände in den lockeren Sand. Es war noch nicht vorbei, aber plötzlich hatte er die Kraft, dagegen zu kämpfen. Er bildete sich ein, daß es der Quorrl wäre, Titchs Gesicht, in das er die Finger grub, um es zu zermalmen, und diese Vorstellung half: das rote Ungeheuer in seinen Gedanken zog sich zurück, langsam, widerwillig, aber für den Moment noch einmal geschlagen.

Als Skar sich mühsam auf den Rücken wälzte, stand Titch breitbeinig über ihm, ohne Waffe, aber mit geballten Fäusten und mißtrauisch zusammengepreßten Augen. Aber er wirkte eher verwirrt als zornig.

»Es ist gut«, murmelte Skar. »Alles in Ordnung, Titch. Ich... habe es wieder in der Gewalt.«

Titch blickte fragend, und Skar antwortete mit einem ebenso wortlosen Nicken. Es war schlimmer, als sie beide geglaubt hatten. Und ihnen blieb sehr viel weniger Zeit.

Skar bückte sich zum zweiten Mal nach dem Scanner der Errish, als sie das Lager verlassen wollten. Aber er nahm die Waffe nicht mit, sondern wog sie nur einen Moment nachdenklich in der Hand und schleuderte sie dann mit einer fast angewiderten Geste davon. Er wußte, daß er seinen Entschluß spätestens in ein paar Tagen bitter bereuen würde, aber er brachte es einfach nicht über sich, die Waffe einzustecken.

Titch sah ihm schweigend zu, und auch sein Gesicht verriet keine Regung; trotzdem war Skar klar, daß der Quorrl seine Handlung mißbilligen mußte. Die Scanner waren äußerst wirkungsvolle Waffen. Sie hätten sie gebraucht, dort, wo sie hingingen.

Als er sich umwenden wollte, um das Tal endgültig zu verlassen, hielt Titch ihn zurück und deutete auf die beiden toten Errish. »Was geschieht mit ihnen?«

Skar sah ihn unverstehend an, und der Quorrl fügte hinzu: »Wir sollten sie begraben.«

Skar schwieg noch immer, jetzt aber aus Betroffenheit, daß es der Quorrl gewesen war, der diese Frage aussprach, nicht er. Er tat so, als überlege er, dann schüttelte er den Kopf. »Der Boden ist zu hart. Und wir haben keine Zeit. Die anderen werden zurückkommen, wenn sie nichts von ihren Schwestern hören.«

Titch zuckte mit den Schultern und drehte sich wortlos um, aber Skar spürte genau, daß er die Worte als das erkannt hatte, was sie waren: eine Ausrede. Sie hatten mehr als genug Zeit, bis Titchs Krieger sich weit genug erholt hatten, den Weitermarsch anzutreten, und mehr als genug lose Steine und Felsbrocken, die sie über die Leichen häufen konnten. Schweigend verließen sie das steinerne Grab und machten sich auf den Rückweg zur Felsenhöhle. Die Daktylen tauchten auf, als sie den halben Weg hinter sich gebracht hatten. Skar bemerkte sie nicht einmal. Es war Titch, der plötzlich seinen Arm ergriff und ihn in die Deckung eines Felsbrockens zerrte, so grob, daß Skar ungeschickt auf die Knie herabfiel und sich die Hand verzerrte, bei dem Versuch, den Sturz abzufangen. Er fluchte.

»Was zum -«

Titch schnitt ihm mit einer zornigen Geste das Wort ab und deutete mit der anderen Hand in den Himmel hinauf. Skars Blick folgte der Bewegung.

Über dem Berggipfel waren zwei winzige, dreieckige Schatten erschienen, zu denen sich Augenblicke später ein dritter Drachenvogel gesellte. Dicht hintereinander, aber in unterschiedlicher Höhe, glitten die drei Daktylen durch die Luft, schwenkten plötzlich nach Westen ab und begannen mit schwerfälligen Flügelschlägen über dem Tal zu kreisen, wobei sie langsam, aber sehr gleichmäßig an Höhe verloren, so daß ihr Flug zu einer enger werdenden Spirale wurde, deren Mittelpunkt sich fast genau über Skar und dem Quorrl befand.

»Errish!« sagte Skar überflüssigerweise. »Verdammt, das ist doch kein Zufall mehr!«

»Natürlich nicht«, knurrte Titch. »Sie haben den Scannerblitz gesehen. Glaubst du, sie sind blind?«

Skar verschluckte die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Titch hatte recht, auch wenn er es nur ungern zugab, denn diese Erklärung bedeutete nichts anderes, als daß er selbst für das plötzliche Auftauchen dieser drei Errish verantwortlich war. »Weg hier!« sagte Titch. »Wenn sie noch ein Stück tiefer gehen, sehen sie uns.« Er wollte aufstehen, um den Hang weiter hinaufzuhuschen, aber Skar hielt ihn zurück, denn in diesem Moment löste sich eine der drei Daktylen aus dem kleinen Verband und jagte wie eine riesige schwarze Speerspitze auf den Eingang der Quorrl-Höhle zu und begann dicht davor zu kreisen. Die beiden anderen Daktylen näherten sich dem Tal mit den beiden toten Errish und setzten ungeschickt auf den Felsen zur Landung an.