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»Belogen?«

»Geh nicht dorthin«, sagte Titch anstelle einer direkten Antwort. Er deutete ins Tal hinab. Skar wollte etwas sagen, aber Titch machte eine rasche Handbewegung und fuhr fort: »Es ist nicht, was du glaubst. Aber du kannst das Mädchen nicht retten. Niemand kann das jetzt noch. Sie... stirbt. So oder so. Ihr werdet beide sterben«, fügte er leiser hinzu.

Skar sah ihn fragend an. Der Quorrl drehte sich zu ihm herum, zog ganz langsam sein Schwert und hielt Skar die Klinge hin. »Sieh dich an.«

Verwirrt nahm Skar dem Quorrl die Waffe aus der Hand und drehte die blitzende Klinge so lange, bis sich sein eigenes Gesicht in ihrer Oberfläche spiegelte. Das Bild war verzerrt; die Kratzer, die die Waffe davongetragen hatte, schienen sein Antlitz in mehrere ungleiche Teile zu teilen, die nicht ganz perfekt zusammenpaßten. Aber er sah trotzdem, was der Quorrl meinte, und er erschrak. Das Gesicht, das ihm entgegengrinste, war das eines Toten. Seine Haut war bleich, fast weiß, und mit häßlichen grauen Flecken übersät, und unter seinen Augen und auf seinen Wangen lagen schwarze Schatten. Sein Haar war dünn geworden, und als er den Mund öffnete, sah er, daß sein Zahnfleisch zurückgewichen war. Er erinnerte sich, wie sehr er erschrocken war, als er Kiina angesehen hatte, vor zwei Tagen, im Lager der Errish. Jetzt bot er selbst einen fast noch schlimmeren Anblick.

Zögernd gab er Titch das Schwert zurück und sah ihn fragend an. »Der Staub?«

»Nein«, antwortete der Quorrl. »Oder vielleicht doch, ja. Du fühlst dich schwach. Jede Bewegung fällt dir schwer. Und du blutest.«

»Es wird doch schon besser«, sagte Skar leichthin. »Als ich Kiina...«

»Es wird besser, für eine Weile, aber frißt dich von innen heraus auf. Dich und das Mädchen. In einer Woche, längstens einem Monat, seid ihr tot. Beide. Und es wird kein angenehmer Tod sein.« Skar dachte an den Ausdruck entsetzlicher Pein, den er auf dem Gesicht der Margoi gelesen hatte, und schwieg. Plötzlich war ihm kalt. »Erzähle.«

»Ich habe es geahnt«, sagte Titch. »Schon als du von der alten Frau erzählt hast, die ihr unter Elay gefunden habt. Später, als ich von dem Licht hörte, wußte ich es. Aber ich wollte sichergehen. Und später...« Er zögerte, drehte mit einem Ruck den Kopf und starrte wieder in den Abgrund hinab. »Vielleicht wollte ich, daß ihr sterbt«, flüsterte er. »Ich habe geglaubt, dich zu hassen.« Du hast nicht mehr viel Zeit, Bruder, flüsterte die Stimme des Daij-Djan hinter seiner Stirn. Weniger, als du glaubst. Skar schauderte.

»Es ist nur eine Legende«, fuhr Titch fort, als er nichts sagte. »Wir haben Tausende von Legenden, Skar. Ich habe sie alle für Märchen gehalten. Aber es... es sieht so aus, als wären die Legenden wahr, und das, was wir für Wahrheit gehalten haben, Legende.«

»Erzähl sie mir«, bat Skar. Seltsam, er hatte immer noch keine Angst. Der Gedanke an seinen eigenen Tod hatte jeden Schrecken für ihn verloren. Vielleicht hatte er seine Fähigkeit, Angst zu haben, einfach überstrapaziert.

»Was Elay vernichtet hat, ist eine Waffe der Alten. Es ist Sternenfeuer, Skar. Das Feuer der Sonne, vom Himmel geholt. Es verbrennt Städte und Länder, und die, die ihm entkommen, tötet es mit seinem giftigen Atem. Manchmal sofort, wie die Errish, manchmal erst nach Wochen. Du wirst krank und stirbst, oder du erholst dich und stirbst später. Aber du stirbst.«

Vielleicht war es gut so, dachte Skar. Etwas in ihm sehnte den Tod herbei, auch wenn sich sein Verstand davor fürchtete; nicht vor dem großen Nichts, sondern vor der körperlichen Qual, der ein Ende wie das der Margoi begleiten mußte. Es tat ihm um Kiina leid.

»Und es gibt keine Rettung?«

»Das Wasser des Lebens«, antwortete Titch. »Es heißt, daß es alle Krankheiten heilt, wenn es dich nicht tötet.«

»Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren.«

»Der Weg ist zu weit«, antwortete Titch ruhig. »Selbst wenn wir das Mädchen nicht befreien müßten, selbst, wenn wir Pferde hätten, und selbst, wenn du ein Quorrl wärst und dich nicht verstecken müßtest, brauchten wir Wochen, um den Heiligen Ort zu erreichen.« Er deutete nach Norden, weit über die Grenzen des Drachenlandes hinaus, dort, wo in Hunderten und Aberhunderten Meilen Entfernung das Land der Quorrl lag, aber für Skar war es, als wiese seine blutende Hand direkt auf den schwarzen Turm im Herzen des Tales, den Moloch, der Kiina verschlungen hatte und der auch auf ihn wartet. Dann wies seine Hand nach links, zu einer Stelle am Rand der Klippe, eine halbe Meile entfernt. »Dort drüben scheint es einen Abstieg zu geben. Ich war nicht sehr weit, aber der Weg sieht begehbar aus. Es gibt Spuren.«

Skar fragte sich, warum Titch ihm das alles erzählt hatte. Wenn er recht hatte, und Skar wußte, daß es so war, dann war sowieso alles sinnlos, dann war ihr Kampf verloren, selbst, wenn es ihnen gelang, Kiina aus der Gewalt der Zauberpriester zu befreien, denn sie würde kurz darauf so oder so sterben. Aber dann begriff er, daß Titch einfach nicht länger hatte schweigen können. Hätte er es getan, dann wäre es für Titch so gewesen, als hätte er selbst Skar umgebracht.

»Wenn es der einzige Weg ist, dann werden sie dort unten auf uns warten«, sagte Skar.

Titch starrte ihn an. Er schien zu begreifen, warum Skar so abrupt das Thema wechselte. Ein dünnes, fast menschliches Lächeln stahl sich auf seine Raubtierzüge. »Ein Grund mehr, keine Zeit mehr zu verlieren«, sagte er. »Man sollte eine Errish niemals warten lassen, nicht wahr?«

Sie wurden nicht erwartet. Der Abstieg hinunter ins Tal der Drachen erwies sich sogar als wesentlich leichter, als Skar befürchtet hatte, denn was auf den ersten Schritten nur ein schmaler, jäh in die Tiefe führender Pfad war, wurde nach einem Viertel der Strecke zu einer breit ausgebauten und von zahllosen Füßen glattpolierten Treppe, die in gewagten Windungen und Kehren in die Tiefe und auf den letzten zwanzig, dreißig Metern sogar durch einen Tunnel im Inneren des Berges führte, die in einer kleinen, zu einer Seite offenen Höhle endete. Auf dem Boden waren die Spuren zahlreicher Feuer, hier und da lagen achtlos liegengelassene Kleinigkeiten, die verrieten, daß dieser Weg in der Vergangenheit oft benutzt worden war, zugleich aber, daß ihn seit Monaten niemand mehr gegangen sein konnte.

Sie legten eine kurze Rast ein, und Titch ließ Skar zurück, um sich draußen ein wenig umzusehen. Skar protestierte nicht. Der Quorrl hatte längst die Führung übernommen, während Skar selbst nur noch die Richtung bestimmte, in der sie gingen, und das war auch gut so, denn Titch war zumindest körperlich in der besseren Verfassung.

Titch blieb nicht sehr lange, aber er sah besorgt aus, als er zurückkam. Skar stand auf und ging ihm ein paar Schritte entgegen, verließ die Höhle aber noch nicht, »Was hast du?« fragte er. »Hast du jemanden gesehen?«

Der Quorrl schüttelte den Kopf. »Nein. Aber die Gegend gefällt mir nicht.« Er machte eine vage Geste zum Höhleneingang. »Es ist heiß, und der Sand ist so fein wie Puder. Man wird unsere Spuren meilenweit sehen.«

»Sie wissen sowieso, daß wir kommen«, sagte Skar müde. »Sie wissen, daß du kommst«, verbesserte ihn Titch. »Deinen Quorrl-Freund werden wir töten«, zitierte er Anschis Worte. »Wir haben nicht viele Vorteile, aber einer davon ist, daß sie nichts von mir wissen. Wir sollten ihn nicht verschenken.«

»Und was schlägst du vor?«

»Wir trennen uns«, sagte Titch. Er hob rasch die Hand, als Skar protestieren wollte. »Nur für eine Weile. Bis zum Waldrand sind es drei oder vier Meilen, nicht mehr. Ich werde die gleiche Strecke hier am Fuße der Wand entlanggehen, aber nach Westen, nicht nach Norden. Dann mache ich kehrt und folge dir. Komm.« Er wandte sich um und trat an den Ausgang der Höhle.