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Titch und er sprangen gleichzeitig auf die Füße und fuhren herum, aber es war zu spät.

Als wäre die flüsternde Stimme aus Ians Helm ein Signal gewesen, erwachte die Nacht zum Leben. Ein Paar gigantischer, schwarzer Flügel verdunkelte den Himmel, und eine Sekunde später stieß eine Daktyle auf sie herab und griff kreischend an. Skar schlug einen Haken, während Titch in die entgegengesetzte Richtung auszuweichen versuchte, aber die Überraschung war total. Die riesigen Schwingen der Daktyle streiften den Quorrl und ließen ihn stürzen und meterweit davonrollen, und der pure Luftzug des gewaltigen Flügelpaares reichte aus, auch Skar taumeln zu lassen. Er fiel, raffte sich wieder auf und lief zu Titch zurück, um ihm auf die Füße zu helfen.

Eine zweite Daktyle erschien aus der Nacht, eine dritte, vierte, und plötzlich war der Himmel voller schlagender Flügel und schwarzer, tobender Schatten. Skar hieb mit seinem Schwert nach einer der Flugechsen, aber die Daktyle wich ihm mit einer fast spielerischen Bewegung aus. Er verlor durch die Wucht seines eigenen Hiebes abermals die Balance, stürzte nach vorne und rollte blitzschnell zur Seite, als gräßliche Klauen den Boden dort aufrissen, wo er gelegen hatte. Wieder schlug er zu. Die Spitze seines Tschekal fuhr mit einem reißenden Laut durch Horn und Fleisch, und aus dem aggressiven Schreien der Daktyle wurde ein gequältes Kreischen. Mit unbeholfenen Flügelschlägen flatterte die Bestie davon.

Aber es war nur eine Sekunde, die Skar gewonnen hatte. Über ihnen kreisten mindestens ein Dutzend Daktylen, Anschis gesamte verbliebene Armee, die herangekommen waren, während Ian sich mit ihnen unterhielt. Plötzlich verstand er den bösen Triumph in den Augen des Zauberpriesters. Ian hatte gewußt, daß er nur ein paar Minuten herauszuschinden brauchte. Was für Narren waren sie doch gewesen!

Skar sprang auf, lief ein paar Schritte und sah ein grünes Funkeln am Boden. Ein Teil seines Verstandes sagte ihm, daß es sinnlos war, daß er aufgeben und wenigstens sein Leben retten sollte, aber der Zorn war stärker, war wieder da, wütender und unbezwingbarer denn je. Mit einem Hechtsprung warf er sich vor, packte die Waffe mit beiden Händen und rollte herum.

Ian kreischte vor Schrecken, als er sah, was Skar tat. »Paßt auf! Er hat einen Schläfer!«

Zwei, drei der flatternden Riesenschatten hoben sich erschrocken davon. Skar sprang hoch, richtete die Waffe in die Luft und drückte ab, fast ohne zu zielen.

Grünes Licht hüllte eine der Daktylen ein. Die Reiterin auf ihrem Rücken bäumte sich auf und fiel aus dem Sattel, ein Sturz von hundert oder mehr Fuß, der sie umbringen mußte, Sekundenbruchteile, bevor ihr Reittier wie ein Stein in die Tiefe fiel. Skar drückte noch einmal ab. Diesmal streifte das grüne Leuchten nur die Schwinge eines der Echsenvögel, aber schon diese sanfte Berührung reichte, das Tier aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mit einem schmerzerfüllten Kreischen stob es davon und sank mit hilflos flatternden Schwingen zu Boden.

Ein blauweißer Blitz zerriß die Nacht, und kaum eine Armeslänge vor Skar verwandelte sich der Boden in hochspritzende Glut. Skar taumelte zurück und riß schützend die Hände vor das Gesicht. Der Scannerschuß hatte ihn geblendet; vor seinen Augen waren nur noch rote und weiße Blitze. Trotzdem hob er die Waffe und schoß blindlings in die Luft.

»Skar!« Er erkannte Anschis Stimme, und seine Wut wuchs ins Unermeßliche. »Der nächste Schuß trifft! Wirf die Waffe weg und gib endlich auf!«

»Nein!« brüllte Skar. »Kommt her! Kommt her und bringt mich um! Ihr kriegt mich nicht!« Er blinzelte. In die weißen und roten Linien vor seinen Augen begannen sich flatternde Schatten zu mischen. Er zielte hastig, drückte ab und ahnte mehr, daß er danebengeschossen hatte, als er es sah. »Kommt her!« schrie er noch einmal. »Tötet mich oder verschwindet, aber lebendig bekommt ihr mich nicht!«

Und plötzlich wurde es still. Das Rauschen der Riesenschwingen wurde leiser und hörte nach Augenblicken ganz auf, als die Daktylen eine nach der anderen zu Boden sanken und ihre Reiterinnen abstiegen. Mehr als ein Dutzend Scanner richteten sich drohend auf Skar, und die Waffe in seiner Hand kam ihm mit einem Male lächerlich vor, noch nutzloser als das Schwert. Trotzdem richtete er sie drohend auf die vorderste Errish. Die junge Frau blieb tatsächlich stehen, aber Skar wußte, daß er verloren hatte. Er hatte überhaupt keine Angst. Er dachte nur wieder an Kiina und spürte das gleiche, tiefe Bedauern wie beim ersten Mal. Es spielte keine Rolle mehr, wenn er starb. Er hatte sein Leben gelebt - zweimal sogar - und den Tod wahrscheinlich hundertfach verdient. Aber das Kiinas hatte gerade erst begonnen.

»Gib auf, Satai. Zwing uns nicht, dich zu verletzen.«

Im ersten Moment dachte er, es wäre Ians Stimme. Aber dann fiel ihm auf, daß sie aus der falschen Richtung kam. Vorsichtig drehte er sich herum.

Auf der anderen Seite des Lagerfeuers hatte sich eine gewaltige Gestalt erhoben. Die Glut spiegelte sich wie flüssiges Blut in seinem riesigen Helm und vermischte sich mit dem wirklichen Blut, das aus seinem verwundeten Arm tropfte. Es war unmöglich, dachte Skar fast betäubt. Er hatte gesehen, wie das grüne Feuer Titch und seine Quorrl für Stunden außer Gefecht setzte - aber der Zauberpriester stand nach wenigen Minuten wieder aufrecht und sichtlich unbeschadet da. Skar glaubte, den bohrenden Blick seiner Augen durch das schwarze Metall des Helmes hindurch zu spüren. Drohend richtete er den Schläfer auf die riesige Gestalt. »Bleib, wo du bist«, sagte er.

Der Zauberpriester (war er das wirklich? Skar war nicht mehr sicher) lachte leise. »Diese Waffe kann mich nicht verletzen«, sagte er. »Gib auf.«

Skar reagierte nicht. Fünf, dann zehn Sekunden lang starrten sie sich einfach nur wortlos an, ehe die Gestalt in der schwarzen Rüstung die Hände an den Helm hob, vorsichtig, mit einer bewußt langsamen, überdeutlichen Bewegung, um Skar nicht zu einem Angriff zu provozieren. Der schwarze Helm löste sich und glitt in die Höhe.

Skar sog überrascht die Luft ein, als er das Gesicht sah, daß darunter zum Vorschein kam.

Es waren nicht die Züge eines Zauberpriesters. Es war überhaupt kein Mensch.

Im ersten Moment glaubte Skar, einem Quorrl gegenüberzustehen, aber schon beim zweiten Hinsehen begriff er, daß auch dieser Eindruck täuschte. Das Wesen in der schwarzen Rüstung war riesig gut einen Fuß größer als Titch und ungleich muskulöser, und es glich tatsächlich ein wenig einem Quorrl, gleichzeitig aber auch einem Menschen und dann wieder keinem von beiden. Sein Gesicht trug eindeutig reptilienhafte Züge, aber anders als bei Titch und seinen Brüdern war es ungleich feiner geschnitten, elegant und fast edel, wo bei einem Quorrl Wildheit und Kraft vorherrschten. Die Schuppen, die seine Haut bedeckten, blitzten in hellgoldenem Farbton. Das Wesen sah aus wie eine Statue, von einem begnadeten Künstler erschaffen, um dem Wort Kraft Ausdruck zu verleihen, und von einem ebenso begnadeten Magier zum Leben erweckt. Skar war fassunglos. Etwas an dieser gigantischen, goldglänzenden Kreatur erschlug ihn schier, und es war nicht nur sein Äußeres.

»Titch«, sagte der Goldene fast sanft.

Vielleicht ahnte Skar sogar im letzten Moment, was geschehen würde, aber er war unfähig, zu reagieren. Der Anblick der riesigen schimmernden Kreatur lähmte ihn. Er hörte Titchs Schritte, spürte den Luftzug, als der Quorrl den Arm hob, und dann schlug Titchs Hand mit fürchterlicher Gewalt in seinen Nacken und schleuderte ihn zu Boden.

Skar verlor das Bewußtsein, aber im allerletzten Augenblick, ehe seine Gedanken erloschen, sah er noch, wie Titch neben ihm auf die Knie sank und demütig das Haupt vor dem goldenen Riesen senkte. Und er hörte das Wort, das der Quorrl flüsterte: »HERR!«

ENDE DES ACHTEN TEILS