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»Es gibt ein Dope-Museum hier in Nimbin«, erklärte Andrew. »Das meiste ist Mist, aber wenn ich mich richtig erinnere, gab es auch ein paar Originalbilder von der Mexicoreise von Ken Kensey, Jack Kerouac und den anderen Pionieren aus der Zeit, als sie mit bewußtseinserweiternden Drogen experimentierten.«

»Aus der Zeit, als LSD ungefährlich war?«

»Und Sex nur gesund. Eine wunderbare Zeit, Harry Hole. You should have been there, man!«

Sie stellten den Wagen etwas weiter die Straße hinunter ab und gingen zurück. Harry nahm seine Ray Ban-Sonnenbrille ab und versuchte, zivil auszusehen. Es war ganz offensichtlich ein stiller Tag in Nimbin, so daß der Weg zwischen den Händlern hindurch für Harry und Andrew zum reinsten Spießrutenlauf wurde: Good grass … Best grass in Australia, man! … Grass from Papua New Guinea, mindblowin'!

»Papua New Guinea«, schnaubte Andrew, »sogar hier, in der Hauptstadt des Gras, leben die Menschen mit der Vorstellung, daß das Gras besser ist, wenn es von einem Ort stammt, der nur weit genug entfernt liegt. Kauft australisches, sage ich nur!«

Eine schwangere und trotzdem magere junge Frau saß auf einem Stuhl vor dem Museum und winkte ihnen zu. Ihr Alter war schwer zu schätzen, irgendwo zwischen zwanzig und vierzig. Sie trug ein weites buntes Gewand, und die Knöpfe ihres Hemdes waren vorne und unten geöffnet, so daß ihr runder Bauch mit der gespannten Haut wie eine Trommel darunter hervorragte. Harry fühlte sich durch sie an irgend jemanden erinnert, wußte aber nicht an wen. Die Größe ihrer Pupillen zeigte deutlich, daß mehr als nur Gras auf ihrem Frühstücksmenü gestanden hatte.

»Looking for something else?« fragte sie. Sie hatte bemerkt, daß die beiden kein Interesse gezeigt hatten, Marihuana zu kaufen.

»Nein …« begann Harry.

»Acid? LSD? Ihr wollt LSD, nicht wahr?« Sie lehnte sich zu ihnen vor und sprach schnell und eindringlich.

»Nein, wir wollen kein LSD«, antwortete Harry, »wir suchen nach etwas anderem, klar?«

Sie blieb sitzen und schaute sie an. Andrew machte ein Zeichen, weiterzugehen, doch da sprang sie plötzlich auf, als würde sie ihr Bauch nicht im geringsten hindern, und ergriff Andrews Arm: »Okay. Aber das können wir nicht hier machen. Ihr könnt mich in zehn Minuten in dem Pub da drüben treffen.«

Andrew nickte und sie drehte sich um und ging mit ihrem runden Bauch die Straße hinunter, dicht gefolgt von einem Hundewelpen.

»Ich weiß, was du meinst, Harry«, sagte Andrew und zündete sich eine Zigarre an. »Daß es nicht nett war, diese gutherzige Mutter glauben zu lassen, wir wollten Heroin kaufen. Daß die Polizeistation nur hundert Meter entfernt ist und daß wir da vielleicht alles erfahren könnten, was wir wissen müssen, um Evans White zu finden. Aber ich habe das Gefühl, daß das so schneller geht. Laß uns ein Bier trinken und abwarten, was passiert.«

Eine halbe Stunde später kam die gutherzige Mutter gemeinsam mit einem Typ, der mindestens genauso gehetzt aussah wie sie selbst, in die fast menschenleere Bar. Er sah wie die Klaus Kinski-Variante von Graf Dracula aus: blaß, dürr, in schwarzen Gewändern und mit bläulichen Ringen unter den Augen.

»Jetzt schau dir den an«, flüsterte Andrew, »dem kann man auf jeden Fall nicht vorwerfen, nicht selbst zu testen, was er verkauft.«

Die gutherzige Mutter und der Kinski-Klon steuerten mit raschen Schritten auf sie zu. Der Typ sah nicht so aus, als wolle er mehr Zeit als unbedingt nötig im Tageslicht verbringen, und übersprang sämtliche Höflichkeitsphrasen:

»Für wieviel wollt ihr kaufen?«

Andrew hatte ihm demonstrativ den Rücken zugedreht. »Hier sind mir noch zu viele Leute, um konkret zu werden«, sagte er, ohne sich umzudrehen.

Kinski machte eine Bewegung mit dem Kopf und die gutherzige Mutter zog mit saurer Miene ab. Wahrscheinlich bekam sie Prozente, und Harry nahm an, daß das Vertrauen zwischen ihr und Kinski so war wie zwischen allen Junkies – es existierte nicht.

»Ich habe nichts bei mir, und wenn ihr Bullen seid, dann schneide ich euch die Eier ab. Zeig mir erst mal deine Visage, und dann verschwinden wir hier.« Er redete schnell und nervös, wobei sein Blick unruhig hin und her flatterte.

»Ist das weit von hier?« fragte Andrew.

»It's a short walk, but a lo-ong trip.« Etwas, das wie ein Lächeln aussehen sollte, entblößte für einen kurzen Moment die Zähne.

»Good on ya, mate. Setz dich hin und halt das Maul«, zischte Andrew und zeigte ihm seine Polizeimarke. Kinski erstarrte. Harry erhob sich und klopfte mit der Hand hinter seinem Rücken auf seinen Gürtel. Es gab keinen Anlaß, zu überprüfen, ob Harry eine Waffe hatte.

»Was soll dieses Amateurgetue? Ich habe nichts bei mir, das hab ich doch gesagt!« Trotzig ließ er sich vor Andrew in einen Stuhl fallen.

»Ich gehe davon aus, daß du den hiesigen Sheriff und seine Assistenten kennst? Und die kennen wohl auch dich. Aber wissen die, daß du begonnen hast, auch horse zu verkaufen?«

Der Typ zuckte mit den Schultern.

»Wer hat etwas von horse gesagt, ich dachte, ihr wolltet Gras …«

»Natürlich, von Junk war nie die Rede, und es ist auch nicht gesagt, daß wir jemals ein Wort darüber verlieren, vorausgesetzt, du kannst uns ein paar Auskünfte geben.«

»Ihr macht Witze, oder? Soll ich das Risiko eingehen, als Spitzel geköpft zu werden, nur weil zwei fremde Bullen, die noch nicht einmal was gegen mich in der Hand haben, hereingeschneit kommen und …«

»Spitzel? Wir haben uns hier getroffen, wurden uns aber nicht einig über Preis und Ware – und das war's. Du hast sogar eine Zeugin, daß wir uns hier wegen eines normalen Geschäftes getroffen haben. Wenn du tust, was wir von dir verlangen, wirst du uns nie mehr Wiedersehen, und das gilt auch für alle anderen hier.«

Andrew zündete sich eine Zigarre an, blinzelte mit kleinen Augen dem armen Junkie auf der anderen Seite des Tisches zu, und während er ihm den Rauch ins Gesicht blies, fuhr er fort:

»Wenn wir nicht kriegen, was wir wollen, kann es allerdings passieren, daß wir uns beim Rausgehen die Polizeimarken anheften und es in nächster Zukunft ein paar Verhaftungen geben wird, die deine Popularität hier in der Gegend nicht gerade steigen lassen dürften. Ich weiß nicht, ob man hier die Methoden anwendet, von denen du eben gesprochen hast, ob man den Spitzeln die Eier abschneidet, potheads sind doch in der Regel ganz friedlich. Aber die wissen ja vielleicht das eine oder andere, und es würde mich nicht überraschen, wenn der Sheriff eines Tages über dein ganzes Lager stolpern würde, so rein zufällig. Potheads haben es ja nicht so gerne, wenn sie Konkurrenz von härteren Sachen bekommen, weißt du, auf jeden Fall nicht von herumspitzelnden Junkies. Und das Strafmaß für den Handel mit Heroin in größeren Mengen ist dir ja wohl geläufig, nicht wahr?«

Noch mehr Zigarrenrauch in Kinskis Gesicht. Es gibt nicht jeden Tag die Gelegenheit, einem solchen Arsch Qualm ins Gesicht zu blasen, dachte Harry.

»Okay«, sagte Andrew, als er keine Antwort bekam. »Evans White. Du wirst uns sagen, wo er ist, wer er ist und wie wir ihn schnappen können. Und zwar jetzt!«

Kinski schaute sich um. Der hohlwangige, große Kopf drehte sich auf dem dünnen Hals hin und her und ließ ihn wie einen Geier auf einem Stück Aas aussehen, der ängstlich Ausschau hält, ob die Löwen nicht zurückkommen.

»Nur das?« fragte er. »Sonst nichts?«

»Sonst nichts«, erwiderte Andrew.

»Und wie kann ich wissen, ob ihr nicht zurückkommt und mehr von mir wollt?«

»Gar nicht.«

Er nickte, als sei ihm bereits klar, daß das die einzige logische Antwort war.

»Okay. Er ist kein großer Fisch mehr, aber nach allem, was ich gehört habe, ist er wieder auf dem Weg nach oben. Er hat für Madame Rosseau gearbeitet, das ist die Graskönigin hier oben, aber jetzt hat er sein eigenes Busineß begonnen. Gras, LSD und vielleicht auch irgendwelche Morphine. Das Gras ist das gleiche, das auch die anderen hier verkaufen, aus lokaler Produktion. Aber er scheint gute Verbindungen nach Sydney zu haben und liefert Gras gegen sauberes, billiges LSD. Das ist hier im Moment der Renner.«