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»… biii!«

Ein hellroter Strahl aus Schweiß und Blut rann aus Bobbys Kopf und machte die Ecke des Ringes naß.

Terry stürmte vor und signalisierte etwas überflüssig, daß der Kampf beendet war. Noch immer war es mucksmäuschenstill im Zelt, nur das Klappern der Schuhe der Weißgekleideten war zu hören, die über den hölzernen Mittelgang aus dem Zelt rannte. Ihr Kleid hatte sich auf der Vorderseite rot verfärbt, und ihr Gesicht zeigte den gleichen überraschten Gesichtsausdruck, den auch Bobby gehabt hatte.

Toowoomba versuchte mitzuhelfen, Bobby wieder auf die Beine zu bekommen, aber dessen Assistenten schoben ihn zur Seite. Einige wollten applaudieren, doch der Beifall verstummte gleich wieder. Das Pfeifkonzert war um so lauter, als Terry den Ring betrat und Toowoombas Arm hochhielt. Andrew schüttelte den Kopf.

»Da haben heute wirklich einige Geld auf den lokalen Meister gesetzt«, sagte er. »Idioten! Komm, laß uns unser Geld holen und ein paar ernsthafte Worte mit diesem Murritölpel reden!«

»Robin, du Arsch. Dich sollte man einsperren – und das meine ich ernst!«

Robin »The Murri« Toowoombas Gesicht leuchtete in einem breiten Lächeln auf. Er drückte sich ein zusammengerolltes Handtuch mit Eis auf das eine Auge.

»Tuka! Ich habe dich da drinnen gehört. Hast du wieder mit Glücksspiel begonnen?« Toowoomba sprach leise. Ein Mann, der es gewohnt ist, daß man ihm zuhört, dachte Harry spontan. Seine Stimme war mild und sympathisch, und Harry fand, daß sich Toowoomba wirklich nicht wie jemand anhörte, der gerade einem fast doppelt so großen Mann die Nase gebrochen hatte.

Andrew schnaufte. »Glücksspiel? Zu meiner Zeit hatte es kaum etwas mit Glück zu tun, wenn man auf einen von Chivers' Jungs setzte. Aber heutzutage ist wohl nichts mehr richtig wirklich sicher. Sich von einem elenden weißen Yahoo so hinter's Licht führen zu lassen! Wo soll das bloß enden?«

Harry räusperte sich.

»Oh, ja. Robin, ich möchte dir einen Freund vorstellen. Das ist Harry Holy. Harry, das ist Queenslands schlimmster Grobian und Lustmörder, Robin Toowoomba.« Sie begrüßten sich und wieder hatte Harry das Gefühl, seine Hand sitze in einem Türspalt fest. Er stöhnte ein »how are you« und erntete ein breites Lächeln und ein strahlend weißes »absolutely magnificent, cobber – how are you yourself?«

»Haven't been better«, erwiderte Harry und massierte sich die Hand. Diese australischen Begrüßungen würden ihm noch den letzten Nerv rauben. Laut Andrew drehte es sich dabei insbesondere darum zu beschreiben, wie unglaublich gut es einem ging. Ein einfaches »Danke, es geht mir gut« konnte leicht als Beleidigung aufgefaßt werden.

Toowoomba zeigte mit seinem Daumen auf Andrew.

»Apropos Grobian, hat Tuka dir erzählt, daß er selbst einmal für Jim Chivers geboxt hat?«

»Es scheint noch eine Menge Dinge zu geben, die ich von … äh, Tuka nicht weiß. Er ist ein recht geheimnisvoller Kerl.«

»Geheimnisvoll?« Toowoomba lachte. »Es ist immer alles anders gemeint, als er es sagt. Tuka erzählt dir alles, was du wissen mußt, vorausgesetzt du weißt, auf was du achten mußt. Aber er hat dir natürlich nicht gesagt, daß man ihm geraten hat, bei Chivers aufzuhören, weil man ihn als zu gefährlich ansah? Wie viele Wangenknochen, Nasenbeine und Kiefer hast du auf dem Gewissen, Tuka? Er galt über viele Jahre hinweg als New South Wales' größtes Boxtalent. Aber er hatte ein Problem. Er war zu unbeherrscht – er hatte überhaupt keine Disziplin. Zu guter Letzt hat er sogar einen Schiedsrichter niedergeschlagen, weil er meinte, der habe einen Kampf zu früh abgebrochen. Zu Tukas Gunsten! Das nenne ich blutrünstig. Tuka wurde für zwei Jahre suspendiert.«

»Dreieinhalb, danke!« Andrew grinste. Er hatte ganz offensichtlich nichts dagegen, daß der andere seine Karriere als Boxer vor Harry ausbreitete. »He was a real drongo, I tell you. Ich habe diesen Schiedsrichter nur ganz leicht gestupst, aber, du glaubst es nicht, dieser Kerl stolperte und brach sich das Schlüsselbein.«

Toowoomba und Andrew lachten herzlich und klatschten ihre Handflächen aneinander.

»Robin war gerade erst auf der Welt, als ich boxte. Er zitiert nur, was ich ihm selbst erzählt habe«, erklärte Andrew. »Robin gehörte zu einer Gruppe Kinder aus schwierigen Verhältnissen, um die ich mich kümmerte, wenn ich Zeit hatte. Wir trainierten Boxen, und auch um den Kindern die Bedeutung von Selbstkontrolle klarzumachen, habe ich ein paar halbwahre Geschichten aus meiner eigenen Zeit erzählt. Als Abschreckung und Warnung. Robin hier hat nur leider einiges falsch verstanden, er eifert mir nach.«

Toowoomba wurde plötzlich ernst.

»Normalerweise sind wir ganz liebe Jungs, Harry. Wir lassen sie ein paarmal zuschlagen, bevor wir selbst ein paar leichte Treffer setzen, damit sie begreifen, wer im Ring das Sagen hat, verstehst du? Danach dauert es in aller Regel nicht mehr lange, bis sie aufgeben. Aber dieser Kerl da draußen konnte ja boxen, er hätte jemanden verletzen können. Solche Kerle kriegen doch nur, was sie wollen.«

Die Tür ging mit einem Schwung auf: »Scheiße, Toowoomba, als wenn wir nicht schon genug Probleme hätten, mußtest du wirklich dem Schwiegersohn des hiesigen Polizeichefs das Nasenbein brechen?« Terry, der Ansager, sah höchst unzufrieden aus, und er unterstrich das, indem er auf den Boden spuckte.

»Reiner Reflex, Chef«, entgegnete Toowoomba und blickte auf den kautabakbraunen Klecks Spucke. »Das wird nicht wieder vorkommen.« Er zwinkerte heimlich Andrew zu.

Sie erhoben sich. Toowoomba und Andrew umarmten einander und wechselten noch ein paar Worte in einer Sprache, von der Harry wirklich gar nichts verstand. Er selbst beeilte sich, Toowoomba auf die Schulter zu klopfen, um einem weiteren Händeschütteln zu entgehen.

»Was war das eben für eine Sprache?« fragte Harry, nachdem sie sich ins Auto gesetzt hatten.

»Ach das. Das war Kreol, eine Mischung aus Englisch und Aborigineworten. Viele Aborigines im ganzen Land sprechen das. Wie fandest du das Boxen?«

Harry wußte nicht so recht.

»Es war interessant zu beobachten, wie du ein paar Dollar verdient hast, aber wir könnten jetzt in Nimbin sein.«

»Wenn wir heute nicht hierhergefahren wären, könntest du heute abend nicht in Sydney sein«, sagte Andrew. »Man macht mit einer solchen Frau kein Rendezvous, um dann einfach nicht zu kommen. Wir reden hier vielleicht über deine zukünftige Frau und Mutter kleiner Holys, Harry.«

Beide mußten sie lächeln, während sie Bäume und flache Häuser passierten und im Osten die Sonne unterging.

Noch bevor sie Sydney erreichten, wurde es dunkel, aber der Fernsehturm in der Mitte der Stadt, der wie eine riesige Glühbirne aussah, wies ihnen den Weg. Andrew hielt am Circular Quay, unweit vom Opernhaus, an. Eine Fledermaus flatterte blitzschnell im Scheinwerferlicht des Autos hin und her. Andrew zündete sich eine Zigarre an und gab Harry ein Zeichen, sitzen zu bleiben.

»Die Fledermäuse sind das Todessymbol der Aborigines, wußtest du das?«

Harry hatte davon noch nie gehört.

»Stell dir mal einen Ort vor, an dem die Menschen über vierzigtausend Jahre isoliert waren. Sie haben, um es anders zu sagen, nichts mitbekommen vom Judentum, ganz zu schweigen vom Christentum und dem Islam, weil ein ganzer Ozean sie vom nächsten Kontinent trennte. Trotzdem haben sie ihre Schöpfungsgeschichte. Der erste Mensch war Ber-rok-boorn. Er wurde von Baime geschaffen, dem Ungeschaffenen, der der Beginn aller Liebe war und alle erschaffenen Dinge behütete. Mit anderen Worten, ein netter Kerl, dieser Baime, von Freunden nur der große väterliche Geist genannt. Nachdem Baime Ber-rok-boorn und seiner Frau einen nach allem Ermessen guten Ort zum Leben gegeben hatte, markierte er einen Yarran-Baum, in dem sich ein Bienenschwarm niedergelassen hatte.