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»Du machst doch Witze?«

»Queensland ist eben anders. Bald ist es hier wahrscheinlich verboten, Skinhead zu sein.«

Harry strich sich zufrieden über seinen kurzgeschorenen, blonden Schädel. »Gibt es noch etwas, das ich über Queensland wissen sollte?«

»Tja, wenn du Marihuana in den Taschen hast, solltest du es besser im Flugzeug lassen. In Queensland sind die Gesetze, was Drogenmißbrauch angeht, härter als in den anderen Teilstaaten. Nicht von ungefähr wurde das Aquarius-Festival nach Nimbin verlegt. Die Stadt liegt unmittelbar hinter der Grenze zu New South Wales.«

Sie fanden das Büro des Avis-Autoverleihs, wo man ihnen mitteilte, daß ein Wagen für sie bereitstünde.

»Dafür hat Queensland aber solche Orte wie Fräser Island, wo Inger Holter Evans White getroffen hat. Die Insel sieht eigentlich aus wie eine riesige Sandbank, aber im Inneren findet man Regenwald und Süßwasserseen mit dem saubersten Wasser der Welt. Der Sand dort ist so weiß, daß man meinen könnte, die Strände bestünden aus Marmor. Quarzsand nennt man das, weil der Siliciumgehalt so viel höher ist als bei normalem Sand. Wahrscheinlich kannst du den direkt in deinen PC schütten.«

»The land of plenty, ay?« sagte der Mann hinter dem Tisch und reichte ihnen den Schlüssel.

»Ford Escort?« Andrew verzog die Nase, unterschrieb dann aber doch. »Gibt's die immer noch?«

»Special rate, Sir

»Das bezweifle ich nicht.«

Die Sonne brannte auf den Pacific Highway herab und ließ Brisbanes gläserne Skyline in der Ferne glitzern wie einen Kristallüster.

»Schön«, sagte Harry. »So sauber und ordentlich. Als wenn all das auf dem Reißbrett entstanden und dann alles gleichzeitig gebaut worden wäre.«

»Das ist beinahe richtig. Brisbane ist in vielerlei Hinsicht eine funkelnagelneue Stadt. Noch vor ein paar Jahren war hier nur ein großes Dorf mit ein paar hunderttausend Bauern. Wenn du genau hinschaust, kannst du erkennen, daß die Leute hier noch immer ein bißchen O-Beine haben. Die Stadt ist wie eine hochmoderne Küche in einem alten Bauernhof: glänzend, geradlinig und effektiv – umgeben von einer Unzahl wiederkäuender Kühe.«

»Das ist ja wirklich ein toller Vergleich, Andrew.«

»Blas dich nicht zu sehr auf, offsider!«

Nachdem sie den Highway verlassen hatten, fuhren sie Richtung Osten durch eine grüne, hügelige Landschaft mit Wald und Ackerflächen.

»Willkommen auf dem australischen Land«, sagte Andrew.

Auf den Weiden grasten Kühe, die ihnen träge nachschauten.

Harry amüsierte sich.

»Was ist?« fragte Andrew.

»Kennst du den Comicstrip von Larson, in dem die Kühe auf zwei Beinen auf der Wiese stehen, sich unterhalten und rauchen und eine von ihnen dann plötzlich ausruft: Achtung, da kommt noch ein Auto?«

Es entstand eine Pause.

»Wer ist Larson?« fragte Andrew.

»Vergiß es.«

An der Straße lagen niedrige Holzhäuser mit Veranda und Moskitonetzen an den Türen, und in den Einfahrten standen Pick-ups. Kräftige, melancholisch dreinblickende Arbeitspferde waren am Straßenrand zu sehen und Bienenkörbe. Immer wieder fuhren sie an einem Pferch vorbei, in dem sich Schweine zufrieden im Schlamm suhlten. Die Straßen wurden zusehends schmaler. Gegen Mittag tankten sie in einer kleinen Siedlung. Auf dem Ortsschild stand Uki und daß der Ort zweimal hintereinander zur saubersten Stadt Australiens gekürt worden war, nicht aber, wer letztes Jahr gewonnen hatte.

»Holy macarony«, sagte Harry, als sie nach Nimbin kamen.

Das Zentrum verteilte sich auf rund hundert Meter, leuchtete in allen Regenbogenfarben und glich einer Personengalerie aus einem der Cheec & Chong-Filme, die Harry in seiner Videosammlung hatte.

»Das sind ja die reinsten Siebziger!« rief er. »Ich meine, guck doch mal da rüber, da steht Peter Fonda und knutscht mit Janis Joplin.«

Schläfrige Blicke folgten dem langsam über die Straße rollenden Auto.

»Das ist phantastisch. Ich hätte nicht gedacht, daß es solche Orte noch gibt. Das ist ja zum Totlachen.«

»Warum?« fragte Andrew.

»Findest du das nicht komisch?«

»Komisch? Was ist daran schon komisch?« brummte Andrew. »Ich verstehe ja, daß es heutzutage leicht ist, über diese Träumer zu lachen. Mir ist klar, daß die heutige Jugend glaubt, die Flower-Power- Generation sei eine Gang Potheads gewesen, die nichts anderes im Kopf hatte, als Gitarre zu spielen, sich gegenseitig eigene Gedichte vorzutragen und nach dem Zufallsprinzip miteinander zu schlafen. Ich weiß, daß die damaligen Veranstalter von Woodstock mit Schlips und Kragen zum Interview kommen und sich mit einem milden Lächeln über ihre früheren ›Ideen‹ amüsieren, die ihnen heute selber als im höchsten Grade naiv erscheinen. Aber ohne die Ideen, für die diese Generation gestanden hat, würde die Welt heute vollkommen anders aussehen. Schlagworte wie Love und Peace mögen jetzt vielleicht wie Klischees erscheinen, aber wir, die wir damals aufgewachsen sind, haben das wirklich so gemeint. Von ganzem Herzen.«

»Bist du nicht ein bißchen alt, um Hippie gewesen zu sein, Andrew?«

»Ja, ich war alt, ein routinierter, schlauer Hippie war ich«, grinste Andrew. »Manch ein junges Ding hat ihre erste Einführung in die vielfältigen Geheimnisse der Liebe bei Onkel Andrew bekommen.«

Harry boxte Andrew auf die Schulter. »Ich dachte, du hättest gerade von Idealismus gesprochen, du alter Schwerenöter. «

»Natürlich war das Idealismus«, sagte Andrew beleidigt. »Ich konnte diese zarten Knospen doch nicht irgendeinem plumpen, pickeligen Jungspund überlassen und damit riskieren, daß die Mädchen für den Rest der siebziger Jahre ein Trauma davontrugen.«

»Das war also der wichtigste Beitrag der siebziger Jahre zur heutigen Gesellschaft?«

Andrew schüttelte den Kopf.

»Die Luft, Mann. Es lag in der Luft. Die Freiheit. Der Glaube an die Menschen. Die Möglichkeit, etwas Neues aufzubauen. Auch wenn Bill Clinton behauptet, niemals Marihuana geraucht zu haben – er hat damals die gleiche Luft geatmet, den gleichen Geist wie wir anderen. Und natürlich hat das einen Einfluß darauf, wer du bist. Mann, du hättest ja fünf Jahre lang oder länger die Luft anhalten müssen, um davon nicht geprägt zu werden! Lach du nur, Harry Holy. In zwanzig Jahren, wenn die Schlaghosen und all die schlechten Gedichte vergessen sind, wird das Gedankengut von damals in einem ganz neuen Licht erscheinen, du wirst es schon sehen!«

Harry lachte trotzdem.

»Nimm das nicht persönlich, Andrew, aber ich bin in der Generation danach aufgewachsen. Genauso wie ihr über die engen Hemden und die pomadigen Frisuren der Generation der fünfziger Jahre gelacht habt, haben wir uns über eure Mahatmas und die Blumen in den Haaren lustig gemacht. Glaubst du nicht, daß die heute Zehnjährigen über solche wie mich lachen werden? Das ist halt so. Aber hier unten kann man doch glauben, daß die siebziger Jahre überlebt haben?«

Andrew machte eine resignierte Geste mit der Hand. »Ich glaube, in Australien gibt es besonders gute Bedingungen für so etwas wie das hier. Die Hippie-Welle ist nie richtig ausgestorben, aber irgendwie hat es einen direkten Übergang zu dieser New Age-Bewegung gegeben. In jedem Buchladen gibt es mindestens ein Regal mit Büchern über den alternativen Lebensstil, Naturmedizin, den Kontakt zu seinem innersten Ich, Vegetarismus, wie man sich vom Materialismus befreit und in Harmonie mit sich und der Umwelt lebt. Aber die rauchen natürlich nicht alle Gras!«

»Das hier ist nicht New Age, Andrew! Das sind gute, alte, eingerauchte Hippies, jedenfalls mehr oder weniger.«

Andrew schaute durch das Seitenfenster und lächelte. Ein Kerl mit langem grauen Bart saß in ein Gewand gehüllt auf einer Bank und winkte ihnen, die Finger zum V-Zeichen gespreizt, zu. »The Marihuana Museum« stand auf einem Schild unter einer Zeichnung von einem alten, gelben Hippie-VW-Bus. Darunter stand in noch kleinerer Schrift: »Entrance: One Dollar. If you can't pay, go in anyway.«