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»Nein, nein, bestimmt nicht. Gott sei Dank.«

»Wir sind eigentlich vorbeigekommen, weil Ihre Anlage hier quasi auf unserem Rückweg nach Brisbane liegt. Wir fragen uns, ob Sie jemanden mit Namen Inger Holter kennen?«

Sie zögerte ein wenig, dann schüttelte sie den Kopf.

»Evans kannte nicht so viele Frauen. Wenn er eine kennenlernte, brachte er sie hierher, um sie mir vorzustellen. Nachdem eine von ihnen … dieses blöde Kindchen, an deren Namen ich mich wirklich nicht erinnern will … ihm ein Kind vermacht hat, habe ich ihm verboten … habe ich ihm gesagt, daß ich der Meinung sei, er solle ein wenig abwarten. Bis er die Richtige findet.«

»Warum sollte er warten?« fragte Harry.

»Weil ich ihm das gesagt habe!«

»Und warum haben Sie das gesagt?«

»Weil … weil das nicht paßte« – sie warf einen Blick in Richtung Boutique, als wolle sie ein Zeichen geben, wie kostbar ihre Zeit war – »und weil Evans ein so sensibler, so leicht verletzbarer Junge ist. In seinem Leben hat es soviel negative Energie gegeben, und er braucht eine Frau, auf die er sich voll und ganz verlassen kann. Nicht diese … Luder, die ihn nur verwirren.«

Ein grauer Schleier hatte sich über ihre Iris gelegt.

»Treffen Sie Ihren Sohn oft?« fragte Andrew.

»Evans kommt, so oft es nur geht. Er braucht den Frieden hier. Er arbeitet so hart, der Arme. Haben Sie etwas von den Kräutern, die er verkauft, probiert? Manchmal bringt er etwas davon mit hierher, ich verwende es dann für den Tee im Restaurant.«

Andrew räusperte sich wieder. Aus den Augenwinkeln sah Harry eine Bewegung zwischen den Bäumen.

»Wir sollten uns wieder auf den Weg machen, Mrs. Dawson. Nur noch eine letzte Frage.«

»Ja?«

Andrew hatte sich bestimmt verschluckt – er räusperte sich unentwegt. Das Spinnennetz hatte zu schwingen begonnen.

»Waren Sie immer so blond, Mrs. Dawson?«

Am späten Abend landeten sie wieder in Sydney. Harry war todmüde und sehnte sich nur noch nach seinem Hotelbett.

»Einen Drink?« schlug Andrew vor.

»Nein, danke«, sagte Harry.

»Im Albury

»Das ist ja fast Arbeit«, sagte Harry.

»Eben drum.«

Birgitta lächelte, als sie hereinkamen. Sie bediente einen Gast und kam zu ihnen herüber. Ihre Augen waren auf Harry gerichtet.

»Hei«, grüßte sie.

Harry spürte, daß er einfach nur Lust hatte, in ihren Schoß zu kriechen und dort einzuschlafen.

»Zwei doppelte Gin Tonic, im Namen des Gesetzes«, sagte Andrew.

»Bring mir lieber einen Grapefruitsaft«, sagte Harry.

Sie servierte ihnen die Getränke und lehnte sich über den Tresen.

»Danke für den schönen Abend«, flüsterte sie Harry auf Schwedisch zu. Im Barspiegel hinter ihr sah er sein eigenes idiotisches Grinsen.

»He, he, keine skandinavischen Turteleien bitte, ja? Solange ich die Drinks zahle, wird hier englisch gesprochen.« Andrew schaute sie streng an.

»Und jetzt werde ich euch zwei Jungspunden etwas erzählen. Die Liebe ist ein größeres Mysterium als der Tod.«

Er machte eine Kunstpause.

»Onkel Andrew wird euch eine uralte australische Legende erzählen, die Geschichte von der Riesenschlange Bubbur und Walla.«

Sie rückten näher zusammen, und Andrew schmatzte zufrieden, als er sich seine Zigarre anzündete.

»Es war einmal ein junger Krieger mit Namen Walla, der bis über beide Ohren verliebt war in die junge, hübsche Moora. Und sie liebte ihn. Walla hatte die Einweihungszeremonie seines Stammes bestanden, er war ein Mann und durfte sich deshalb mit jeder Frau des Stammes verheiraten, vorausgesetzt sie wollte ihn und war nicht bereits die Frau eines anderen. Und Moora wollte. Walla gelang es kaum noch, sich von seiner Angebeteten zu trennen, aber die Tradition forderte von ihm, auf eine Jagdexpedition zu gehen, deren Beute als Geschenk den Brauteltern darzubringen war. Vorher konnte die Hochzeit nicht stattfinden. Eines schönen Morgens, Tau lag auf den Blättern, zog Walla los. Moora gab ihm eine weiße Kakadufeder, die er sich in die Haare steckte.

Während Walla fort war, machte sich Moora daran, Honig für das Fest zu suchen. Dieser war nicht so leicht zu finden, und sie mußte sich weiter vom Lager entfernen, als sie das normalerweise tat. Sie kam schließlich zu einem Tal mit großen Steinen. Über diesem Tal lag eine wundersame Ruhe, nicht ein Vogel, ja nicht einmal ein Insekt war zu hören. Sie wollte gerade weitergehen, als sie ein Nest mit großen weißen Eiern entdeckte. Es waren die größten Eier, die sie jemals gesehen hatte. ›Die muß ich für das Fest einsammeln‹, dachte sie und streckte ihre Hand aus.

Im gleichen Moment hörte sie etwas Großes über die Steine gleiten, und noch bevor sie davonkommen oder den Mund öffnen konnte, hatte sich eine riesige braungelbe Schlange um ihre Taille gewunden. Sie kämpfte, aber es gelang ihr nicht, sich zu befreien, und die Schlange begann, sich immer enger um sie zu schlingen. Moora schaute zu dem blauen Himmel über dem Tal hinauf und versuchte Wallas Namen zu rufen, aber sie hatte keine Luft mehr in den Lungen, um einen Ton über die Lippen zu bringen. Der Würgegriff der Schlange wurde härter und härter, und schließlich war alles Leben aus ihr herausgepreßt und alle Knochen in ihrem Leib zermalmt. Dann glitt die Schlange zurück in den Schatten, aus dem sie gekommen war. Dort konnte man sie nicht erkennen, denn die Farben der Schlange waren eins mit dem Schattenspiel des Lichts unter dem Baum und auf den Steinen.

Es vergingen zwei Tage, bis sie ihren zermalmten Körper zwischen den Steinen in dem Tal fanden. Ihre Eltern waren untröstlich, und die Mutter weinte und fragte den Vater, was sie nur Walla sagen sollten, wenn er nach Hause kam.«

Andrew sah mit glänzenden Augen zu Harry und Birgitta.

»Das Lagerfeuer war gerade im Begriff auszugehen, als Walla beim nächsten Morgengrauen von der Jagd zurückkehrte. Obwohl es eine strapaziöse Reise gewesen war, waren seine Schritte leicht, und seine Augen glänzten vor Glück. Er ging zu Mooras Eltern hinüber, die schweigend am Feuer saßen. ›Hier sind meine Gaben für euch‹, sagte er. Und seine Jagdausbeute war gut, er brachte ein Känguruh, ein Wombat und die Schenkel eines Emus mit.

›Du kommst rechtzeitig zur Beerdigung, Walla, du, der du unser Sohn hättest werden sollen‹, sagte Mooras Vater. Walla sah aus, als habe ihm jemand ins Gesicht geschlagen, und er konnte seine Trauer und seinen Schmerz kaum mehr verbergen, doch als hartgesottener Krieger hielt er seine Tränen zurück und fragte kalt: ›Warum habt ihr sie noch nicht beerdigt?‹ ›Weil wir sie erst heute gefunden haben‹, erwiderte der Vater. ›Dann werde ich sie begleiten und ihren Geist verlangen. Unser Wirinun kann ihre gebrochenen Glieder heilen, und ich werde ihr den Geist wiedergeben und ihr Leben einhauchen.‹ ›Es ist zu spät‹, sagte der Vater, ›ihr Geist ist bereits dort, wo der Geist aller gestorbenen Frauen ist. Aber die, die sie getötet hat, lebt noch immer. Kennst du deine Pflicht, Sohn?‹

Walla ging, ohne ein Wort zu erwidern, davon. Er wohnte gemeinsam mit den anderen unverheirateten Männern des Stammes in einer Höhle. Auch mit ihnen sprach er nicht. Viele Monate vergingen, ohne daß Walla an den Tänzen und den Gesängen teilnahm. Er saß immer nur für sich allein da. Manche glaubten, sein Herz sei versteinert und daß er versuche, Moora zu vergessen. Andere glaubten, daß er plante, Moora in das Reich der toten Frauen zu folgen. Das wird ihm niemals gelingen, sagten sie. Es gibt einen Ort für Männer und einen für Frauen.

Eine Frau kam zum Feuer und setzte sich. ›Ihr habt unrecht‹, sagte sie. ›Er ist nur in Gedanken vertieft, wie er seine Frau rächen kann. Glaubt ihr etwa, es ist damit getan, einfach einen Speer zu nehmen und Bubbur, die große braungelbe Schlange, zu töten? Ihr habt sie niemals gesehen, aber ich habe sie gesehen, als ich jung war, und an jenem Tag habe ich mein graues Haar bekommen. Es war der schrecklichste Anblick, den man sich nur denken kann. Glaubt meinen Worten, Bubbur kann nur auf eine einzige Art besiegt werden, mit Mut und List. Und das, glaube ich, hat unser junger Krieger.‹