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Lebenslanges Training der Selbstbeherrschung, dachte er, öffnete die Flasche und setzte sie an den Mund.

Schlüssel klapperten, und Harry erwachte davon, daß die Tür aufging.

»No roomservice now, please come back later!« brüllte Harry in die Kissen.

»Mr. Holy, hier ist die Hotelleitung.«

Harry drehte sich um. Zwei Männer in Anzügen hatten das Zimmer betreten. Sie stellten sich in respektvollem Abstand zum Bett auf, machten aber dennoch einen höchst entschlossenen Eindruck. Harry erkannte den einen als denjenigen, der am Abend zuvor an der Rezeption gesessen hatte. Der andere fuhr fort:

»Sie haben gegen die Hotelordnung verstoßen, Mr. Holy, und es tut mir leid, daß ich Sie auffordern muß, möglichst bald die Rechnung zu begleichen und unser Hotel zu verlassen.«

»Hotelordnung?« Harry spürte, daß er sich bald übergeben mußte.

Der Anzug räusperte sich.

»Sie haben eine Frau mit auf das Zimmer genommen, von der wir annehmen, daß sie eine … Prostituierte ist. Außerdem haben Sie mit Ihrem Lärm in der vergangenen Nacht fast die ganze Etage aufgeweckt. Wir sind ein angesehenes Hotel und müssen uns deshalb gegen ein solches Verhalten verwahren. Das verstehen Sie doch sicher, Mr. Holy.«

Harry grunzte als Antwort und drehte sich um.

»Ist in Ordnung, ihr Repräsentanten der Hotelleitung. Ich reise heute ohnehin ab. Lassen Sie mich in Ruhe schlafen, bis ich auschecke.«

»Sie hätten bereits auschecken sollen, Mr. Holy«, sagte der von der Rezeption.

Harry blinzelte auf die Uhr. Es war Viertel nach zwei.

»Wir haben versucht, Sie zu wecken.«

»Mein Flug …«, sagte Harry und versuchte die Beine aus dem Bett zu bekommen. Nach zwei Versuchen hatte er festen Boden unter den Füßen und stand auf. Er hatte vergessen, daß er nackt war, und die beiden Hotelangestellten schreckten entsetzt zurück. Dann drehte sich nur noch alles, die Decke machte ein paar Loopings, er mußte sich wieder auf die Bettkante setzen – und begann zu kotzen.

BIJBBUR

14

Ein Portier, zwei Rausschmeißer und ein Typ namens Speedy

Der Kellner des Bourbon & Beef nahm die unangetasteten Eier »Benedicte« voller Mitleid wieder mit. Er war seit über einer Woche jeden Morgen hierhergekommen, hatte die Zeitung gelesen und gefrühstückt. Manchmal hatte er vielleicht müde ausgesehen, aber so mitgenommen wie heute hatte ihn der Kellner noch nie gesehen. Noch dazu war Harry erst gegen halb drei aufgetaucht.

»A hard night, Sir?«

Der Gast starrte unrasiert und mit roten Augen vor sich in die Luft. Neben ihm stand ein Koffer.

»Ja, ja, das war eine harte Nacht, ich hab verdammt … viel angestellt.«

»Good on ya. Dafür gibt es ja King's Cross. Haben Sie noch einen anderen Wunsch, Sir?«

»Danke, nein, ich muß mein Flugzeug bekommen …«

Der Kellner bedauerte das insgeheim. Er hatte begonnen, diesen ruhigen, etwas einsam aussehenden Norweger, der immer freundlich und großzügig gewesen war, zu mögen.

»Ja, ich habe Ihren Koffer bemerkt. Wenn das bedeutet, daß wir Sie hier für eine Weile nicht mehr sehen werden, möchte ich Sie bitten, heute unser Gast zu sein. Sind Sie sicher, daß ich Ihnen keinen Bourbon mehr anbieten kann, einen Jack Daniels? One for the road, Sir?«

Der Norweger schaute überrascht zu ihm auf. Als habe der Kellner da etwas vorgeschlagen, auf das er, der Gast, niemals gekommen wäre und das ihm jetzt so vollkommen richtig und selbstverständlich erschien.

»Geben Sie mir einen Doppelten, bitte.«

Der Besitzer des Springfield Lodge hieß Joe und war ein übergewichtiger, netter Kerl, der seit nunmehr zwanzig Jahren mit kluger Genügsamkeit sein kleines, heruntergekommenes Etablissement in King's Cross führte. Es war weder besser noch schlechter als andere Hotels der unteren Preisklasse in diesem Viertel, und es gab so gut wie keine Beschwerden. Einer der Gründe dafür war Joes Freundlichkeit. Ein anderer, daß er immer darauf bestand, daß sich die Gäste zuerst das Zimmer anschauten und er noch einmal fünf Dollar abzog, wenn sie länger als eine Nacht blieben. Der dritte und vielleicht wichtigste Grund aber bestand darin, daß es ihm irgendwie gelang, Rucksacktouristen, Alkoholiker, Junkies und Prostituierte fernzuhalten.

Selbst unwillkommene Gäste konnten nicht umhin, Joe sympathisch zu finden. Denn im Springfield Lodge wurde niemand von Kopf bis Fuß gemustert oder barsch aufgefordert, doch bitte zu gehen, sondern einfach mit einem bedauernden Lächeln und der Nachricht empfangen, daß leider kein Bett mehr frei sei, vielleicht aber in der nächsten Woche ein Zimmer frei werden und man dann gerne noch mal vorbeischauen könnte. Joes beträchtliche Menschenkenntnis und seine rasche Klassifizierung der Zimmersuchenden ermöglichten es ihm, dies ohne Zögern oder unsicheren Blick vorzubringen, und er hatte deshalb fast nie Ärger mit schwierigen Typen. Nur selten vertat sich Joe bei der Einschätzung, was für einen Menschen er vor sich hatte, und einige Male hatte er sich später sehr darüber geärgert.

Einige dieser Fälle huschten durch sein Gedächtnis, als er in Windeseile versuchte, die widerstrebenden Eindrücke, die der große blonde Mann vor ihm auf ihn machte, zu sammeln. Er trug einfache Qualitätskleider, die darauf deuteten, daß er Geld hatte, es aber nicht unbedingt ausgeben mußte. Daß er Ausländer war, war ein großer Pluspunkt, in der Regel machten die Australier die Probleme. Rucksackreisende mit Schlafsäcken waren oft gleichbedeutend mit wilden Festen und verschwundenen Handtüchern, dieser hier aber trug einen Koffer, der zudem noch gut gepackt zu sein schien und nur so wenig abgenützt war, daß er wohl kaum jemandem gehören konnte, der sich konstant auf Reisen befand. Allerdings war der Mann unrasiert, seine Haare hingegen schienen noch vor kurzem das Innere eines Friseursalons gesehen zu haben. Außerdem waren seine Nägel sauber und ordentlich geschnitten und seine Pupillen von ansatzweise normaler Größe.

Die Summe all dieser Eindrücke und die Tatsache, daß der Mann eine Visa-Karte vor ihm auf den Tisch gelegt und sich als norwegischer Polizist ausgewiesen hatte, brachten es mit sich, daß ihm das übliche »Es tut mir wirklich leid, aber …« im Halse stecken geblieben war.

Denn es gab keinen Zweifel, daß der Mann betrunken war. Und nicht einfach nur betrunken, sondern voll bis zum Anschlag.

»Ich weiß, daß Sie wissen, daß ich ein paar Drinks intus habe«, sagte der Mann in einem nuscheligen, aber überraschend guten Englisch, als er Joes Zögern bemerkte. »Lassen Sie uns einmal annehmen, daß ich das Zimmer ruiniere, ja, lassen Sie uns ruhig davon ausgehen. Daß ich den Fernseher kaputtmache, den Spiegel im Bad und auf den Teppich kotze. Das wäre ja nicht das erste Mal. Reichen tausend Dollar als Kaution? Außerdem habe ich vor, mich so abzufüllen, daß ich kaum in der Lage sein werde, laute Geräusche zu machen, andere Gäste zu stören oder mich überhaupt allzu oft auf den Fluren oder hier an der Rezeption sehen zu lassen.«

»Es tut mir wirklich leid, aber wir sind in dieser Woche leider voll belegt. Sie können aber gerne nächste Woche …«

»Greg vom Bourbon & Beef hat mir Ihr Hotel empfohlen und mich gebeten, Joe zu grüßen. Sind Sie das?«

Joe schaute den Mann lange an.

»Sorgen Sie dafür, daß ich das nicht bereue«, sagte er und gab ihm den Schlüssel für Zimmer 73.

»Hello?«

»Hallo, Birgitta, ich bin es, Harry, ich …«

»Ich habe Besuch, Harry, es paßt jetzt wirklich nicht.«

»Ich wollte nur sagen, daß ich nicht wollte, daß …«

»Hör mal, Harry, ich bin nicht böse, es ist kein Schaden entstanden. Es gibt zum Glück Grenzen, wie sehr einen ein Kerl, den man gerade erst eine Woche kennt, verletzen kann, aber ich möchte, daß du dich nicht mehr meldest. Okay?«