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»Nun, nein, eigentlich nicht …«

»Wie gesagt, ich habe Besuch. Viel Glück für deine restliche Zeit hier und komm gut zurück nach Norwegen. Mach's gut.«

»Tschüs.«

Teddy Mongabi hatte es gar nicht gut gefunden, daß Sandra die ganze Nacht mit dem norwegischen Polizisten verbracht hatte. Für ihn roch das nach Ärger. Als er den Mann in der Darlinghurst Road mit weichen Knien und schlaff herabhängenden Armen auf ihn zukommen sah, wollte er deshalb spontan ein paar Schritte zurücktreten und in der Menge verschwinden. Seine Neugierde war aber zu groß, so daß er die Arme vor der Brust verschränkte und sich dem schwankenden Polizisten in den Weg stellte. Als der Mann versuchte, an ihm vorbeizugehen, packte ihn Teddy an der Schulter und drehte ihn herum.

»Grüßt du deine Freunde nicht mehr, mate?«

Mate sah ihn mit glasigen Augen an. »Der Zuhälter …«, sagte er ausdruckslos.

»Ich hoffe, Sandra hat Ihren Erwartungen entsprochen, Konstabel.«

»Sandra? Laß mich nachdenken … Sandra war gut. Wo ist sie?«

»Sie hat heute abend frei. Aber vielleicht darf ich den Herrn Konstabel mit einer anderen verführen?«

Der Polizist fing sich mit einem Schritt zur Seite auf.

»Ja doch, ja doch, gerne! Los, Zuhälter, verführ mich!«

Teddy lachte. »Hier entlang, Konstabel.« Er schob den betrunkenen Konstabel die Treppe zu dem Club hinunter. Sie setzten sich an einen Tisch mit Blick auf die Bühne. Teddy schnippte mit den Fingern, und sofort kam eine leichtbekleidete Frau an ihren Tisch.

»Bring uns zwei Bier, Amy. Und sag Claudia, daß sie für uns tanzen soll.«

»Die nächste Vorstellung ist erst um acht Uhr, Mr. Mongabi.«

»Dann nennen wir es Extravorstellung, los jetzt, Amy!«

»Tja dann, Mr. Mongabi.«

Der Polizist hatte ein idiotisches Grinsen auf den Lippen.

»Ich weiß, wer jetzt kommt«, sagte er. »Der Mörder. Jetzt kommt der Mörder.«

»Wer?«

»Nick Cave.«

»Nick who?«

»Und die blonde Sängerin. Die hat bestimmt auch eine Perücke. Hören Sie …«

Die Discomusik war leise gestellt worden, und der Polizist hielt beide Zeigefinger in die Luft, als wolle er ein Symphonieorchester dirigieren, aber die Musik ließ auf sich warten.

»Ich habe das von Andrew gehört«, sagte Teddy. »Wie schrecklich. Einfach zu schrecklich. Soweit ich verstanden habe, hat er sich erhängt. Kannst du mir verraten, was in aller Welt einen so lebensfrohen Kerl dazu bringen kann, sich zu …«

»Sandra trägt eine Perücke«, sagte der Polizist. »Die ist ihr aus der Tasche gefallen. Deshalb habe ich sie nicht erkannt, als ich sie hier unten getroffen habe. Genau hier! Andrew und ich waren dort vorne gesessen. Ich habe sie in den ersten Tagen, als ich hier war, ein paarmal auf der Darlinghurst Road gesehen, aber da hat sie eine Perücke getragen. Eine helle Perücke. Warum trägt sie die nicht mehr?«

»Aha, der Herr Konstabel mag lieber Blondinen. Ich glaube, da hab ich etwas für Sie …«

»Warum?«

Teddy zuckte mit den Schultern.

»Sandra? Ach ja. Sie ist vor ein paar Tagen etwas heftig von einem Typen angefaßt worden. Sandra behauptete, das hätte etwas mit der Perücke zu tun gehabt und sich deshalb entschlossen, die für eine Weile nicht mehr zu tragen. Für den Fall, daß er wieder auftaucht, wissen Sie.«

»Wer?«

»Ich habe keine Ahnung, Konstabel. Und wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen nicht sagen. In unserer Branche ist Diskretion eine Tugend. Ich glaube, auch Sie legen da Wert drauf. Ich habe ein so schlechtes Namensgedächtnis, aber war Ihr Name nicht Ronny?«

»Harry. Ich muß mit Sandra sprechen.« Er versuchte sich aufzurappeln und hätte dabei fast das Tablett mit den zwei Bier umgestoßen, mit dem Amy gerade an ihren Tisch kam. Er lehnte sich schwer nach vorn über den Tisch.

»Wo? Haben Sie ihre Telefonnummer, Zuhälter?«

Teddy machte Amy ein Zeichen, zu verschwinden.

»Prinzipiell geben wir unseren Kunden nie die Adressen oder Telefonnummern unserer Mädchen. Aus rein sicherheitstechnischen Gründen. Das verstehen Sie doch!« Teddy ärgerte sich, daß er nicht seiner ersten Eingebung gefolgt und dem betrunkenen Norweger aus dem Weg gegangen war.

»Ich verstehe. Die Nummer.«

Teddy lächelte. »Wie gesagt, geben wir keine …«

»Jetzt!« Harry packte den Kragen der glatten, grauen Anzugjacke und blies Teddy eine Mischung aus Whiskeyfahne und altem Erbrochenen ins Gesicht. Ein einschmeichelndes Streicherarrangement erklang aus den Lautsprechern.

»Ich zähle bis drei, Konstabel. Wenn Sie mich dann noch immer nicht losgelassen haben, rufe ich Ivan und Geoff. Und das bedeutet dann Hintertür und Frischluft. Und hinter der Hintertür gibt es Treppen, wissen Sie. Steile Treppen mit zwanzig steinernen Stufen.«

Harry grinste und packte noch fester zu. »Sollte mich das erschrecken, du verdammter Zuhälterarsch? Schauen Sie mich an. Ich bin so voll, daß ich nichts, aber auch gar nichts mitbekommen werde. I'm fuckin' indestructable, man, Geoff, Ivan!«

Sie bewegten sich aus dem Schatten hinter der Bar heraus. Als er sich umdrehte, um besser sehen zu können, befreite sich Teddy mit einem Ruck. Dann gab er ihm einen Stoß. Harry stolperte nach hinten und riß seinen Stuhl und den Tisch mit sich, bevor er laut polternd zu Boden ging. Statt wieder aufzustehen, blieb er liegen und kicherte Geoff und Ivan an, die Teddy mit fragendem Blick anschauten.

»Schmeißt ihn zur Hintertür hinaus«, sagte Teddy und sah, wie der Polizist wie eine Strohpuppe hochgenommen und über die Schulter eines schwarzen, smokingtragenden Muskelberges gelegt wurde.

»Ich begreife einfach nicht, was den Menschen am Tage fehlt«, sagte Teddy und zupfte an seiner knitterfreien Anzugjacke herum.

Ivan ging vor und öffnete die Tür.

»Was, zum Teufel, hat dieser bloß geschluckt«, fragte sich Geoff, »der schüttelt sich ja vor Lachen.«

»Wir werden ja sehen, wie lange der noch lacht«, sagte Ivan. »Setz ihn hier ab.« Geoff stellte Harry vorsichtig auf die Beine, der darauf leicht schwankend vor den beiden stehenblieb.

»Können Sie ein Geheimnis für sich behalten, Mr?« sagte Ivan mit einem schüchternen Lächeln und blickte zu Boden. »Ich weiß, daß das ein Superschurken-Klischee ist, aber ich hasse Gewalt.«

Geoff kicherte.

»Sei ruhig, Geoff, das stimmt wirklich. Du kannst ja Leute fragen, die mich kennen. ›Er verkraftet es nicht‹, werden sie dir sagen. ›Ivan kann dann nicht schlafen, es deprimiert ihn so.‹ Die Welt ist für so ein armes Arschloch schon schlimm genug, da müssen wir nicht noch alles schlimmer machen, und uns gegenseitig die Arme und Beine brechen, nicht wahr? Deshalb. Deshalb gehst du jetzt einfach nach Hause und die Sache ist für uns hier erledigt. Alles klar?«

Harry nickte und suchte in seiner Tasche nach etwas.

»Und das, obwohl du hier heute nachmittag der Schurke bist«, sagte Ivan. »Du!«

Er tippte Harry mit dem Zeigefinger auf die Brust.

»Du!« wiederholte Ivan und tippte etwas fester. Der blonde Polizist schwankte bedrohlich.

»Du!«

Harry blieb auf den Hacken stehen und ruderte mit den Armen. Er hatte sich nicht umgedreht, um zu wissen, was sich hinter ihm befand, aber das schien er bereits zu wissen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als sein benebelter Blick Ivans Augen begegnete. Er kippte nach hinten und stöhnte auf, als sein Rücken und sein Nacken die ersten Stufen trafen. Auf dem restlichen Weg nach unten gab er nicht einen Laut von sich.

Joe hörte, daß jemand an der Eingangstür herumfummelte, und als er durch das Glas die zusammengekrümmte Gestalt des neuen Gastes erkannte, wußte er, daß er einen seiner seltenen Fehler begangen hatte. Als er die Tür öffnete, fiel ihm der Mann entgegen. Hätte Joe nicht einen so tiefen Schwerpunkt gehabt, wären die beiden vermutlich nach hinten auf den Boden gestürzt. Es gelang Joe, den Arm des Gastes um seine eigene Schulter zu legen und ihn zu einem Stuhl hinter der Rezeption zu führen, wo er ihn genauer in Augenschein nehmen konnte. Nicht, daß der blonde Säufer ein besonders hübscher Anblick gewesen wäre, als er eingecheckt hatte – aber jetzt nahm er sich wirklich übel aus. An einem Ellbogen hatte er eine große Schürfwunde, so daß das nackte Fleisch weißlich-rot zum Vorschein kam, die eine Wange war angeschwollen, und aus seiner Nase troff Blut auf seine schmutzige Hose. Sein Hemd war zerrissen, und es rasselte beängstigend, wenn er atmete. Aber er tat es wenigstens noch – atmen.