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In einer Nachrichtensendung wurden Bilder von Windsurfern, einer weinenden Frau und Reste eines gelben Neoprenanzugs mit großen Bißmarken gezeigt.

»Das da war das Seeungeheuer. Es hat im Aquarium frei bekommen und einen Ausflug gemacht, Myggen, Picknick im Grünen! Ha-ha.«

Auf dem Fernsehgerät daneben flatterte das orangene Absperrband der Polizei an einem Waldrand im Wind, während uniformierte Polizisten mit Säcken hin- und herrannten. Dann erschien ein großes, blasses Gesicht auf der Mattscheibe. Es war ein schlechtes Foto eines blonden, nicht gerade hübschen Mädchens. Ihre Augen hatten einen tristen Ausdruck, als sei sie traurig darüber, nicht hübscher zu sein.

»Schön«, sagte Harry, »das ist schon eine merkwürdige Sache, wußtest du das …«

Lebie ging hinter dem Polizisten, der interviewt wurde, durch das Bild.

»Scheiße«, brüllte Harry. »Scheiße noch mal!« Er schlug mit seiner Handfläche gegen die Scheibe.

»Mach lauter! Dreh den Ton da drinnen an! Jemand …« Auf der Mattscheibe erschien jetzt eine Wetterkarte der australischen Ostküste. Harry drückte seine Nase an der Scheibe platt und sah auf der spiegelnden Mattscheibe eines ausgestellten Fernsehers das Gesicht von John Belushi.

»Hab ich mir das nur eingebildet, Myggen? Denk dran, daß ich im Augenblick unter dem Einfluß eines ziemlich starken Halluzinogens stehe.«

Myggen versuchte einen Paß, aber er verlor den Ball.

»Reiß dich zusammen, reiß dich verdammt noch mal zusammen!«

»Laß mich rein! Ich muß mit ihr reden …!«

»Geh nach Hause und schlaf deinen Rausch aus. Besoffene haben hier … Heh!«

»Laß mich los! Ich sage doch, daß ich ein Freund von Birgitta bin, sie arbeitet an der Bar!«

»Das wissen wir auch, aber unser Job ist es, solche wie dich, Blondie, draußen zu halten!«

»Au!«

»Verhalt dich jetzt ruhig, sonst sehe ich mich leider genötigt, dir den Arm zu brechen, du … omphh! Bob! Bob!«

»Sorry, aber ich bin es langsam leid, ständig angefaßt zu werden. Danke für den schönen Abend!«

»Was ist los, Nickie? War der das da?«

»Shit! Laß ihn nur gehen. Er hat sich nur losgerissen und mir einen Tritt in den Magen gegeben. Hilf mir hoch, bitte.«

»Diese Stadt ist, verdammt noch mal, wirklich dabei, aus dem Ruder zu laufen. Hast du heute abend die Nachrichten gesehen? Schon wieder ist ein junges Mädchen vergewaltigt und erwürgt worden. Sie haben sie heute nachmittag im Centennial Park gefunden. Ich glaub wirklich, ich ziehe wieder nach Melbourne zurück!«

Harry erwachte mit dröhnenden Kopfschmerzen. Das Licht brannte ihm in den Augen, und es gelang ihm nur mit Mühe, zu registrieren, daß er unter einer Wolldecke lag, als er sich zur Seite werfen mußte. Er erbrach sich in heftigen Schwallen, und sein Mageninhalt klatschte auf den Steinboden. Dann fiel er zurück auf die Bank und spürte, wie die Galle in seiner Nase stach, während er sich die klassische Frage stellte: Wo, zum Teufel, bin ich?

Das letzte, an das er sich erinnerte, war, daß er in den Green Park gegangen war und der Storch ihm einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen hatte. Jetzt schien er in einem kreisrunden Raum mit Bänken an den Wänden und einem großen Holztisch in der Mitte zu liegen. An den Wänden hingen Werkzeuge, Spaten, Harken und ein Wasserschlauch, und mitten auf dem Boden war ein Abfluß. Durch kleine, dreckige Fenster sickerte Licht in den Raum, aus dem eine enge, eiserne Wendeltreppe nach oben führte. Unter der Treppe stand etwas, das aussah wie ein elektrischer Rasenmäher. Plötzlich begann die Wendeltreppe zu knirschen und zu beben. Ein Mann kam herunter.

»Guten Morgen, weißer Bruder«, sagte eine tiefe Stimme, die er zu kennen glaubte.

»Ziemlich weißer Bruder«, sagte er, als er näher gekommen war. »Bleib nur liegen.«

Es war Joseph, der graue Aborigine – der Mann aus dem Krähenvolk.

Er drehte einen Wasserhahn an der gegenüberliegenden Wand auf, nahm den Schlauch und spülte das Erbrochene weg.

»Wo bin ich?« fragte Harry, um irgendwo zu beginnen.

»Im Green Park.«

»Aber …«

»Im Gartenhaus. Du bist im Gras eingeschlafen, und als es begonnen hat, zu regnen, habe ich dich hierher gebracht.«

»Aber …«

»Beruhige dich. Ich habe die Schlüssel. Das ist mein zweites Zuhause hier.« Er blickte durch eines der Fenster: »Heute ist ein schöner Tag.«

Harry schaute zu Joseph hoch. Er sah für einen Säufer verdammt frisch aus.

»Ich kenne den Wachmann schon lange, und wir haben so eine Art spezielles Abkommen«, erklärte Joseph. »Manchmal nimmt er sich einen Tag frei, ohne der Parkverwaltung davon etwas zu sagen, und dann kümmere ich mich um alles hier – sammle den Abfall auf, leere die Mülleimer, mähe den Rasen und so weiter. Dafür darf ich mich hier drinnen hin und wieder verkriechen. Manchmal stellt er mir auch etwas zu essen hin, aber heute nicht, tut mir leid.«

Harry versuchte etwas anderes zu sagen als »aber …«, doch er gab es auf. Joseph hingegen war richtig redselig:

»Wenn ich ehrlich bin, gefällt mir an dieser Regelung am meisten, daß ich manchmal etwas zu tun habe. Das füllt den Tag aus und bringt einen irgendwie auf andere Gedanken. Manchmal glaube ich sogar, mich nützlich machen zu können.«

Joseph grinste breit und legte den Kopf zur Seite. Harry konnte nicht glauben, daß dies die gleiche Person war, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit in einem komaartigen Zustand, der unmöglich zu durchbrechen gewesen war, draußen auf der Bank gelegen hatte.

»Ich konnte es gestern fast nicht glauben«, sagte Joseph. »Daß du die gleiche Person warst, die noch vor ein paar Tagen so nüchtern und aufrecht dagesessen und Zigaretten verteilt hat.«

»Touche«, erwiderte Harry.

Joseph verschwand nach draußen und kam mit einer Portion Pommes frites und einem Becher Cola wieder. Er schaute zu, während Harry das einfache, aber verblüffend effektive Frühstück vorsichtig zu sich nahm.

»Der Vorläufer von Coca-Cola wurde von einem amerikanischen Apotheker erfunden, der ein Mittel gegen Kater herstellen wollte«, erzählte Joseph. »Aber er glaubte, einen Fehler gemacht zu haben, und verkaufte das Rezept für acht Dollar. Wenn du mich fragst, es gibt noch immer nichts Besseres.«

»Jim Beam«, sagte Harry mit vollem Mund.

»Ja, abgesehen von Jim Beam. Und Jack und Johnny und ein paar anderen Kerlen. Hä-hä. Wie fühlst du dich?«

»Besser.«

Joseph stellte zwei Flaschen auf den Tisch. »Der billigste Rotwein aus dem Hunter Valley«, sagte er. »Trinkst du ein Glas mit, Bleichgesicht?«

»Danke vielmals, Joseph, aber Rotwein ist nicht gerade mein Ding … Hast du nicht etwas anderes? Etwas Braunes, zum Beispiel?«

»Glaubst du, ich hab ein ganzes Lager hier?«

Joseph schien ein bißchen beleidigt darüber zu sein, daß sein großzügiges Angebot abgelehnt worden war.

Harry richtete sich schwerfällig auf. Er versuchte, das Loch in seinem Gedächtnis aufzufüllen, das zwischen dem Moment klaffte, in dem er Rod Stewart mit der Waffe bedroht hatte und einem späteren Zeitpunkt, wo sie sich buchstäblich in den Armen gelegen und ein bißchen Acid geteilt hatten. Es gelang ihm nicht, sich daran zu erinnern, was zu so viel Freude und gegenseitiger Sympathie geführt haben konnte, abgesehen natürlich von dem, was offensichtlich war – Jim Beam. Hingegen erinnerte er sich daran, den Türsteher des Albury geschlagen zu haben.

»Harry Hole, du bist ein pathetischer Säufer«, murmelte er.

Sie gingen hinaus und setzten sich in das Gras draußen vor der Laube. Die Sonne stach in den Augen, und der Alkohol vom Vortag brannte auf der Haut, aber abgesehen davon ging es gar nicht so schlecht. Eine leichte Brise wehte, und sie legten sich auf den Rücken und betrachteten die weißen Wolken, die langsam am Himmel entlangglitten.

»Heute ist das richtige Wetter zum Springen«, sagte Joseph.