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Die Erfahrung sagte Teddy aber auch, daß solche Popularitätsschübe schnell wieder vorbeigingen. Zum einen war das Publikum ständig auf der Suche nach etwas Neuem, und zum anderen hatte diese Branche die häßliche Angewohnheit, ihre eigenen Kinder zu fressen.

»Ein guter Striptease verlangt Enthusiasmus, weißt du«, schrie Teddy durch den Lärm der Discomusik. »Nur ganz wenige dieser Mädchen können sich diesen Enthusiasmus lange bewahren. Dafür müssen sie zu hart arbeiten. Vier Shows und das jeden fucking day. Da fängt man schnell an, sich zu langweilen und das Publikum zu vergessen. Das habe ich schon viel zu oft miterlebt. Egal wie angesagt sie sind, ein trainiertes Auge sieht genau, wann ein Sternchen seinen Glanz verloren hat.«

»Wie das denn?«

»Nun, das sind Tänzerinnen, nicht wahr? Sie müssen auf die Musik hören, sich in sie vertiefen, verstehst du, und wenn sie beginnen, einen Tick zu schnell zu sein und ein bißchen vor dem Rhythmus liegen, ist das nicht etwa ein Zeichen, daß sie übereifrig sind, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern im Gegenteil, daß sie es leid sind und schnell fertig werden wollen. Außerdem werden die Bewegungen verkürzt und nur noch angedeutet. Das ist, wie wenn man einen Witz schon zu oft erzählt hat; man beginnt, die kleinen, aber wichtigen Details auszulassen, weil man schnell zur Pointe kommen will. So etwas ist verdammt schwer zu beheben, die Körpersprache spricht immer die Wahrheit, und das färbt dann auf das Publikum ab, weißt du, und um die Show anzuheizen, um richtig abheben zu können, nehmen sie dann ein paar Drinks, bevor sie auf die Bühne gehen. Manchmal auch zu viele. Und dann …« Teddy legte einen Finger an das eine Nasenloch und schniefte.

Harry nickte. Die Geschichte kam ihm bekannt vor.

»Sie entdecken das Pulver, das sie im Gegensatz zum Alkohol aufmuntert, und das, wie man sagt, noch dazu schlank macht. Und schließlich müssen sie immer mehr nehmen, um den Kick zu kriegen, den sie jeden Abend für eine maximale Leistung brauchen, bis sie es dann ständig nehmen müssen, um überhaupt noch ihre Show abziehen zu können. Zu guter Letzt ist die Wirkung dann nicht mehr zu übersehen, und sie merken, daß sie die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, verlieren und beginnen, das grölende, besoffene Publikum zu hassen. Bis sie dann irgendwann eines Abends einfach von der Bühne spazieren. Wütend und in Tränen aufgelöst. Sie streiten sich mit den Managern, nehmen eine Woche Ferien und kommen zurück. Aber es gelingt ihnen nie mehr, das gleiche Feeling zu entwickeln wie früher und dem Unterbewußtsein genug Nahrung zu geben, um die Bewegungen wie früher richtig zu timen. Der Saal wird immer leerer, und irgendwann ist es dann Zeit für die Straße und neue Aufgaben.«

Ja, Teddy wußte, wie der Hase lief. Aber das lag alles noch in ferner Zukunft. Jetzt galt es, die Kuh zu melken, die gerade mit großen Kuhaugen und prallem Euter auf der Bühne stand und – allem Anschein nach – sehr glücklich war.

»Du glaubst gar nicht, wer alles hierherkommt, um unsere neuen Talente zu begutachten«, lachte Teddy und wischte seinen Jackettkragen ab. »Ein paar von denen kommen aus deiner Branche, und das sind nicht gerade die, die mit den Füßen auf dem Boden bleiben, wenn du weißt, was ich meine.«

»Ein bißchen Striptease kann wohl nicht schaden.«

»Schaden und schaden«, sagte Teddy langsam. »Aber, solange sie hinterher für ihre Schäden aufkommen, schadet die eine oder andere Schramme wohl nichts, glaube ich.«

»Wie meinst du das?«

»Ach, gar nichts«, erwiderte Teddy, »genug davon – was führt dich in diese Gefilde, Konstabel?«

»Zwei Dinge. Das Mädchen, das im Centennial Park gefunden worden ist, scheint nicht gerade so ein Unschuldslamm gewesen zu sein, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Die Blutproben haben ergeben, daß sie mit Amphetaminen vollgepumpt war, und genauere Untersuchungen ließen dann eine Verbindung hierher erkennen. Ja, wir wissen inzwischen, daß sie, bevor sie verschwand, hier oben auf der Bühne gestanden hatte.«

»Barbara, ja. Eine tragische Geschichte, nicht wahr?« Teddy versuchte ein trauriges Gesicht zu machen. »Nicht gerade ein großes Strippertalent, aber wirklich ein nettes Mädchen. Habt ihr etwas herausgefunden?«

»Wir haben gehofft, daß du uns da weiterhelfen kannst, Mongabi!«

Teddy fuhr sich nervös mit der Hand durch seine geschniegelten schwarzen Haare.

»Sorry, Konstabel. Sie gehörte nicht zu meinem Stall. Rede am besten mit Sammy, der taucht sicher heute abend noch auf.«

Ein Paar gewaltige, satinbespannte Brüste schoben sich für einen Augenblick zwischen sie, bevor sie wieder verschwanden und ein farbenfroher Drink vor Harry auf dem Tisch stand.

»Du hast gesagt, du seist wegen zwei Sachen hier, Konstabel. Um was geht es bei der zweiten?«

»Ach das. Eine reine Privatangelegenheit, Mongabi. Ich frage mich, ob du meinen Freund dort drüben schon einmal gesehen hast?« Harry zeigte zur Bar hinüber. Eine große, dunkle Gestalt in einem Smoking winkte ihnen zu. Teddy schüttelte den Kopf.

»Bist du ganz sicher, Mongabi? Er ist ziemlich bekannt. In nicht allzu ferner Zukunft wird er australischer Boxchampion sein.«

Es entstand eine Pause. Teddy Mongabis Blick wurde unruhig.

»Was willst du damit … sagen?«

»Im Schwergewicht, natürlich.« Harry fand zwischen Sonnenschirmen und Zitronenscheiben einen Strohhalm in seinem Fruchtsaftcocktail und saugte drauflos.

Teddy lächelte angestrengt.

»Hör mal, Konstabel, täusche ich mich, oder haben wir uns noch gerade recht amüsant unterhalten.«

»Natürlich haben wir das«, sagte Harry und lächelte. »Aber man kann sich nicht immer nur amüsieren, nicht wahr? Und jetzt ist die Schmusestunde vorbei.«

»Ich glaube, auch ich habe das neulich nicht sonderlich amüsant gefunden. Es tut mir leid. Auch wenn du deinen Teil der Schuld auf dich nehmen mußt. Als du heute abend hierherkamst und dich da an den Tisch gesetzt hast, habe ich das als Zeichen verstanden, die ganze Sache zu begraben. Ich glaube, wir können uns in vielen Dingen einig werden. Weißt du, wir reden doch die gleiche Sprache, du und ich, Konstabel.«

Eine Sekunde lang setzte die Discomusik plötzlich aus. Teddy hielt inne. Mit lautem Schlürfen verschwanden die letzten Fruchtsaftreste aus Harrys Glas in seinem Strohhalm.

Teddy schluckte.

»Zum Beispiel weiß ich, daß Melissa heute abend noch nichts weiter vorhat.« Er blickte Harry flehend an.

»Danke, Mongabi, ein netter Gedanke. Aber gerade jetzt habe ich leider keine Zeit. Ich muß mit dieser Sache erst fertig sein und dann verschwinden.«

Er zog einen schwarzen Polizei-Gummiknüppel mit Handgriff aus seiner Jacke.

»Wir haben es so verdammt eilig, daß ich nicht einmal weiß, ob es mir gelingt, dir richtig die Lampe auszublasen«, sagte Harry.

»Was zum Teu …«

Harry stand auf.

»Ich hoffe, daß Geoff und Ivan heute abend Dienst haben. Mein Freund hat sich so darauf gefreut, ihre Bekanntschaft zu machen.«

Teddy versuchte, von seinem Stuhl aufzustehen.

»Schließ die Augen«, sagte Harry und schlug zu.

»Uh?«

»Hallo, spreche ich mit Evans?«

»Vielleicht, wer will das wissen?«

»Hei, ich bin Birgitta, die schwedische Freundin von Inger, du weißt schon. Wir haben uns ein paarmal im Albury gesehen. Ich habe lange helle, leicht rötliche Haare. Erinnerst du dich?«

»Ja, natürlich erinnere ich mich. Birgitta, nicht wahr? Wie geht's? Wo hast du diese Nummer her?«

»Es geht so. Ein bißchen auf und ab, wie es einem so geht. You know. Ein bißchen neben der Spur wegen der Sache mit Inger und so. Aber da hast du ja sicher genug mit zu tun, und ich will dich nicht quälen. Die Nummer habe ich von Inger, für den Fall, daß wir sie in Nimbin erreichen müßten.«

»Ach so.«

»Äh, die Sache ist die, daß du etwas hast, von dem ich etwas brauchen könnte, Evans.«

»Ach ja?«

»So Sachen.«

»Schon klar. Sorry, daß ich dich enttäuschen muß, aber ich bezweifle, daß ich habe, was du brauchst. Hör mal … äh, Birgitta …«

»Du verstehst nicht, ich muß dich treffen!«

»Immer mit der Ruhe. Was du brauchst, kannst du auch bei Hunderten von anderen Menschen bekommen, und das hier ist eine offene Telefonleitung, ich würde deshalb vorschlagen, daß du nicht sagst, was du nicht mußt. Es tut mir leid, daß ich dir nicht helfen kann.«

»Was ich brauche, fängt mit ›M‹ an, nicht mit ›H‹. Und das hast nur du!«

»Blödsinn.«

»Ich weiß, daß es noch ein paar wenige andere gibt, aber ich hab zu keinem von denen Vertrauen. Ich kaufe gleich für mehrere Leute. Ich brauche viel, und ich bezahle gut.«

»Ich habe gerade einiges zu tun, Birgitta. Ruf mich hier nie wieder an, ja?«

»Warte! Ich kann … ich weiß ein paar Sachen. Ich weiß, wie du es gern hast.«

»Gern hast …?«

»Wie du es … magst. Wonach du auf der Suche bist.«

»Moment mal.«

»Sorry, aber ich mußte gerade jemanden hinausbefördern. Das ist ein ständiges Gequengel hier. Was, glaubst du, mag ich, Birgitta?«

»Das kann ich nicht am Telefon sagen, aber … Aber ich habe blonde Haare, und ich … ich mag das auch.«

»Ach du Scheiße! Freundinnen! Ihr verblüfft mich immer wieder. Ich habe wirklich geglaubt, daß Inger bei diesem Thema die Klappe halten würde.«

»Wann kann ich dich treffen, Evans? Es eilt!«

»Ich komme morgen nach Sydney, aber vielleicht sollte ich einen früheren Flug nehmen …«

»Ja!«

»Hm.«

»Wann können wir …«

»Psst, Birgitta, ich denke nach.«

»Gut, Birgitta, hör mir zu. Geh morgen abend gegen acht Uhr die Darlinghurst Road runter. Bei Hungry John auf der linken Seite bleibst du stehen und hältst nach einem schwarzen Holden mit getönten Scheiben Ausschau. Wenn der nicht bis halb neun da ist, kannst du wieder gehen. Und achte darauf, daß ich deine Haare sehen kann.«