«Deshalb werde ich spätestens nächste Woche auch in die Berge ziehen, Senora«, sagte Dr. Mohr. Mercedes Ordaz sah ihn nachdenklich an.
«Weiß das Christus Revaila?«
«Das kümmert mich nicht.«
«Ohne Revaila — und mir — geht hier nichts, Senor Medico.«
«Es ist immer von Nutzen, wenn man die internen Kräfteverhältnisse kennt«, sagte Pater Cristobal freudig.»Um Christus werde ich mich noch kümmern, ich meine um Revaila-Christus. Sie sind zugegen, Senora, und anscheinend eine Frau, mit der man offen reden kann. In Penasblancas gibt es doch eine Kirche?«
«Gab es, Pater. Aber mangels Priester wurde ein Supermarkt daraus.«
«Ich werde mit dem Inhaber sprechen.«
«Das tun Sie bereits.«
«Sehr tüchtig! Um Wege zu sparen, wo treffe ich Sie sonst noch als Besitzer an?«
«Mir gehört die halbe Stadt«, sagte >Mercedes die Große< milde.»Ein Haus oder ein Zimmer, um eine neue Kirche zu gründen, bekommen Sie hier nicht!«
Sie holte das bunte Bildchen des heiligen Antonius zwischen ihrem Busen hervor, zerriß es und streute die Schnipsel in die Luft.
Pater Cristobal nickte mehrmals.
«Du hast Antonius vor der Versuchung gerettet, meine Tochter.«
Mercedes Ordaz hielt es für unter ihrer Würde, weiter mit dem Pfäfflein zu sprechen. Sie verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
«Du wirst es schwer haben, Cris«, sagte Dr. Mohr nachdenklich.»Ich glaube nicht, daß Portier Miguel in deiner Kirche singt.«
«Wer ist Christus Revaila?«
«Der Statthalter des großen unbekannten Boß! Ich kenne ihn als Don Alfonso. Er kann aber auch anders heißen.«
«Er ist also die andere Hälfte von Penasblancas.«
«Die gefährlichere.«
«Wirklich?«Pater Cristobal ging zur Tür. Sein Zimmer Nummer 14 lag neben dem Dr. Mohrs. Dieses Hünenweib forderte mehr als Gegnerschaft. Sie ist intelligent und grausam bis in die letzte Muskelfaser.»Ich komme mir vor wie Bonifazius, bevor er die DonarEiche fällte.«
Es klopfte an der Tür.
Dr. Mohr und Pater Cristobal sahen sich erstaunt an. Daß man in Penasblancas anklopfte, bevor man eintrat, hatten sie nicht erwartet. Der dicke Türriegel verriet da andere Umgangsregeln. Als nicht sofort eine Antwort erfolgte, klopfte es noch einmal.
«Ein höflicher Mensch«, sagte Pater Cristobal.
«Herein!«rief Mohr.
Dieses Mal flog die Tür weit auf und knallte gegen die Wand. Ein Mann trat ein, bei dessen Anblick ein vernünftiger Mensch sofort in Deckung geht. Das graue Haar war kurzgeschnitten wie eine Bürste. Darunter folgte ein Gesicht, geprägt von dem Wissen, daß dieses Leben absolut nichts wert ist, wenn man es nicht in jeder Minute mit einem Colt verteidigen kann. Dieser Colt hing denn auch sichtbar am Gürtel neben einem langen Messer in einer Lederscheide. Das war das einzig Kriegerische an dem Mann. Er trug einen normalen Anzug, etwas zu derbe Schuhe, aber nach guter spanischer Herrensitte Hemd und Krawatte. Vielleicht war es die einzige Krawatte, die in Penasblancas existierte. Kalte, grüngraue, unter buschigen Brauen eingeschobene Augen musterten Dr. Mohr und Pater Cristobal.
«Christus Revaila!«sagte der muskulöse Mann.»Sie sind der Arzt. Sie sind der Pfaffe!«
«Oh, er ist intelligent!«rief Pater Cristobal begeistert. Revailas Augen verengten sich sofort wie bei einem gereizten Tier.»Waren Sie als Kind einmal Meßdiener?«
«Mercedes hat mit Ihnen gesprochen. Das wollte ich verhindern! Sie hat Ihnen sogar Zimmer gegeben. Auch das wollte ich nicht! Wenn Sie anderes gesagt hat, lügt sie. Sie sollten bei mir wohnen.«
«Können Sie mir auch so süße Nachbarschaft bieten, Revaila?«fragte Dr. Mohr sarkastisch. Revaila winkte ab.
«Wenn Sie scharf sind auf diese. diese. «Er verschluckte das unschöne Wort, das er im Sinn hatte und lehnte sich gegen die Tür.»Wenn's Sie überkommt, Doktor: In den Bergen gibt es Mädchen genug, die für eine Dose Schweinefleisch nicht mit der Uhr neben dem Bett schlafen. Für viele Eltern wird es eine Ehre sein, wenn ihr Töchterchen dem feinen Medico ein paar Stunden versüßt. Das Alter spielt keine Rolle. Es gibt Zwölfjährige, die halten Sie für zwanzig!«Revaila lachte Montero an.»Sie stehen ja noch senkrecht, Pater?!«
«Ich komme aus einer Gegend, in der Kinderprostitution zum täglichen Brot gehörte. Warum soll es gerade in Penasblancas anders sein?«
«Sie ziehen um!«Revaila zeigte mit dem Daumen nach hinten zur Tür.»Der Donnerbusen steht auf der anderen Seite und lauscht.«
«Wie sind Sie überhaupt an ihr vorbeigekommen?«fragte Dr. Mohr.
«Wir kennen uns zu gut. «Revaila lachte verhalten.»Unten an der Bar sitzen zehn Freunde. Hat sie Ihnen erzählt, wer sie ist?«
«In groben Zügen.«
«Es gibt zwei Transportwege von hier bis nach Bogota, die vollkommen sicher sind. Der eine bin ich, der andere ist die >Mama von Penasblancas<. Es gab einmal eine Zeit — das war vor drei Jahren, kurz nach Schließung der staatlichen Minen —, da tauchten hier Idioten auf, die glaubten, Mercedes sei nur eine Frau mit besonderen Maßen. Sie versuchten, ihr die Smaragde, die sie aufkaufte, abzujagen. Was passierte? Nicht der Rede wert. Wenn Sie morgen in der Stadt Spazierengehen, sehen Sie gleich am Eingang zum Friedhof vier Gräber mit vier gleichen Kreuzen. Auf jedem steht: Sie waren zu dumm! — Weiter nichts! Aber seitdem hat >Mama< Ruhe.«
«Es gibt hier tatsächlich einen Friedhof?«fragte Pater Cristobal.
«Einen großen — «
«Natürlich! Und Kreuze auf dem Grab?«
«Ja.«, sagte Revaila gedehnt.
«Am Grab wurde auch gebetet?«
«Ich kann es nicht verhindern!«schrie Christus.
«Eine brave Stadt. «Pater Cristobal faltete die Hände.»Mein Sohn, am Sonntag um 11 Uhr ist Messe.«
«Scheiße!«
«Das kannst du vorher oder hinterher tun.«
«Wir ziehen also um!«rief Revaila.
«Ich bleibe«, sagte Montero.
«Im Hurenhaus!«
«Gott ist überall.«
«Es ist noch gar nichts entschieden«, sagte Dr. Mohr.»>Mama< hat uns mit den Zimmern überrumpelt, Sie werfen uns auch die Betten nach. Vorher müssen wir mit unseren Reisekameraden sprechen.«
«Die Offiziere sind untergebracht. «Revaila zupfte an seiner Jacke.»Ich würde mich da aufhalten, Senor Medico, wo die Lebenserwartungen länger sind.«
«Ich werde es den anderen raten.«
«Tun Sie das!«Revaila grinste breit. Sein Gesicht zersprang in lauter kleine Falten.»Es ist gut, wenn ihr alle wißt, daß ihr unsere Feinde seid.«
«Wir wissen es.«
«Holen Sie Ihren Wagen, Senor. Ich habe den Auftrag, mich nur um Sie zu kümmern.«
«Ich soll Sie von Don Alfonso grüßen.«
«Bekannt. «Christus Revaila nickte zu Pater Cristobal hinüber.»Ihre Messe am Sonntag fällt aus.«
«Aber nicht doch.«
«Ich verbiete sie!«
«Und gerade du heißt Christus?«
«Ich könnte meinen Alten noch jetzt dafür aufhängen!«sagte Revaila grob und verließ das Zimmer.
>Mercedes die Große< war nicht im Flur und hatte gelauscht. Sie wußte auch so, was Revaila zu sagen hatte.
Im Polizeigebäude warteten Leutnant Salto und Major Gomez auf Dr. Mohr und Pater Cristobal. Die beiden Offiziere hatten ihre Maschinenpistolen umgehängt; die vier Polizisten standen an der Wand, ebenfalls bewaffnet und sichtlich erleichtert, als Dr. Mohr und Pater Montero eintraten.
«Das war in letzter Minute!«rief Major Gomez.»Wir waren gerade dabei, zum Sturm auf die >Bar< anzusetzen. Du lieber Himmel, was haben Sie bloß da drinnen gemacht?! Als ich sagte: Jetzt kümmern wir uns um den Schuppen, wurden die Polizisten weiß wie gekalkte Wände.«
«Wir haben zweimal Feuer geschluckt, eine enorme Frau kennengelernt, vier Betten in zwei verschiedenen Häusern angeboten bekommen und sollen Ihnen sagen, daß Ihre Lebenserwartungen begrenzt sind. «Dr. Mohr blickte zu dem Zellentrakt. Er war leer.»Wo ist Margarita?«