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«Der nicht!«sagte Mercedes Ordaz fett.»Wenn der tritt und schlägt, stehen hundert Englein dahinter!«

Leutnant Salto kam näher und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er setzte sich neben >Mama< an die Theke. Loulou tauchte auf und sah den Polizisten fragend an.

«Rum und Cola!«sagte Salto.»Aber mehr Rum, du Fesselballon!«

Loulou mit dem Riesenbusen machte >puh< und mixte das gewünschte Getränk. Die Gäste standen noch immer geduldig mit dem Gesicht zur Wand, die Hände über den Köpfen.

«War das ein Tag«, seufzte Salto. Er kippte den Rum mit Cola herunter und rülpste verhalten.»Pardon! Es hat wieder eine Schießerei gegeben. Zwischen Muzo und Chivor. Gedungene Smaragdräuber lauerten einer Kolonne auf, die nach Bogota zog. Mit Mauleseln und auf drei Motorrädern. Aber die Guaqueros hatten etwas gemerkt. Sie verhielten sich fast militärisch, wie im Krieg. Eine SpähtruppSpitze, die sich nach Feindberührung zurückzog, dann ein Sturmkeil, der durchbrach, und am Ende die Nachhut, die, am besten bewaffnet, mit einem letzten Donnerschlag alles um sich herum niedermähte. Es hat vier Tote gegeben. Aus dieser Räuberbande!«Salto beugte sich vor.»Woher wußten Sie von dem Smaragdtransport,

Senora Ordaz?«

«Sie fragen die Falsche, Leutnant. «Sie rauchte die dicke schwarze Zigarre und paffte dicke Wolken in die Luft.

«Drei waren von Ihren Leuten.«

«Das muß ein Irrtum sein.«

«Einer war unbekannt.«

«Unbekannt?«Ihr Interesse erwachte.»Neu aus Bogota gekommen?«

«Nein! Aus Cosquez. Das wundert uns! Man ist dabei, aus den anderen Orten die >Spezialisten< abzuziehen und heimlich nach Pen-asblancas zu dirigieren. Das hat doch etwas zu bedeuten.«

«Revaila«, sagte >Mama< dunkel.»Er hat etwas vor.«

«Sie wissen das?«

«Ich ahne es! Seit heute geht es bei ihm zu wie in einem Kaufhaus mit Sonderangeboten. Die Kerle drängen sich förmlich durch die Tür. Christus Revaila baut sein Expeditionsheer auf.«

«Expedition wohin?«fragte Salto.

«In die Berge. «Sie lachte dunkel.»Mein lieber Leutnant, das ist alles eine Nummer zu groß für Sie! Wenn Revaila in den Krieg zieht — ich habe das nur einmal erlebt —, wagt sich keiner mehr in die Kordilleren.«

«Ich rufe sofort Major Gomez in Muzo an. Er wird mit seinem Bataillon.«

«Er wird gar nichts, Leutnant! Die Hälfte seiner Truppe wird bereits wissen, was sich da zusammenbraut, denn diese Hälfte — vor allem die Herren Offiziere — leben wie dicke Maden durch Gelder, die unsichtbar in ihre Taschen fließen. Ein Mysterium! Abends sind die Taschen leer, packen sie morgens hinein, knistern die Pesoscheine. Major Gomez wird mit vielen Krankmeldungen rechnen müssen.«

«Zustände sind das!«brüllte Salto.»Wissen Sie etwa auch, wohin Revaila ziehen will?«

«Natürlich.«

«Und wohin?«

«Zur Pebas-Mine. Dort lebt jetzt ein Mensch, der, nach Ansicht von Revaila, nicht mehr leben darf: Pedro Morero.«»Ha!«Leutnant Salto zuckte hoch.»Unser Medico! Ich verhafte Revaila sofort!«

«Das ist jetzt nicht mehr möglich. Revaila hat bereits eine kleine Truppe um sich, deren Sicherheitsring Sie nicht durchbrechen können. An den kommen Sie nicht mehr heran. Leutnant. Sie können nur noch in Ihrem Polizeihaus sitzen und sich besaufen. Das ist das beste.«

«Alles wieder rumdrehen!«schrie Salto. Die Gäste lösten sich von den Wänden und gingen zu ihren Sitzplätzen zurück. Sie taten es so gleichmütig, als sei nichts geschehen. Soll man sich durch einen Polizisten den schönen Abend versauern lassen? Nicht bei uns, Leutnant. Das Leben ist hier so kurz, und die Weiber bei >Mama< sind so schön. Gönne uns das kleine Vergnügen, Camarada, wer weiß, ob wir Bogota, das wirkliche Leben, jemals wiedersehen.

«Ich packe!«Pater Cristobal rutschte vom Barhocker.»Bedanken Sie sich bei Revaila, Senora, wenn ich früher weggehe als geplant. Aber ich komme wieder und hole Perdita ab.«

«Wo wollen Sie hin?«fragte Salto ahnungsvoll.

«Zu Pete Morero.«

«Dachte ich mir's doch! Loulou, noch einen Rum mit Cola! Pater, Christus Revaila ist kein Kerl, der nicht auch auf ein Kreuz schießen würde.«

«Dem Namen nach könnte er es nicht. Aber ich weiß, daß er nur töten will.«

«Und was wollen Sie dann in den Bergen?«

«Das Wort erheben!«sagte >Mama< spöttisch.

«Genau das!«Pater Cristobal warf ein paar Pesos für den Whisky auf die Theke.»Wir werden die Angst besiegen… dann haben wir auch Revaila besiegt.«

Die kleine Neila Zapiga konnte gerettet werden.

Dr. Mohr pumpte den Magen aus, gab ihr viel Milch zu trinken und injizierte ein Kreislaufmittel. Noch während er die Nadel wie-der herauszog, schlief Neila ein und atmete tief und regelmäßig. Ab und zu zuckte die Bauchdecke noch, aber die Krämpfe kamen nicht wieder. Zapiga kniete neben seiner kleinen Tochter, streichelte ihr Köpfchen und sprach leise auf die Schlafende ein. Der Mann mit dem Vollbart beugte sich ebenfalls über das Kind und ging dann zu Dr. Mohr, der seine Arztkiste wieder einpackte.

«Was können Sie alles?«fragte er.

«Wie soll ich das verstehen?«fragte Mohr zurück.

«Ein Arzt kann doch nicht alles. Der eine kann Knochen heilen, der andere die Lunge. Es gibt Fachärzte für die Augen oder die Zähne, und solche, die einen Menschen aufschneiden und aus dem Körper herausholen, was krank macht.«

«So einer bin ich, ein Chirurg.«

«Aha: Und wie ist es mit Krebs.?«

«Hat einer in der >Burg< Krebs?«fragte Dr. Mohr besorgt.

«Ich sage das nur so«, brüllte der Mann mit dem Vollbart.»Angenommen, einer von uns hat Krebs. Wie steht es dann mit ihm?«

«Miserabel.«

«Aha! Da macht ihr Ärzte euch in die Hose.«

«Das nicht direkt. Man müßte feststellen, um welchen Krebs es sich handelt. Und in welchem Stadium er sich befindet. Ob er noch operabel ist.«

«Sie können so etwas operieren?«

«Das habe ich jahrelang gemacht.«

«Und da kommen Sie zu uns Verfluchten? Da stimmt doch etwas nicht. «Der Mann mit dem Vollbart fixierte Dr. Mohr.

«Haben Sie jemanden umgebracht?«

«Nein.«

«Mit der Kasse durchgebrannt?«

«Aber nein.«

«Wegen der Politik? Sind Sie Revolutionär?«

«Auch nicht. Ich habe in Bogota ein gutes Leben geführt. Dann hörte ich von euch hier draußen und sagte mir: Diese Menschen brauchen dich wirklich. Und jetzt bin ich eben da. und baue mit eurer Hilfe mein Krankenhaus.«

Juan Zapiga saß neben seinem schlafenden Kind und schaute den wilden Burschen aus der berüchtigten >Burg< zu, wie sie die gefällten Stämme entlaubten oder mit zwei Stahlschubkarren Steine herankarrten und auf einen Haufen warfen. Oben, in seinem Stolleneingang, hockte der halbblinde Pepe Garcia und konnte nur hören, was unter ihm vorging. Adolfo Pebas war in seine Mine gegangen. Außer einer starken Taschenlampe hatte er einen dicken Gartenschlauch mitgenommen. Meter um Meter rollte er ihn auf, je tiefer er in den Berg tappte. Die letzte Strecke konnte er nur noch kriechen. Hier war der Stollen gerade so hoch, daß man sich auf Händen und Knien fortbewegen konnte. Ein Kriechgang, in das Gestein gehauen, nicht abgestützt, eine scharfkantige Röhre, die man auch nur rückwärts kriechend wieder verlassen kann. Sich drehen oder umwenden ist unmöglich. Man muß den Gummischlauch hinter sich herziehen, immer in Mundnähe, denn je tiefer man in den Berg kriecht, um so mehr wird der Schlauch die einzige Verbindung zum Leben: Luft! Luft! Luft!

Am Ende des Ganges, vor der Wand, die er weiter aufreißen wollte, in atemberaubender Hitze und ohne Sauerstoff, blieb Pebas erst einmal ein paar Minuten liegen und atmete durch den Gummischlauch. Er saugte das bißchen Luft in sich hinein, was man durch den Schlauch bekam, und griff dann zu Meißel, Hammer und der kleinen Schaufel, mit der er die losgelösten Steine und die Erde hinter sich warf.