«Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall, Dr. Simpson. «Dr. Mohr beugte sich vor.»Sie schickt mir der Himmel!«
«Nein! Ich wollte Ihnen nur meine Meinung sagen.«
«Sie bleiben bei mir.«
«Moment mal, wiederholen Sie das, Dr. Morero.«
«Ich stelle Sie als Assistenten an! Mein Gott, ich könnte singen vor Freude! Jetzt sind wir schon zwei Ärzte! Sogar ein Gynäkologe — «
«Ich habe alles vergessen, Kollege.«
«Das kann man nicht vergessen! Alle Examina mit Auszeichnung.«
«Das glauben Sie ohne Beweise?«
«Ihre Erzählung genügt mir, Dr. Simpson.«
«Sagen Sie Aldi zu mir. Wie zu einem Hund. Wenn Sie rufen, wenn Sie pfeifen: Aldi, komm her, bei Fuß, Aldi… ich bin sofort da!«
Er nahm seine alte Mütze ab und warf sie auf den Boden.»Mir ist plötzlich heiß geworden, Dr. Morero.«
«Ich heiße Pedro oder Pete.«»Seit sieben Jahren habe ich nicht mehr als Arzt gearbeitet. Bin in der Welt herumgereist, habe für >M< geschuftet; als Scheuermann, als Markthallenträger, als Fischaufschlitzer auf einem Fangschiff. Alles nur, um an das verdammte >M< heranzukommen. So betrachtet, bin ich diesem Sauland hier dankbar! Es hat mich entwöhnt! Wer sich in den Berg wühlt, kann sich kein >M< spritzen. Da braucht man die Kraft junger Muskelfasern. Zuerst war's schlimm. Ich habe geheult wie ein junger Coyote. Aber dann gab es innerlich einen Knacks — und vorbei war alles. «Simpson sah Dr. Mohr aus gläsernen Augen an.»Ich bin gespannt, wie ich reagiere, wenn ich wieder eine >M<-Ampulle sehe. Und wenn ich Äther oder Chloroform rieche.«
«Ich schlage Ihnen den Schädel ein, Aldi!«
«Das dürfen Sie dann auch!«
«Wo haben Sie Ihre Wohnung?«
«Eine Holzhütte, zehn Kilometer von hier entfernt.«
«Du meine Güte, selbst da weiß man schon von meiner Anwesenheit?«
«Ihr Erscheinen in Penasblancas war bei uns allen so schnell bekannt, als sei es durch die Radionachrichten gekommen. Ihr Name ist in den Bergen genauso populär wie die Spezialitäten von >Ma-mas< Paradepferdchen. Aber man traut Ihnen nicht.«
«Ich weiß es. Das werde ich ausräumen.«
«Ausräumen! Typisch Chirurg!«Dr. Simpson räusperte sich.»Haben Sie Whisky hier?«
«Drüben in der Höhle!«
«Scheiße! Ein Mann muß immer eine gefüllte Flasche in der Tasche haben! Sehen Sie, das kann ich Sie lehren: wie man hier elegant überlebt! Das ist eine Kunst besonderer Art. Whisky gehört dazu. Ein strammer Bourbon!«Er stand auf, ging auf dem Kahlschlag hin und her und macht eine weite Armbewegung.
«Bauplatz?«
«Ja. Wo Sie gerade stehen, kommt das Bettenhaus hin.«
«Und wo ist das Schwesternhaus? Die Miezenburg?«Dr. Simpson schüttelte den Kopf.»Tun Sie mir das nicht an. Keine Schwestern?
Was ist eine Klinik ohne ein anständig-unanständiges Schwesternhaus? In Paris zum Beispiel habe ich erlebt.«
«Aldi, Ihr Spott trifft nicht. «Dr. Mohr betastete seine Nase. Sie war nur leicht angeschwollen.»Wir werden ein Bettenhaus, ein Behandlungshaus und ein Wohnhaus haben!«
«Bravo! Wohne ich bei Ihnen im Chefpalast?«
«Natürlich! Tag und Nacht bereit.«
«So schlägt das Schicksal hart zurück! Aber ich habe keine naturblonde Frau mit BH-Größe fünf! — Wer baut das denn alles eigentlich? Kommen die Hauswände per Hubschrauber vom Himmel?«
«Ich habe eine vorzügliche Baukolonne zusammen. Die Männer aus der >Burg<!«
Dr. Simpson, der gerade vor einem Stapel Baumstämmen stehenblieb, wirbelte herum.
«Wen?« rief er entgeistert.
«Die von der >Burg<!«
«Sie lügen infam, Chef!«
«Morgen früh können Sie sie bewundern.«
«Das gibt es einfach nicht! Die Kerle aus der >Burg< sind die einzigen, an die sich keiner herantraut. Da gibt es keine Diskussionen, da knallt es sofort! Kennen Sie den Oberburgler?«
«Natürlich. Ein Mann mit Vollbart. Von Beruf Rechtsanwalt. Er ist mein Bauleiter und beratender Architekt.«
«Ich staune! Ich staune unentwegt! Wie bekommen Sie das bloß fertig? Sie sehen so harmlos aus, so wie ein richtiger Frauentyp, der nach Acapulco oder St. Tropez gehört, um dort Brustkraulen zu üben, aber der nach der Mama schreit, wenn ihm einer auf den großen Zeh tritt. Dr. Morero, wo kommen Sie her?«
«Ehrlichkeit gegen Ehrlichkeit! Kein Wort von dem, was ich sage, Aldi.«
«Ehrenwort!«
«Ich bin Deutscher.«
«Sie enttäuschen mich. «Dr. Simpson kehrte zum Sitzplatz zurück.
«Ich mag die Deutschen nicht.«
«Und warum?«
«Sie sind zu perfekt! Ich kann mir denken, daß in Ihrer neuen Klinik keiner auf den Boden spucken darf.«
«Auf keinen Fall!«
«Da haben wir's! Dr. Morero — oder wie Sie wirklich heißen — das Hospital wird im wildesten Gebiet der Erde stehen, und ihre Patienten werden die wildesten Kerle und die durchtriebensten Weiber sein! Wir werden vor leeren Betten sitzen und Mücken fangen, wenn sich herumspricht, daß man sich nach jedem Pinkeln die Hände waschen muß! Was war das große Geheimnis von Albert Schweitzer in Lam-barene? Wenn ein Kranker im Bett lag, kampierte um ihn herum die ganze Familie! Der weiße Mann war ein Heiliger! Als er tot war und die neuen Ärzte ein modernes, steriles Klinikgebäude bauten, blieben die Kranken weg und verreckten lieber im Urwald, im Kreise ihrer Verwandten. Hier bringt jeder, der krank ist, seine Freunde als eine Art Leibwache mit. Wehe, wenn Sie diese Sitte unterbinden wollen! Die hier kennen nämlich die Gefahr, Sie nicht. «Dr. Simpson setzte sich wieder und schlug sich auf die ausgemergelten Schenkel.»Es war vielleicht doch gut, daß ich gekommen bin.«
«Es war sogar sehr gut, Aldi. «Dr. Mohr reichte Simpson die Hand.»Bleiben Sie gleich hier?«
«Ja. «Dr. Simpson schlug ein.»Wollen Sie mir helfen?«
«Helfen? Wobei?«
«Abladen! Dort hinten steht mein Handkarren. Ich habe alles, was ich noch habe, mitgebracht.«
«Oh, Sie Gauner!«sagte Dr. Mohr und lachte laut.»Sie verfluchter Gauner! Wenn ich Sie nun weggejagt hätte?«
«Unwahrscheinlich!«Dr. Simpson grinste.»Und wenn doch, so wäre ich als Patient zu Ihnen gekommen. Ha, ich hätte Ihnen eine Krankheit vorgespielt, an der Sie sich die Zähne ausgebissen hätten. Was glauben Sie, wieviel hysterische Weiber ich behandelt habe, die subjektiv todkrank, aber objektiv mopsfidel waren? Dadurch habe ich eine Menge gelernt. Übrigens, ich nehme Ihnen keinen Platz weg. Ich habe mein Zelt mitgebracht. «Er tappte zum Waldrand und blieb stehen, bis Dr. Mohr bei ihm war.»Und noch was, die kleine Süße, die Ihnen eins auf die Nase gedonnert hat, was ist mit ihr?«
«Ich liebe sie. Sie ist mein Schicksal!«
«Genauso ein Hornochse wie ich! Laden wir ab, Dr. Morero. Ich bin anscheinend zur rechten Zeit gekommen, um Sie noch zu retten.«
Dr. Simpson blieb nicht der einzige Besuch in dieser Nacht. Gemeinsam mit Dr. Mohr hatte er sein kleines Plastikzelt aufgebaut. Nicht auf dem Plateau am Waldrand, sondern an der steilen Felswand, direkt unter dem Höhlenloch auf halber Höhe, in dem Pepe Garcia hauste.
«Das müssen Sie sich merken, Pete«, erklärte Simpson und zurrte die Leinen fest.»Immer den Rücken freihalten! Immer mit dem Arsch gegen die Wand, dann können Sie gut nach vorne treten! Eine Rundumverteidigung ist unmöglich, wenn Sie allein sind. Aber was Sie vor sich haben, ist überblickbar.«