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«Zweitens: Sollten Sie irgendeiner amtlichen Stelle einen Tip geben, wäre Ihre Abberufung unerläßlich. Verstehen Sie?«

«Ich verstehe. «Abberufung, auch ein anderes Wort für etwas Unentrinnbares.

«Drittens: Selbst wenn es nicht zum Äußersten kommt, wird man Präparate der Strothfeld-Werke in Kolumbien nicht mehr bestellen. Eine Ausreise Ihrerseits werde ich verhindern. Ihnen bliebe nur die Flucht, aber Sie sind ein Feigling. Sie würden nie ein solches Risiko eingehen.«

«Nie!«stammelte Fachtmann.»Don Alfonso, ich weiß nicht, warum Sie sich an mich halten? Das ist doch unlogisch! Ich habe doch nur.«

«Sie haben mir Dr. Morero empfohlen. Ob Sie es wollen oder nicht, Sie haben sich mitschuldig gemacht! Man bringt einen Camargo nicht in Verlegenheit. Und genau das haben Sie getan.«

Ein Knacken. Camargo hatte das Gespräch beendet. Starr hockte Fachtmann neben dem Telefon und stierte an die Wand. Dann erhob er sich, ging mit staksigen Schritten zu seiner Hausbar, schüttete sich ein hohes Glas halbvoll mit Whisky und trank es in einem Zug aus. Heute besauf ich mich, dachte er. Heute falle ich stockbesoffen auf den Teppich. Ich habe mit meinem Tod gesprochen. Wer kann das schon von sich behaupten: Wenn das kein Grund ist, die ganze Bar leer zu saufen.

Pater Cristobal hatte die Beichte abgenommen. Jose Bandilla hatte darum gebeten, und die anderen waren solange aus dem Zimmer gegangen. Jetzt öffnete Cristobal wieder die Tür und nickte. Er sah sehr ernst und angegriffen aus.

«Kommt 'rein«, sagte er rauh.»Jetzt ist der Medico dran! Vor Gott ist Jose jetzt leicht wie eine Feder.«

Dr. Mohr trat an das Bett des Todkranken und setzte sich auf die Kante. Bandillas geweitete, fieberglänzende Augen fragten stumm.

«Ein Pater hat es einfacher als wir«, sagte Dr. Mohr mit brutaler Offenheit.»Er hört sich alles an, leidet im Inneren mit und vergibt im Namen Gottes, der angeblich alles verzeiht.«

«Er verzeiht wirklich, Pete«, unterbrach ihn Pater Cristobal sanft.

«Das ist deine Sache, Cris, so etwas zu behaupten. Ich habe von über 100 Toten gehört.«

«Vierhundert.«, sagte Bandilla schwach.»Opfer der Revolution und des Guerillakrieges. Für eine große Sache. Was man Novarra anlastet, das geht auf mein Konto! Ich habe die Sabotagen geleitet. Nachdem er mich entführt hatte, weil ich sein politischer Gegner war, hat er mich von seinen Zielen überzeugt. Ich wurde sein Anhänger. Ich wurde seine blutige Hand. Er wehrte sich immer dagegen, aber ich sagte: Revolutionen mit Samtpfötchen und Glacehandschuhen sind eine Illusion. Die Herrschenden müssen um ihr Leben bangen, das Volk muß sehen, daß jemand handelt. Es muß wissen: Hier kommt eine neue Zeit, die mit dem faulen Alten aufräumt. Radikal! Das war zum Beispiel der Erfolg von Fidel Castro. Das Volk sah zwar Blut, aber es war das Blut der Ausbeuter! Und dieses Blut begann dann zu leuchten als Wahrzeichen eines neuen Lebens: Zerschlagt die morsche Ordnung und schafft eine neue, bessere! Sind dafür 400 Tote zu viel?«

«Schon einer, Bandilla!«

«Ich bin also ein Mörder?«

«In meinen Augen schon.«

«Und alle Generäle, die Krieg führen und dafür höchste Orden bekommen? Die Millionen Menschen in die Schlachten treiben und Millionen Menschen zerfetzen lassen! Nennt man sie nicht Feldherrn? Kriegshelden? Feiert man sie nicht. je lauter, um so mehr Soldaten sie geopfert haben?«

«Das ist ein böses Thema, Bandilla. Vor allem bei mir. Es ist schlecht, mit mir darüber zu diskutieren. Ich verabscheue jede Gewalt, und Kriege sind für mich Menschheitsverbrechen. Es gibt keine Entschuldigung für einen Krieg, und sinnigerweise versucht auch kein Politiker, eine Entschuldigung dafür zu finden. Ebenso ungeheuerlich finde ich es, vor einem Völkermorden Gott um Hilfe anzuflehen oder Priester die Granaten und Bomben segnen zu lassen, bevor man sie zum Massentöten einsetzt. Was geht in diesen Priestern vor, die von der Nächstenliebe predigen und gleichzeitig das Kreuz über Vernichtungswaffen schlagen? Cris, ich will von dir keine Erklärung.«

«Ich kann auch keine geben«, sagte Pater Cristobal ruhig.»Ich würde so etwas nie tun.«

«Wann sterbe ich?«fragte Bandilla. Er war sehr erschöpft und von einer motorischen Unruhe befallen. Seine knochigen Hände fuhren über der Decke hin und her.

«Wer sagt, daß Sie sterben?«fragte Dr. Mohr zurück.

«Doctor«, mahnte aus dem Hintergrund Dr. Novarra.

«Ich muß Sie erst untersuchen, dann sprechen wir weiter.«

«Ich habe Krebs.«

«Wer hat das diagnostiziert?«

«Das sieht man doch.«

«Ach so! Wie einfach das doch ist, Arzt zu spielen. Man hat irgendwo Schmerzen, verliert radikal an Gewicht, wird dadurch natürlich immer schwächer, sieht wie ein tapeziertes Gerippe aus, die natürlichsten Körperfunktionen versagen oder geraten außer Kontrolle. und schon hat man Krebs! Eigen-Diagnose, was?«Dr. Mohr schlug die Decke zurück. Bandilla war wirklich nur noch ein Gerippe. Er wog, so schätzte Dr. Mohr, keine 80 Pfund mehr.»Schmerzen?«

«Überall!«

«Das kommt vom Liegen. Wo besonders?«

«Im Magen. Ich kann nichts essen. Ich breche alles wieder aus. Wie Galle ist es dann.«

Dr. Mohr nickte und deckte Bandilla wieder zu. Der Kranke zuckte zusammen. Das Zudecken sagte ihm genug. Es ist sinnlos.»Wie lange noch?«fragte er müde.

«Ich könnte Sie jetzt untersuchen, Bandilla. Abtasten, palpieren, mit dem Stethoskop abhören, Puls und Blutdruck messen, an Ihnen herumschnuppern — mein alter Lehrer sagte einmaclass="underline" Krebs kann man hören und riechen — aber was soll das? Ich brauche ein Röntgengerät. Ich bin Chirurg und muß die Krankheit sehen!«

«Sehen Sie mich an.«

«Kein Anblick zum Jubeln, bestimmt nicht. Aber das Röntgengerät kommt bald.«

«Was soll ich damit?! Ich will ja nur wissen, wie lange es noch dauert, bis ich sterbe.«

«Warum wollen Sie das wissen? Sie haben gebeichtet, der Weg der Seele ist frei. Die Einbahnstraße zu Gott. Ob heute, in einer Woche, in einem Monat. spielt das eine Rolle?«

«Ich will nicht länger leiden, Doctor. «Bandilla tastete nach Dr. Mohrs Hand.»Geben Sie mir eine gute Spritze. bitte.«

«Sie wollen von mir umgebracht werden? Bandilla, was bilden Sie sich ein?! Ich gebe Ihnen eine Injektion, aber ich haue Ihnen zunächst Glukose ins Blut und dann lege ich einen Tropf an. Einen Nährtropf! Eine Spritze und für immer einschlafen!«Dr. Mohr blickte sich nach Novarra um.»Ist das der Grund, warum ich in die >Burg< durfte? Dann war das eine Fehlinvestition, Novarra. Ich kapituliere nicht so schnell. Ich kämpfe! Auch hier! Bevor ich den Krebs nicht gesehen habe, glaube ich nicht an ihn. Bandilla, ich halte Sie über Wasser, bis die Hospitaleinrichtung ankommt! Röntgengerät und Labor. Und dann erst sage ich Ihnen, wann Sie sterben werden! Solange bitte ich mir aus, daß Sie an das Leben glauben!«

«Da haben wir es!«sagte im Hintergrund Novarra laut.»Ich habe es geahnt! Dieser Kerl ist der sturste Bursche, den ich bisher kennengelernt habe.«

Dr. Mohr winkte ab und öffnete die Riegel seines Metallkoffers.»Sie mögen mich jetzt für völlig verrückt halten, Novarra«, sagte er,»aber ich glaube nicht an Ihren Krebs! Ich rieche ihn nicht! Simp-son, die Infasionssachen! Morgen, Bandilla, werden Sie mir bestätigen, daß Sie sich merkwürdig satt fühlen! Natürlich kann ich Ihnen kein Steak durch die Venen drücken, aber was Sie bekommen, tut Ihnen gut.«

Er beugte sich über Bandilla, suchte in der linken Armbeuge unter der ledernen Haut nach der Vene und fixierte sie mit einem Daumendruck.

«Überlegen Sie, großer Revolutionär«, sagte er dabei,»ob Sie nicht zu früh gebeichtet haben.«

Nach zehn Minuten schlief Jose Bandilla ein. Er schnarchte laut, mit offenem Mund, und sah wie eine einbalsamierte Leiche aus.