Выбрать главу

Dr. Mohr maß noch einmal den Blutdruck, hob wortlos die Schultern und winkte. Sie verließen das Felsenzimmer und schlossen die Tür hinter sich. Auf dem Flur war es mit Novarras Beherrschung vorbei.

«Sie sind mir in den Rücken gefallen, Doctor!«schimpfte er. Mit gespreizten Fingern kämmte er seinen Bart.»Wie können Sie Bandilla noch Hoffnung machen? Und wenn es auch nur ein Schimmer von Hoffnung ist. jetzt klammert er sich daran!«

«Ärzte sind merkwürdige Wesen, Dr. Novarra. Oder sagen wir es so: Ich bin ein merkwürdiges Wesen. Bandilla ist zwar in einem desolaten Zustand, aber den Krebsverdacht teile ich nicht.«

«Er ist am Ende. Das sieht doch jeder.«

«Sie sehen das so. Ich will Ihnen einmal etwas erklären: Die Leber ist nicht höckrig. Keine Milzschmerzen. Kein Blut im Kot. Auch im Sputum keine Blutspuren, das hätte Bandilla mir gesagt. Kein fauliges Aufstoßen oder Fäulnisgeschmack im Mund. Als ich zu ihm von Steaks sprach, keine Abwehrreaktion, kein Ekelgefühl, kein Protest. Am Magen nichts tastbar, keine Verhärtung, keine Schwellung.«

«Aber er ist ja nur noch ein Gerippe!«rief Novarra.»Pater, was sagen Sie dazu?«

«Ich bin für den Himmel zuständig. «Cristobal hob bedauernd beide Hände.»Für den Körper muß Dr. Morero geradestehen.«

«Hätte ich das vorher gewußt, wären Sie nicht in die >Burg< gekommen!«sagte Novarra voll innerer Abwehr.

«Er soll also sterben?«

«Uns allen wäre wohler dabei. Es wäre eine natürliche Lösung vieler Probleme. Bandilla als Revolutionär kannte keinerlei Skrupel! Nachdem ich ihn umgedreht habe, wie man so schön sagt, und ihn für unsere Ziele gewinnen konnte, entglitt er meiner Kontrolle. Im Namen meiner Idee, die Gewaltlosigkeit hieß und Umsturz durch Aufklärung, zog er mit Sprengstoff und Maschinenpistolen durchs Land und predigte die Moral des Chaos, aus dem man dann ein neues Weltbild backen kann. Natürlich hätte ich ihn töten können. Es wäre so etwas wie Selbstschutz gewesen, aber er war vorsichtig wie ein Berglöwe. Kennen Sie den Puma, Doctor? Er ist eines der intelligentesten Tiere. Ähnlich verhielt sich Bandilla. Immer war er auf der Hut. Dann überfiel ihn die geheimnisvolle Krankheit und schaltete ihn ziemlich schnell aus. Wir atmeten alle auf. Und wir freuten uns, ja, wir freuten uns über seinen baldigen Tod. Und da kommen Sie! Was tun Sie? Sie behaupten keck: Diesen Verfall halten wir auf. Überblicken Sie überhaupt, was Sie damit anrichten?«

«Ich sehe Bandilla in erster Linie als Patient. «Dr. Mohr ging in den großen Waschraum, drehte einen der Wasserhähne auf und wusch sich die Hände. Novarra stand hinter ihm und wartete, bis Dr. Mohr sich wieder aufrichtete.

«Und ein Patient ist nach ärztlichem Ethos tabu.«, bellte er.

«So ähnlich. Nur hat die ganze Sache ein Nachspiel. Nehmen wir an, mir gelingt es wirklich, Bandilla wieder auf die Beine zu bekommen, dann ist er für mich als Patient nicht mehr existent. Aber der blutige Revolutionär Bandilla, der hundertfache grausame, mitleidlose Mörder Bandilla. der lebt! Und es wird meine andere Pflicht sein, ihn für immer unschädlich zu machen.«

«Sie Idiot!«schrie Novarra grob.»Wozu dieser Umweg?! Das können Sie jetzt doch einfacher haben. Lassen Sie ihn sterben.«

«Jetzt ist er krank. Und ein Arzt soll helfen und heilen, aber nicht bestrafen und töten! Begreifen Sie das nicht? Sie als Jurist?«

«Eben weil ich Jurist bin. Ich habe es immer für saublöd gehal-ten, einen schwerverletzten Mörder wieder gesund zu pflegen, ihm dann auf Kosten des Volkes den Prozeß zu machen und hinterher doch aufzuhängen! Das ist doch Schwachsinn!«Novarra kämmte sich wieder den Bart mit den gespreizten Fingern.»Außerdem: Wenn Bandilla wieder gesund wird, haben Sie keine Möglichkeit, ihn der — wie man so geschwollen sagt — Gerechtigkeit zu übergeben. Gerade Bandilla wird Sie, seinen Lebensretter, ohne ein Fünkchen Reue zuerst umbringen, wenn er merkt, daß Sie solche Gedanken hegen! Dankbarkeit ist eine ihm unbekannte Vokabel. - Verdammt, ich sollte meine Leute zurückziehen und den Bau Ihres Hospitals mit allen Mitteln verhindern! Das ist überhaupt die Idee. «Novarra lächelte böse.»Ich schlage Ihnen einen Tausch vor, Doctor: Sie behandeln Bandilla nicht, sondern lassen ihn endlich sterben. und Sie bekommen Ihr Hospital. Wenn Sie ihn behandeln, werden meine Männer jedem aufs Hirn klopfen, der für Sie auch nur einen Stein oder ein Stück Bauholz anpackt.«

«Auch mich?«wollte Pater Cristobal wissen.

«Sie sind keine Ausnahme, Pater!«

«Ich baue eine Kirche.«

«Deren Innenraum man gut zum OP umfunktionieren kann! Oh, ich kenne die faulen Tricks der Kirche!«

«Sie verabscheuen Gewalt?«fragte Dr. Mohr ruhig.

«Das sagte ich schon mehrmals.«

«Und wollen trotzdem Bandilla ermorden? Denn was Sie da planen, ist glatter Mord.«

«Himmel noch mal! Waren Sie bei den Jesuiten in der Lehre?!«schrie Novarra.»Ich nehme nur vorweg, was man später mit Ban-dilla doch nur tun wird! Ja, ich tue sogar Gutes. Ich verhindere weiteres Blutvergießen! Bis man Bandilla am Galgen hängen sieht, werden noch viele Unschuldige sterben. Da kennt Bandilla keine Bremse. Ich verhüte etwas, Doctor, indem ich ihn sterben lasse!«

«Der spitzfindige Jurist!«Dr. Mohr winkte ab.»Was streiten wir uns? Ich bin als Arzt hier und nicht als Scharfrichter. Morgen bekommt Bandilla seinen Tropf angelegt.«»Ich lasse Sie nicht wieder in die >Burg<!«

«Das wird sich morgen zeigen. Ich komme gegen neun Uhr morgens. «Dr. Mohr streckte seinen Kopf etwas vor.»Wenn Sie uns wieder die Augen verbinden wollen.«

«Warum habe ich bloß diese Hemmungen, Sie wie einen Pfahl in den Boden zu schlagen?!«

«Weil Sie Chica lieben und Ihren neugeborenen Sohn. Und weil beide mich noch brauchen. Und weil Sie im Grunde, da ganz tief drinnen, ein anständiger Mensch sind. Als Politiker mußten Sie scheitern. Da ist Anstand fast eine Beleidigung.«

«Ich werde mich bessern!«sagte Novarra grimmig.»Ganz in Ihrem Sinne. Männer wie Sie können mit Ihrem Maulwerk Steine pulverisieren.«

Kapitel 9

Drei Wochen sind auch in den Bergen von Penasblancas kurz, wenn sie vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung mit harter Arbeit angefüllt sind.

Die Kolonnen aus der >Barg< schufteten wirklich. Das Hospital wuchs von Tag zu Tag mehr aus dem Boden. Erst die Grundmauern, dann das Dach, dann die Zwischenwände. Es wurde ein größerer Komplex, als Dr. Mohr vorher geplant hatte. Novarra war stolz und zeigte es auch.

«Natürlich ist es kein Luxusbau«, sagte er, wenn er die Wände aus Felssteinen und rohen Brettern betrachtete.»Aber es ist ein festes Haus. Und es zieht nicht. Wir haben alle Ritzen mit Lehm und einem Erde-Pflanzenbrei ausgeschmiert. Der wird hart wie Beton, sage ich Ihnen. Auch das Dach hält 100 Jahre. Massive Stämme mit Steinen! Wenn Ihre modernen Kliniken in der Stadt längst verwittert sind und der Putz abbröckelt, können Sie hier noch immer im Trok-kenen sitzen!«

Wer in den Minen entbehrlich war, arbeitete jetzt am Bau. Aber nicht nur am Hospital. Nebendran wuchs auch Pater Cristobals Kirche in die Höhe. Er hatte sie als Rundbau angelegt und sogar einen Glockenturm konstruiert, ein Gerüst aus langen, dicken Stämmen, das oben spitz zusammenlief und an dem an einem Querbalken die Glocke schwingen sollte. Hier turnte zuletzt Miguel herum, der Kräfte wie ein Bulle entwickelte, brüllte Kommandos, zog an Tauen das Material herauf und ließ an besonders schönen Tagen, wenn er gut gelaunt war, seine mächtige Stimme über den Bauplatz schallen. Nur sang er keine Kirchenlieder, auch wenn er auf dem Dach der Kirche hockte, er gröhlte die frivolen Lieder aus >Mamas< Bar, bis Adolfo Pebas mit Rücksicht auf Margarita drohte, ihn vom Dachfirst zu schießen, wenn er mit den Schweinereien nicht aufhörte.