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Am frühen Morgen des übernächsten Tages, während noch alles im Hochnebel lag, der aus den Urwaldtälern nach Penasblancas herunterstieg, brach die riesige Kolonne auf. Ein ganzes Krankenhaus wurde auf den Rücken von Mulis transportiert. Bettgestelle, ein Operationssaal, ein Labor, ein Röntgengerät, Medikamentenkisten, Instrumente, Matratzen, zusammenklappbare Nachttische, Rollbetten. alles auf Maultierrücken geschnallt.

Und ein kleiner, dicker, glatzköpfiger Mann ritt mit, der eine besondere Begabung besaß: Er konnte lautlos töten.

Die riesige Karawane, die sich von Penasblancas aus in die Berge wälzte, wurde zu einer Sensation erster Klasse. Beobachter, die von Aussichtsfelsen aus die Zugänge zu den Schluchten überwachten und die einzige Straße in das Innere der smaragdträchtigen Kordilleren kontrollierten, meldeten sofort, daß der Muli-Transport von keinem Polizisten begleitet wurde. Das war verständlich, denn welcher Polizist war so hirnverbrannt, für die wenigen Pesos Gehalt sein Leben sinnlos aufs Spiel zu setzen? Leutnant Salto, der zuerst die Wahnsinnsidee gehabt hatte, das wandernde Krankenhaus mit seiner gesamten Truppe — also mit vier Mann — zu begleiten, mußte den Plan aufgeben, als sich drei seiner braven Leute sofort krank meldeten und mit Magenkrämpfen im Bett blieben.

«Feiglinge!«brüllte Salto herum.»Hosenscheißer! Bepissen sich vor Angst!«

Die Polizisten ertrugen diese Beleidigungen, nickten stumm und ergeben und blieben im Bett. Lieber ein lebendiger Feigling, als ein toter Held, dachten sie. Da oben in den Bergen haben wir keinerlei Chancen mehr. Wir vier gegen Tausende, das ist doch Irrsinn! Und ein Polizistenrock ist für die Guaqueros immer schon eine beliebte Zielscheibe gewesen.

Auch Major Luis Gomez in Muzo war nicht bereit, den Transport zu unterstützen. Nicht, weil auch er im Laufe der Wochen das Fürchten gelernt hatte, im Gegenteiclass="underline" Seine Soldaten durchkämmten systematisch die nähere Umgebung, griffen Smaragdsucher auf, warfen sie in die Gefängnisse, nahmen ihnen den wertvollen Fund ab und verurteilten sie im Schnellverfahren. Oberster Richter war Major Gomez selbst, der dann Seltsames erlebte: In seinem Nachttisch fand er wunderschöne Steine mit einem Absender, der den Namen eines Inhaftierten enthielt. Oder bei der morgendlichen Toilette erschien plötzlich wie durch Zauberei ein nacktes, bildhübsches Mädchen im Badezimmer und stellte sich mit ihm liebevoll unter die Dusche. Dabei plauderte sie von ihrem armen Bruder im Gefängnis.

Major Gomez tobte. Er verhörte sein Hauspersonal, niemand hatte die ungebetenen Gäste hereinkommen sehen. Natürlich nicht, denn kleine grüne Steinchen machten alle blind. Gomez' Offiziere dagegen verstanden ihren Kommandeur nicht mehr. Er versaute mit seinem Benehmen alle bisherigen Spielregeln. Wenn es den Offizieren nach hübschen Mädchen gelüstete, fingen sie ein paar Guaqueros ein, und siehe da, schon füllten sich die Betten! In Muzo kannte man das. Man nannte diese Aktionen: die Offiziers-Steuer. Jeder Guaquero kalkulierte diese Steuer ein. Hatte er selbst keine Tochter, Schwester oder ein hübsches Frauchen, dann halfen verständnisvoll die Nachbarn. Jeder konnte ja mal in die Fänge des Militärs kommen. Da war Nachbarschaftshilfe das halbe Überleben.

Major Gomez griff hart durch. Er verurteilte streng, die Betten seiner Offiziere verwaisten, Morddrohungen flatterten ins Haus. Die Disziplin des Bataillons wurde mit Exerzieren bis zum Umfallen aufpoliert. In Muzo und Umgebung ging man in Deckung. Dieser Gomez! Hat keine Angst! Man muß ihn doch eines Tages unter die Erde schicken.

Nun bat Leutnant Salto in Penasblancas um Amtshilfe. Er wollte einen Zug Militär zum Schutz des Krankenhaustransportes haben.

«Mein lieber Salto«, sagte Gomez am Telefon und kaute an einer langen Zigarre, die ihm beim Bericht des Leutnants ausgegangen war.»So gern ich Dr. Morero und Pater Cristobal wiedersehen möchte, und so sicher ich mir bin, daß der Transport ohne Schutz voller Gefahren ist, ich kann beim besten Willen nicht. Drei Kompanien sind im Säuberungseinsatz in den Bergen, eine Kompanie brauche ich hier in der Garnison, sonst klauen sie uns sogar die Häuser und Garagen! Sie kennen das ja! Hier leben ja keine Menschen mehr, sondern nur Langfinger mit Beinen! Ich kann keinen Mann abstellen. In drei Tagen vielleicht.«

«Zu spät!«seufzte Salto.»Der Transport ist unterwegs. Drei Jeeps und zehn Mann Begleitung hat Revaila mitgegeben. Das ist lächerlich!«

«Ich habe eine große Hoffnung, Salto. Was da unterwegs ist, kann nur für Dr. Morero interessant sein. Was wollen die Burschen in den Minen mit einer Krankenhausausstattung? Ein Röntgengerät können sie nicht fressen! Und einen OP-Tisch auch nicht.«

«Aber die Betten, Major! Die Stühle und Tische! Die Verbände und Medikamente. Da wackelt ein Vermögen durch die Felsschluchten. Damit kann man sich fabelhaft wohnlich einrichten. Außerdem hat die Karawane im Gepäck: Sprengstoff, Lebensmittel, Konserven, Munition und Waffen. Und jede Menge Narkosemittel. Für eine Ampulle würden manche einen Menschen umbringen. Da kommen nun Hunderte heran.«

«Ach du Scheiße!«sagte Major Gomez aus tiefer Brust.»Warum hat man mich nicht schon gestern davon unterrichtet?«

«Ich habe es auch erst heute von Revaila erfahren. Der Bursche hat das bewußt getan. Wenn der Transport nicht ankommt, seine Schuld ist es nicht! Um Dr. Morero schaden zu können, läuft er, wenn es hilft, auf den Händen bis nach Bogota! Sein Haß ist abgrundtief.«

«Ich könnte einen Hubschrauber schicken«, sagte Gomez nachdenklich.»Aber was kann der ausrichten? Nur beobachten.«

«Außerdem wird er abgeschossen. Die Kerle dort oben haben Maschinengewehre aus Armeebeständen. Eingetauscht gegen Smaragde. Was ich hier alles gehört habe, was vor meiner Zeit passiert ist. unbeschreiblich!«

«Mir geht's genauso, Salto. Meine eigenen Offiziere tauschen Gua-queros gegen Liebesnächte! Aber das verspreche ich Ihnen: Wenn der Transport nicht ankommt, rücke ich mit drei Kompanien in Ihr Gebiet und kämme es durch! Und wo ich nur ein Hustenbonbon aus den Hospitalbeständen entdecke, da lasse ich hinrichten! Jawohl, standrechtlich erschießen! Ich habe aus Bogota alle Vollmachten. Noch eins, Salto: Bis heute habe ich die dreiundvierzigste Morddrohung erhalten. Und Sie?«

«Noch keine, Major.«

«Wie das? Sind Sie schon schlapp geworden?«

«Nein, aber in Penasblancas bewachen sich zwei Gruppen gegenseitig, und seitdem ist Ruhe. «Salto seufzte.»Ich hatte auf Sie gehofft, Herr Major.«

«Leider, leider. «Gomez seufzte zurück.»Ich sitze für drei Tage auf dem trockenen.«

Von dieser Unterhaltung wußte keiner in den Bergen. Man hätte sich auch kaum darum gekümmert. Wichtig allein war, daß da auf 170 Mulis unschätzbare Werte durch die Gegend geschaukelt wurden. Ob man alles, was auf die Mulirücken geschnallt war, gebrauchen konnte, spielte keine Rolle. Allein die Tatsache, daß alles wertvoll war, reizte ungemein.

Es bildeten sich vier Trupps, die beschlossen, an passenden Stellen die Karawane zu besichtigen und mitzunehmen, was sich lohnte. Aber drei Trupps fielen aus, weil die Erfahrungen der ersten Gruppe sie veranlaßten, sich aufzulösen.

Diese erste Gruppe von zehn zu allem entschlossenen Männern lauerte den Mulis in einer Felsensenke auf. Um ganz sicherzugehen, nahmen sie die zehn Mann Begleitung unter Feuer, die auch sofort in Deckung sprangen und sich nicht mehr rührten. Das hätte jedem zu denken geben müssen, aber die zehn jubelten in ihrem Übereifer und stürmten auf die 170 Mulis zu.

Es war ihr letzter Gang. Wie Hasen wurden sie abgeschossen, aber nicht mit gezielten Einzelschüssen, sondern sie liefen in ein konzentriertes Maschinenpistolenfeuer hinein, aus dem es kein Entkommen mehr gab. In einem der Jeeps klappte auch noch ein schweres MG heraus und hämmerte in die Gegend, den Fluchtweg ver-sperrend.